Männerherrschaft

Handfeste abendländische Beweise für die Tatsache Männerherrschaft – ausser der brutal geköpften Muttergöttin mit Zwillingen – Symbol (für von aussen und oben gestörtes) Leben – sind die Inquisition und Hexenverbrennungen im Europäischen Mittelalter. Ein weiteres tragisches Beispiel ist die Verbrennung der symbolhaften Persönlichkeit Jeanne d’Arc; oder (wenn auch ein ganz anderer Schauplatz) die koreanischen „Trostfrauen“, die zur Prostitution mit Soldaten in militärische Bordelle verschleppt worden sind. Sie wurden Opfer des japanischen Militarismus im Umkreis des Zweiten Weltweiten Kriegs (1938/9-45).

Doch Achtung: Männerherrschaft,  d.h. die Herrschaft von Männern über Männer und Frauen, wird gewöhnlich mit der Herrschaft der Männer über die Frauen verwechselt. Das ist aber offenbar zu kurz gegriffen.

Studien zeigen, dass nicht nur Frauen unter von Männern dominierten Gesellschaften leiden, sondern auch die grosse Mehrheit der Männer. Die Männerherrschaft beschert ihnen ein verkürztes, stressiges und schlechtes Leben. In Deutschland und Österreich ist das Leben von Männern im Schnitt sechs Jahre kürzer als das von Frauen, in Frankreich acht und in Russland sogar zehn bis dreizehn Jahre.

Das hat keine biologischen Gründe, denn in Klöstern leben Nonnen und Mönche etwa gleich lang. Doch Männer sterben weltweit signifikant öfter an Selbstmord, Unfällen, Gewalt, Krebs, Alkohol oder Drogenmissbrauch, Mord und Risikoverhalten. In Deutschland sind zwei Drittel aller Notfallpatienten, drei Viertel aller Selbstmörder, achtzig Prozent aller Suchtkranken und über neunzig Prozent aller Häftlinge in Strafanstalten männlich.

Die Mehrzahl der Opfer männlicher Gewaltakte ist ebenfalls männlich, sieht man von Sexualdelikten ab, die vor allem Frauen und Kinder betreffen. Dem grössten Teil der Männer trägt die Männerherrschaft also mehr Nachteile als Vorteile ein. Und dennoch wehrt sich kaum ein Mann dagegen. Warum?

Ein Grund dafür sind die „ganz normalen“ Männerseilschaften in Politik, Wirtschaft und Militär, die dafür sorgen, dass die Quote erhalten bleibt – die Männerquote  in Spitzenpositionen, die regelmässig zwischen 90 und 100 Prozent liegt. Viele dieser Männer sehen sich zwar nicht als Frauenfeinde, weil sie sich einen ganzen Stall von Geliebten halten. Sie wollen in ihren Machtgefilden bloss nicht von Frauen gestört werden (es sind wohlwollende Sexisten).

Diese Herren an der Spitze sind die einzigen echten Nutzniesser der herrschenden Ordnung. In diesem autoritären, stark hierarchisierten System stehen nur wenige Sieger ganz oben, dafür aber gibt es sehr viele Verlierer. Die Sieger haben es gar nicht nötig, Werbung in eigener Sache zu machen – sie stellen die patriarchalischen Strukturen einfach durch ihr Handeln ständig (wieder) her. Und weil sie so erfolgreich sind, glauben unzählige Männer, autoritäre Macht sei unglaublich attraktiv; sie müssten ihnen also nacheifern, sie müssten genauso werden, genauso „stark“, „unabhängig,“ „autonom“ und „durchsetzungsfähig“. Damit gelingt es dieser Lobby von Topmachos (), ein für die „grosse Mehrheit der Gesellschaft völlig kontraproduktives Rollenbild aufrechtzuhalten, ohne einen Cent für PR ausgeben zu müssen“.

Vielen Männern sind diese Zusammenhänge aber überhaupt nicht klar, oder sie trauen sich nicht, darüber zu reden, weil sie sonst Gefahr laufen, als „unmännlich“ oder „schwach“ markiert zu werden. Männliche Strukturen sind untrennbar mit Macht und Herrschaft verbunden, mit Werten wie Überlegenheit, Härte und Kampfbereitschaft, Durchsetzungs- und Leistungswillen besetzt. Die Erfolgreichsten sehen dabei gerne auf alle anderen herab und diskriminieren sie als „Weicheier“ und „Schlappschwänze“, oder „Warmduscher“ und „Frauenversteher“ – eine „symbolische Kastration“.

Im jüdisch-christlichen Abendland steht das Problem der Autorität im Vordergrund. Besagte Autorität ruhte Jahrhunderte, ja über zwei Jahrtausende lang auf einer Trias aus Religion, Tradition und Männerherrschaft. Nicht zu vergessen das Militär.

Verschiedene Vaterfiguren standen für dasselbe Prinzip; sie stützten sich gegenseitig: Cäsar, Kaiser, König – Vater unser im Himmel, der Landesvater, der Pastor und sein naher Verwandter, der Onkel Doktor, schliesslich der Familienvater. Letztendlich übten sie alle Macht aus – über Männer wie Frauen.

Die strikte Gegenüberstellung von Macht und Autorität  ist zwar etwas schematisch, aber sie ermöglicht es, die gemeinsame Ursache zu erfassen, warum die Menschen beiden Geschlechts sich eben häufig freiwillig den Entscheidungen von Politik, Verwaltung, Justiz, Schule oder Medizin unterordnen. Die gesellschaftliche Schlüsselfunktion Autorität  dient als ihre normative Grundlage.

Männerherrschaft kennzeichnet eine Phase der Weltgeschichte, die aber kaum als ihr ganzer Inhalt gesehen werde kann. Nein, so wäre uns Geschichte – Weltgeschichte – auf nur sehr einseitige Weise  berichtet. Vieles deutet darauf hin, dass die Männerherrschaft nicht immer gesellschaftsbestimmend gewesen ist. Dies legen verschiedene Autoren wie der Schweizer Rechts- und Kulturhistoriker Johann Jakob Bachofen (1815-1887) etwa in Das Mutterrecht (1861) oder die in München geborene und in Bern lebende Carola Meier-Seethaler in ihrem Werk Ursprünge und Befreiungen überzeugend dar.

Eine frühe Stufe der Menschheitsgeschichte und die ursprüngliche Gesellschaftsform ist aller Wahrscheinlichkeit nach doch das Matriarchat gewesen. Mit seinen beiden Hauptwerken Das Mutterrecht und Gräbersymbolik der Alten versuchte schon Bachofen die ganze abendländische Vorgeschichte aus dem Gesichtspunkt des Kampfes zwischen Matriarchalismus und Patriarchalismus zu deuten. Diese Auseinandersetzung dauert bis heute an. Doch scheint sich nun das Blatt zugunsten der Frauen zu wenden: seit spätestens 1968 steht die Welt im Zeichen der Wasserfrau und der neofemininen Revolution.

In einer sogenannt matrizentrischen Kultur stehen die magisch-mütterlichen Kräfte der Frau im Zentrum der Gemeinschaft und im Brennpunkt des kultischen Lebens. Nicht der Mann, die Frau bestimmt über die Kinder und die Produktionsmittel und entscheidet über die Verteilung der Nahrung und Vermögen. Sie leitet die religiösen Riten und ist die zentrale Figur der Gesellschaft. Sexuell ist sie ebenso frei wie der Mann. In der persönlichen Liebesbegegnung sind die Geschlechter in einem nicht-hierarchischen Verhältnis zueinander. Niemals wird der Frau im Geschlechtsakt eine passiv duldende und dem Mann eine aggressiv-fordernde Rolle zugedacht: Der Machismo ist in der Frühzeit unbekannt. Weder sind Schönheit als Charakteristikum der Frau noch Stärke als Charakteristikum dem Mann vorbehalten. In der Liebesbegegnung stehen beide zitternd voreinander und geniessen gegenseitig ihre Kraft und Schönheit.

venus2

Dementsprechend würden wir auch nirgends eine wahre Spaltung zwischen Leidenschaftlichkeit und Zärtlichkeit finden. Warum nur? Nun, es liegt an uns, Mann und Frau: Wie im matrizentrischen Pantheon kein Ehepaar erscheint, sondern entweder die ungleichgewichtige Konstellation Göttin-Sohngelieb­ter oder das annähernd gleichgewichtige Schwester-Bruder-Paar, so stellt auch in der menschlichen Gesellschaft die Einheit des Ehepaars als Zentrum der Kernfamilie eine relativ späte Entwicklung dar. Die ursprünglichen Liebesbande sind Blutsbande; und das zärtlichste und innigste Wort, das die frühe Liebeslyrik für den Geliebten oder die Geliebte bereithält, ist die Anrede Bruder oder Schwester – wie noch heute im fernen Schwarz-Afrika.

Die Grosse Mutter und Nährerin steht als lebensspendende Göttin im Zentrum von Kult und Religion. Sie stärkt das Vertrauen der Menschen und verbindet sie mit dem Himmel, mit Sonne und Mond, mehr aber noch mit der Erde. Ebenso bedeutend wie Licht und Wärme ist den Menschen die Dunkelheit der Nacht und der Erde sowie ihre Feuchtigkeit. Auf ihr wird das schützende Feuer bestellt, damit es nicht ausbreitet. Sie ist der Ort, von wo die Nahrung kommt, sie gibt dem Fuss und dem Gesäss Halt, wenn wir uns Fortbewegen oder Ruhen. Auf der Erde sammelt sich das Wasser und darauf bewegt sich das Boot. – Einer der faszinierenden Aspekte der matrizentrischen Frühkultur ist die Art ihrer politischen Organisation und die Tatsache, dass ihre Gemeinschaften gesellschaftliche Macht ohne physische Gewalt ausüben. Das Zusammenleben der Gruppe ist ganz von der Friedensordnung des Frauenkollektivs bestimmt, einem bemerkenswert unaggressiven Stil, bei dem stets ein allgemeiner Konsens angestrebt wird.

Das Grundprinzip der historisch leider kaum geschriebenen Sozialordnung scheint die Friedenssicherung der Gruppe zu sein, die durch ausgewogene Verteilung der Güter, gegenseitige Hilfeleistung und Vermeidung von Interessenkollisionen erreicht wird. Ausgleich und stabiles Gleichgewicht zwischen Gruppengrösse und den Ressourcen der Umwelt bestimmen das Verhältnis zur Natur und deren Nutzung. Das grenzenlose Expansionsstreben des späteren, von Männern angeführten Menschen ist der matrizentrischen Kultur fremd, und zwar sowohl im Hinblick auf die territoriale Expansion als auch im Sinne ständiger Produktivitätssteigerung. Alle Kulturleistungen sollen allein der Kultursicherung dienen und dem Wohlbefinden der Gruppe und sie stehen unbedingt in Beziehung zu einer ganzheitlich-mythischen Weltsicht.

Männerherrschaft hingegen erscheint allenthalben lange als fast selbstverständlich und ebenso verheerend. Frauen sind denn das natürlich – auch wenn es eben gerade nicht stimmt – das eindeutig „schwächere Geschlecht“. – Zwar gab und gibt es Kritik, besonders im Laufe des fortschreitenden 20. Jahrhunderts. Mit zwei Weltkriegen haben es die uniformiert, faschistisch auftretenden, klar autoritätsgläubigen bis extrem grausamen Männer gründlich verzockt.

Frauenkampf

Schon in unserer Kindheit profitierten wir Männer vom Privileg von unseren Müttern, denen die Rolle der Haushaltsarbeit zugewiesen wird, versorgt zu werden. Wir werden nicht so sehr wie unsere Schwestern zur Hausarbeit herangezogen. Bei uns wird Gewalt, Faulheit, unpassende Selbstdarstellung viel mehr akzeptiert als bei Frauen und Mädchen. Mädchen wurden zur Zurückhaltung erzogen, uns aber wird Selbstvertrauen angelernt. Auch wenn dies in einzelnen Aspekten von Familie zu Familie aufbrechen mag, besteht die Gesellschaft nicht nur aus Familien und die Erziehung zum typisch männlichen Verhalten strömt über unzählige „soziale“ Kanäle auf uns ein.

StPhalle

Eine Folge: Männer waren sehr erfinderisch. Sie haben all diese Maschinen erfunden, das Industriezeitalter, aber keine Ahnung, wie man die Welt verbessert“ sagt etwa Niki de Saint Phalle in einem gleichnamigen Porträtfilm (Peter Schamoni, 1966). Die franko-amerikanische Künstlerin (* 29. Oktober 1930 in Neuilly-sur-Seine; † 21. Mai 2002 in San Diego) . eigentlich Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle – wurde in einem Pariser Vorort geboren, wuchs aber hauptsächlich in den USA auf. Sie wurde infolge ihrer Heirat mit Jean Tinguely im Jahr 1971 in der Schweiz eingebürgert. Als Künstlerin hat sie vor allem durch ihre „Nana“-Figuren viel Anerkennung gefunden.

nistphalle
Bemerkenswert – auch wenn keine typische Nana-Figur. 

Ein bekanntes Beispiel der Männerherrschaft ist das teils eklatante Ungleichgewicht in der „Geschlechterquote“, wie sie an den Schalthebeln der Macht in Wirtschaft und Staat bis heute manifest ist. Massive Ungleichheit beherrscht über Jahrhunderte nicht zuletzt die katholische Kirche, als eine der wichtigsten Institutionen neben dem Staat: und es findet sich teils noch immer in den parteipolitisch dominierten Parlamenten vieler moderner Demokratien wie Diktaturen. Auch wird ein mangelndes Gewicht der Frau ausgeprägt in den Führungsetagen der grossen Konzerne wahrgenommen und also dort auch meist anzutreffen sein – und zwar unabhängig von den Branchen: z.B. in der Schweiz sowohl in der Produktion als auch den Dienstleistungen, in der Maschinenindustrie, der Chemie, Pharmazie oder Elektrotechnik, der Uhrenindustrie und Mikroelektronik, in der Telekommunikation und im (Rohstoff-)Grosshandel sowie bei den Banken und Versicherungen. Einzig grosse IT-Unternehmen scheinen weltweit die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel zu sein.

Die Liste der Frauen, die auf den obersten Hierarchiestufen in Schweizer Unternehmen stehen, ist kurz: Gerade mal vier Konzernchefinnen und zwei Verwaltungsratspräsidentinnen listet eine Studie bei den rund hundert grössten Unternehmen in der Schweiz auf. – Demnach verantwortet Susanne Ruoff die operative Leitung bei der Post, Jasmin Staiblin bei der Alpiq Holding, Susanne Thoma bei BKW Energie und Philomena Colatrella bei der Krankenkasse CSS. Mit Colatrella wurde 2016 erstmals seit drei Jahren wieder eine Konzernchefin berufen, wie es im Schilling-Report 2017 heisst, den der gleichnamige Topkadervermittler am 19. Mai vorlegte.

Noch kürzer ist die Liste jener Frauen, die in der Schweiz ein Unternehmen präsidieren: Monika Ribar ist Verwaltungsratspräsidentin der Bahnen SBB und Nayla Hayek bei der Swatch Group. Mit der Wahl von Ribar seien erstmals im gesamten Erhebungszeitraum seit 2006 „gleichzeitig zwei Präsidentinnen auf der Liste finden, so der Report.

Überall bestätigt sich das gleiche Bild: Dort wo das grosse Geld gemacht, wo die wesentlichen Entscheide gefällt und die bahnbrechenden Veränderungen ausgelöst werden, sitzen praktisch nur Männer an den Hebeln der Macht. Wo bleiben die weiblichen CEO’s, die Frauen als Verwaltungsräte?

Bereits etwas anders sieht es heute in der Wissenschaft aus. Die Diskussion um einen weiblichen Stil in der Wissenschaft und was diese durch Frauen gewinnen kann, ist eröffnet. In Nordamerika zum Beispiel stellen Frauen bereits die Hälfte aller PrimatologenInnen. Immer mehr Frauen befassen sich mit der Erforschung von Säugetieren, die am höchsten entwickelt sind und dem Menschen am nächsten stehen. Sie drängen auch in anderen Disziplinen nach vorn.

Eine neue Generation von Studentinnen fordert unbekümmert ihren Platz im chemischen und biologischen Labor, am Teleskop oder bei Teilchenbeschleunigern. Nach und nach verschwinden die alten Vorurteile, dass Mädchen in Mathematik schwach seien und Frauen nichts von Maschinen und Technik verstehen würden – auch nicht robust genug, um in der egozentrischen Zunft der Wissenschaften an den Universitäten mitzuhalten. Nach Jahrhunderten, in denen die Leistungen von Frauen in der naturwissenschaftlichen Forschung nur von einem einzigen Namen repräsentiert wurde – dem Marie Curies als Entdeckerin des Elements Radium – arbeiten heute in Europa, den USA und Asien effektiv Zehntausende von Wissenschaftlerinnen.

Matri

Gegenpol einer Männerherrschaft wäre ein „Matriarchat“. Was? Der Terminus Matriarchat ist ein neuzeitliches Kunstwort, zusammengesetzt aus lateinisch mater „Mutter“ und  griechisch archein „herrschen“ und ist erst in den achtziger bzw. neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts von Ethnologen bzw. Rechtshistorikern in Anlehnung an das Wort Patriarchat gebildet worden. Der Begriff Patriarchat wiederum ist das Abstraktum zu  Patriarch, abgeleitet von griechisch patriarchés „Stammesführer“, womit im Mittelalter ein Bischof bzw. ein hoher Geistlicher bezeichnet wurde. In einer staatstheoretischen Abhandlung des 17. Jahrhunderts diente der Begriff „Patriarchat“ dazu, eine von  väterlichen Figuren abgeleitete Autorität zu bezeichnen; in der Herrschaftstypologie Max Webers wird damit eine persönliche, auf Gewalt und Gehorsam beruhende Form der Herrschaft klassifiziert. (vgl. Elke Hartmann, Zur Geschichte der Matriarchatsidee;  Humboldt-Universität zu Berlin, Antrittsvorlesung 2. Februar 2004)

Matriarchate sind aber nicht die spiegelbildliche Umkehrung von Patriarchaten, indem dort Frauen über Männer herrschen – wie es das gängige Vorurteil will. Vielmehr sind Matriarchate mutter-zentrierte Gesellschaften; sie vertrauen sich mütterlichen Werten an: Pflegen, Nähren, Fürsorge, Friedenssicherung, d.h. Mütterlichkeit im weitesten Sinne. Diese Werte gelten für alle, für Mütter und Nicht-Mütter, für Frauen und Männer gleichermassen. – Matriarchate sind bewusst auf diesen mütterlichen Werten und mütterlicher Arbeit aufgebaut und grundsätzlich bedürfnis-orientiert. Ihre Regeln zielen daraufhin, die Bedürfnisse aller Menschen am besten zu erfüllen. Auf diese Weise wird mothering“ (Muttersein und mütterliche Haltung) von einer biologischen Tatsache in ein kulturelles Modell umgewandelt. Es entspricht dem menschlichen  Zusammenleben weitaus besser als die Art, wie Patriarchate Mutterschaft behandeln und missbrauchen.

Das Rätsel um Matriarchat und Patriarchat beginnt sich zu lösen, wenn man sich weiter mit der Etymologie beschäftigt. Das Wörtchen arché (Patriarchat, Matriarchat, Hierarchie, Anarchie, Architektur, archaisch…) bedeutet zunächst keineswegs nur Herrschaft, sondern Anfang, Beginn, Ursprung, Uterus. Demnach hiesse Matriarchat ganz einfach: „am Anfang die Mütter“, oder die Mütter als Anfang, was nichts anderes bedeutet, als dass alles neue Leben von Müttern kommt und diese sich um diese Tatsache herum organisiert haben.

Matriarchate sind Gesellschaften, in denen sich Frauen und Mütter zusammentun, um die Existenz neuen Lebens zu sichern, dieses Leben zu pflegen, sich daran zu freuen und es in den Mittelpunkt der Gemeinschaft zu stellen. Alle Beschreibungen matriarchaler Gesellschaften entsprechen diesem Bild.

In matriarchalen Gesellschaften gelten Herrschaftsansprüche als unsozial und die Gemeinschaft gefährdend, als überflüssig und lächerlich, als dumm und kontraproduktiv für das Leben in Gemeinschaft.

Erst die neue Frauenbewegung sprach vom Patriarchat im Sinne allgemeiner Männerdominanz und entsprechend dient inzwischen Matriarchat im populären Sprachgebrauch dazu, eine Gesellschaftsordnung zu bezeichnen, die vorrangig von Frauen geprägt ist. Doch irgendwie ist das eine Utopie – obschon es viele historische Indizien gibt, dass es tatsächlich matrilinear organisierte  Gesellschaften mit einer Müttergöttin an der Spitze gab. Auch deuten Entwicklungen der Gegenwart darauf, dass Frauen in der modernen Gesellschaft und ihren Werten wieder an Bedeutung gewinnen (im Wahr-Zeichen der von uns sogenannten „neofemininen Revolution“).

Ein anderer Ansatzpunkt wäre Autorität: es plädiert für eine neue, horizontale Autorität. Sie ist weniger an eine bestimmte Position gebunden und schon gar nicht an ein bestimmtes Geschlecht. Sie wandelt sich je nach Situation und muss immer wieder ausgehandelt werden. Statt entlang einer Befehlskette wirkt sie über ein Netzwerk. Umrisse dieser neuen Autorität werden zum Beispiel entdeckt in Form flacher Hierarchien in Unternehmen.