The Beatles

Thank you! I also like your wonderful The Beatles.

Rolf H. Meier WELTGESCHICHTE 1 UND 2

Sgt. Pepper(1967)

The Beatles were anEnglish rock bandformed in Liverpool in 1960. The group, whose best-known line-up comprised John Lennon (2. v. lks.), Paul McCartney, George Harrison and Ringo Starr (lks.), are regarded as the most influential band of all time. They were integral to the development of 1960s counterculture and popular music’s recognition as an art form. Rooted in skiffle, beat and 1950s rock and roll, their sound…

The Beatles waren ohne Zweifel die grossartigste Pop-Band aller Zeiten. Nicht nur, weil sie in der Jung-Zeit des Autors gross wurden. Frau/man höre sich etwa Abbey-Road an…

Come together

Oh! Darling

Oder: I want to be in a Octopussies garden with you – mit herrlichem 3/4-Takt in: I Want You (She’s So Heavy). Und so weiter.

Here comes the sun – it’s all right.

Love is all – I love you!

The leader of the group; Sir…

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The Beatles

Sgt. Pepper (1967)

The Beatles were an English rock band formed in Liverpool in 1960. The group, whose best-known line-up comprised John Lennon (2. v. lks.), Paul McCartney, George Harrison and Ringo Starr (lks.), are regarded as the most influential band of all time. They were integral to the development of 1960s counterculture and popular music’s recognition as an art form. Rooted in skiffle, beat and 1950s rock and roll, their sound…

The Beatles waren ohne Zweifel die grossartigste Pop-Band aller Zeiten. Nicht nur, weil sie in der Jung-Zeit des Autors gross wurden. Frau/man höre sich etwa Abbey-Road an…

Come together

Oh! Darling

Oder: I want to be in a Octopussies garden with you – mit herrlichem 3/4-Takt in: I Want You (She’s So Heavy). Und so weiter.

Here comes the sun – it’s all right.

Love is all – I love you!

The leader of the group; Sir John Lennon with his true love Yoko Ono.

Die Grossen Vier waren Briten aus Liverpool mit dem Zentrum Londen. – Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, der grosse Partner der Atlantischen Gemeinschaft, ist heute den Jungen viel näher, als es noch ihren Grosseltern gewesen ist. Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Vorgänge in den USA haben einen direkten Einfluss auf die Vorgänge in Europa und in praktisch allen anderen Teilen der Welt.
In wenigen Stunden kann man nicht nur (mit dem Zug) nach Paris oder London fahren, vielmehr den Ozean überfliegen und in New York oder sonstwo landen, was die jungen Billigflieger angesichts des günstigen Angebots auch gerne nutzen. Allerdings sind die Kontrollen seit „9/11“ aufsässiger geworden. Als wir noch 20 waren, sah die Welt und auch die Diskussion mit unseren Vätern noch anders aus.

Die nicht unerhebliche Niederlage der Amerikaner in Südostasien gehörte dazu, die gern auf Kennedys Versprechen, jeden Preis zu zahlen, jede Bürde zu tragen, zurückgeführt wird. Andererseits wurde das damals vor dem Hintergrund des Vietnam-Krieges (1964-1975) geprägte, durchaus auch sozialkritisch gemeinte Make love, not War! zum weltweit übernommenen Wahlspruch einer jungen hoffnungsvollen Generation, von der manche gar als langhaarige Blumenkinder und Achtundsechziger in die Geschichte eingehen. Unter Jugendlichen, insbesondere Angehörigen der Hippies, verbreitet sich um 1968 ebenso der Drogenkonsum.

Mit dem Woodstock-Festival (1969) in den USA setzte sich die Hippie-Kultur selbst ein Denkmal. Bis heute sind die Empfindungen und Gefühle aus dieser Zeit in der angelsächsischen Unterhaltungsmusik lebendig und in den Medien präsent, angefangen beim stimmlich nie erlahmenden Joe Cocker, den Hits von Janis Joplin und Stücken von Jimmy Hendrix, den Balladen von Donovan (Colors, I’ll try for the sun, universal soldier, 1965) und aufgehört bei den Songs der Rolling Stones und Beatles oder Pilzköpfen – ganz zu schweigen von den seltsamen Elaboraten einer Yoko Ono.

Als die vier Musiker, Sänger und Komponisten John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr erstmals in Amerika auftreten, geraten 17’000 junge Leute buchstäblich aus dem Häuschen. Ausschnitte der Konzerte in der Hollywood Bowle in Los Angeles vom 23. August 1964 und 29. August 1965 sind auf einer Schallplatte festgehalten (ein Exemplar ist im Besitz des Autors (smile).

Doch 5 Jahre später gibt Paul McCartney seine Trennung von den Beatles bekannt, die sich im Juli 1970 auflösen. Wenn nicht ihr Manager, Brian Samuel Epstein (* 19. September 1934 in Liverpool, England; † 27. August 1967 in London, England) – ein britischer Geschäftsmann, der ebenso Manager anderer Musikgruppe aus Liverpool war, so früh gestorben wäre – hatte wohl die „Auflösung“ nie stattgefunden.

Seit 1969 ist McCartney mit Linda verheiratet; die beiden haben vier Kinder – Mary, James, Stella und Heather, Lindas Tochter aus erster Ehe. Seine Arbeit als Musiker gibt Paul nicht auf; eine Sternjahr-Periode später, am 14. Oktober 1997, erfolgt in Amerika die Uraufführung von McCartneys Symphonie Standing Stone. Auf seinen Konzerttourneen will er seine Frau stets auf der Bühne dabei haben, aber am 18. April 1998 stirbt sie in ihrem Feriensitz in Santa Barbara in Kalifornien an Brust-Krebs.

Linda Louise McCartney (née Eastman) was born in Scarsdale, New York, on 24th September 1941. She graduated from Scarsdale High School, Westchester County, New York in 1960, and went on to study at the University of Arizona, where she majored in art history.

Linda McCartney ist, nachdem sich bereits früh für Tier- und Umweltschutz zu engagieren begann, zu einer gefragten Naturphotographin geworden. Ihre Arbeiten wurden weltweit in renommierten Galerien ausgestellt.

Ausserdem hat sich die überzeugte Vegetarierin einen Namen als Verfasserin von Kochbüchern gemacht.

If slaughterhouses had glass walls, the whole world would be vegetarian.

Linda hat auch einen Vertrieb von Bio-Lebensmitteln aufgezogen, der ihr allerdings auch einige Sorgen bereiten sollte: 1993 kommen ihre Vegburgers ins Gerede, weil darin Fleischanteile gefunden worden sind, und 1995 müssen Tausende von Gemüsepasteten wegen zu hohen Fettgehalts aus den Verkaufsregalen zurückgezogen werden.

Die Beatles John Lennon und Paul McCartney haben im Sommer 1968 fast gleichzeitig die Frauen gefunden, die ihnen zu Partnerinnen in jeder Hinsicht werden sollten. Lennon verlässt seine Ehefrau Cynthia für die japanische Künstlerin Yoko Ono, und McCartney trennt sich von seiner langjährigen Freundin Jane Asher, um mit der amerikanischen Photographin Linda Eastman zu leben. Zum erstenmal trifft Linda Paul McCartney während Photoaufnahmen für das 1967er Album Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band.

Unter dem Einfluss ihrer neuen Partnerinnen beginnen sich das Songwriter-Team Lennon/McCartney zusehends als Konkurrenten auseinanderzudriften. Lennon entwickelt sich zum Avantgardisten, während Mc Cartney endgültig zum Schreiber von leichterem Unterhaltungspop wird. 1970 besiegelt er mit dem Solo-Album McCartney das Ende der Fab Four. Als Co-Autorin und Background-Sängerin wirkt Linda McCartney, die sich schon vor ihrer Heirat mit dem berühmten und umschwärmten Beatle einen ausgezeichneten Ruf als Porträt-Photographin schuf. Die Platte fällt bei der Kritik durch; die Musikzeitschrift Rolling Stone etwa verurteilt das Werk der McCartneys als monumental irrelevant, und Lennon bezeichnet die Platte schlicht als „einen Haufen Mist“.

Später aber, mit und ohne die von ihnen gegründete fünfköpfige Band Wings, spielen die beiden dann kommerziell erfolgreichere und auch musikalisch überzeugendere Alben ein.

Ist es mir aber einmal nicht so ernst zumute, so höre ich einfach leichte Musik. Z.B. meine als etwa 20-jähriger unvergesslich gebliebene Erfahrung: The Beatles oder die ‚Pilzköpfe’ mit Abbey Road – ohne Zweifel ein Erzeugnis und Zeugnis des historischen Sternjahres 1968, weil produziert 1969 (EMI Records Ltd). Oder: Wish You Were Here (Original: 1975) mit dem phantastischen Gittaristen, Sänger, Songwriter und Produzenten Roger Gilmour (* 6. März 1946 in Cambridge, Cambridgeshire, Grossbritannien) in einer der vielen Versionen auf YouTube. Das gleichnamige Musikalbum der englischen Rockband Pink Floyd wurde von Januar bis Juli in den Abbey Road Studios aufgenommen.

Gilmour ist Sohn eines Genetikprofessors und wuchs so in einer akademischen Mittelschichtfamilie auf. Als Teenager begann er mit dem Gitarrespiel in verschiedenen lokalen Cambridger Gruppen. Besagtes Album Wish You Were Here umfasst fünf Titel, die nahtlos ineinander übergehen. Der erste und letzte mit dem Titel Shine On You Crazy Diamond stellt eine Hommage an das frühere Bandmitglied Syd Barrett dar. Er war bis zum historischen Sternjahr 1968 federführend als Komponist, Sänger und Gitarrist beteiligt, aber aufgrund einer durch hohen Drogenkonsum begünstigten psychischen Störung für die Band nicht weiter tragbar. 1968 wurde er durch David Gilmour ersetzt.


Am bekanntesten wurde der Titel Wish You Were Here – welcher. entgegen einer oftmals geäusserten Ansicht, weniger als Liebeslied gedacht als vielmehr ebenfalls dem Genius, aber auch dem Wahnsinn Barretts gewidmet ist.

On August 8, 1969, on a street in north-west London and almost directly outside a celebrated recording studio, one of the most famous ever album covers was shot. Photographer Iain MacMillan took the photograph that would adorn the cover of the brilliant new record named after the street where he stood, Abbey Road. The zebra crossing, almost exactly in front of the studio where The Beatles had created the vast majority of their body of work, was about to become one of the most recognised sites in London.

The grandeur of the album was immediately recognized. As TIME noted in the Oct. 3, 1969, review of the record, there was something special going on:

“We were more together than we had been for a long time,” said John Lennon last week. “It’s lucky when you get all four feeling funky at the same time.” Lennon was talking about a recording session last summer that produced the latest Beatles record. Out this week, it is called Abbey Road, in honor of the group’s favorite studios in London. The disk proves lucky indeed – for listeners who like being disarmed by the world’s four most fortunate and famous music makers. Melodic, inventive, crammed with musical delights, Abbey Road is the best thing the Beatles have done since Sgt. Pepper (1967). Whereas that historic record stretched the ear and challenged the mind and imagination, Abbey Road is a return to the modest, pie-Pepper style of Rubber Soul and Revolver. It has a cheerful coherence — each song’s mood fits comfortably with every other – and a sense of wholeness clearly contrived as a revel in musical pleasure.

…The record’s unity is best illustrated by the tightly knit and unpretentious way it combines a variety of styles. Among them: old-line rock ‘n’ roll (Oh! Darling), low blues (I Want You), high camp (Maxwell’s Silver Hammer), folk (Here Comes the Sun). Though the listener here and there finds such things as a vocal chorus or a swash of electronic sound, most of the time the instrumental textures are uncluttered by overdubbing. Rarely has John played better guitar than on I Want You (She’s So Heavy), a cunning combination of two songs with a chilling, mean blues throb. Rarely have Bassist Paul and Drummer Ringo achieved more cohesive yet flexible rhythm than on Mean Mr. Mustard and Polythene Pam.

Abbey Road, the final album recorded by The Beatles, is a true classic in every sense of the word, from the now-legendary album cover photo shot outside the recording studio to the well-crafted and thoughtfully arranged songs, which included George Harrison’s two finest Beatles compositions and the seamless, multi-song medley that occupied most of side two of the record.

As The Beatles’ recorded swansong, Abbey Road is a testament to the band’s immense talent and proof that personality clashes be damned, when they stepped into a recording studio that magic feeling was never far away. (John M. Borack)

And, despite a majority of songs bearing the familiar Lennon/McCartney credit, the album was also George Harrison’s time to shine. His song Something was already getting radio play, and the time he had recently spent with Bob Dylan was paying off. “This has helped him achieve a new confidence in his own musical personality,” the reviewer noted. “His three colleagues frankly think that Something is the best song in the album”.

In a 1969 interview Paul McCartney said, “I like ‚Come Together,‘ which is a great one of John’s. I like George’s song ‚Something.‘ For me, I think it’s the best he’s written.” John Lennon agreed with McCartney’s assessment of Something: “I think it’s about the best track on the album,” he told journalist Tony MacArthur upon the album’s release. McCartney’s contributions included the ‘50s send up “Oh! Darling” and the wonderful “You Never Give Me Your Money,” an underrated gem that lyrically poked at The Beatles’ then-current financial situation. Ringo Starr took the lead vocal on his solo composition “Octopus’ Garden,” although Harrison is said to have assisted with the song’s creation.

(John M. Borack, 2019)

„1969 knarzt es schon ordentlich im Beatles-Gebälk. Es gibt immer wieder Streit, und die Musik wird immer häufiger zur Nebensache. George Harrison erinnert sich später: „Here Comes The Sun entstand zu einer Zeit, als sich das Beatles-Label Apple wie eine Businessschule anfühlte, vor der es kein Entrinnen gab“. Und auch privat läuft nicht immer alles glatt. George Harrison müssen die Mandeln entfernt werden, dann wird er wegen des Besitzes von Marihuana verhaftet. Kurzerhand nimmt er sich eine Auszeit und fährt zu seinem Freund und Musikerkollegen Eric Clapton raus aufs Land. Die beiden setzen sich in den Garten. „Es war ein sonniger Tag und zum ersten Mal seit Wochen hatte ich wieder die Ruhe, eine Gitarre in die Hand zu nehmen. Und das erste, was mir einfiel, war dieses Lied. Ich habe es dann später im Urlaub auf Sardinien fertig komponiert“, erinnert sich George Harrison.

Das trotz Moog-Synthesizer akustisch anmutende Stück wirkt nicht nur wie der erste ersehnte warme Sonnenstrahl nach anhaltender Kälte, sondern vor allem auch wie ein Versprechen für eine bessere Zukunft. Und das vielleicht Schönste am Lied – zu finden auf Abbey Road – ist jedoch, dass es dem 2001 verstorbenen Harrison mit diesem gelungen ist, das Frühlingsgefühl perfekt einzufangen: Und wer wie ich glücklicher Besitzer einer kurbelbetriebenen Mini-Drehorgel ist, die Here Comes the Sun spielt, hat längst erkannt: Ein paar Drehungen genügen, und sogleich bessert sich die Laune – im Wissen, dass der Lenz naht.“ von hotfox63 in  Juke Box

Love is all – I love you! indessen ist m.E. der beste song auf Abbey Road.

Lust (09.21)

Lust bedeutet einen Begriff starken sexuellen Verlangens als moderne Definition. Lust ist aber oftmals auch Gegenstand der Verwirrung. So gilt sie als eine der sieben Todsünden gemäss der christlichen Bibel und ist dementsprechend bei uns früh in Verruf geraten.

Ist Lust wirklich das Gegenteil von Keuschheit, oder ein übermässiger sexueller Appetit?

Höchstes Gut oder Ziel (lateinisch summum bonum, griechisch τὸ ἀγαθόν) ist dasjenige Gut, dem unbedingter Wert beigelegt wird.  In der philosophischen Ethik wird das höchste Gut auch als letzter Zweck des moralischen Handelns angesehen, als höchster handlungsleitender Wert und höchstes Ziel.

Dass aber die Lust „das höchste Gut sei, lässt sich aus dem Folgenden am leichtesten entnehmen: Stellen wir uns einen Menschen vor, der seelisch und leiblich grosse vielfache und andauernde Lust geniesst, ohne dass irgend ein Schmerz ihn gegenwärtig bedrängt oder in der Zukunft bedroht, was können wir dann für einen Zustand nennen, der vollkommener oder begehrenswerter wäre?“ (Epikur, Von der Überwindung der Furcht; Eingeleitet und übertragen von Olof Gigon, Zürich 1949 und 1968, S. 144)

Gewöhnlich indes wird jedoch seelisch und leiblich grosse vielfache und andauernde Lust in unserer Gesellschaft nicht als ein solches Gut – vielmehr eher schräg angesehen. Zu unrecht!

„Notwendigerweise muss nämlich ein Mensch in einem solchen Zustande auch die Festigkeit der Seele haben, die weder den Tod noch den Schmerz fürchtet, weil der Tod ohne Empfindung ist, der Schmerz aber auf die Länge leicht ist, wenn dagegen heftig, dann kurz, so dass seine Stärke durch die Kürze, seine Dauer durch die Milde erleichtert wird. Wenn ferner dazukommt, dass er weder das göttlich Walten fürchtet noch die vergangenen Lustempfindungen vorüberfliessen lässt, weil er sich dauernd mit Freude an sie erinnert, was könnte es dazu noch Besseres geben?“ (Epikur, Von der Überwindung der Furcht; Ebd. S. 144)

„Stelle ihm gegenüber einen Menschen, der von grossen Schmerzen des Leibes und der Seele bedrängt ist, wie man sie sich nur vorstellen kann, ohne Hoffnung, dass dies irgendeinmal besser würde und ohne irgendeine Lust, die jetzt vorhanden wäre oder in der Zukunft erwartet werden dürfte, was lässt sich Jammervolleres nennen oder ausdenken als dies? Wenn also ein Leib voll von Schmerzen am meisten zu fliehen ist, dann ist es sicherlich das grösste Übel, im Schmerze zu leben; und dem entspricht das andere, dass es das höchste Gut ist, in der Lust zu leben. Denn unser Geist hat nichts anderes, was er als äusserste Grenze festhalten könnte, und alle Angst und Kummer beziehen sich auf den Schmerz, und ausser ihm gibt es nichts, was seiner Natur nach uns beunruhigen oder schmerzen könnte.

Ausserdem geht der Ursprung des Erstrebens und Meidens und allen Handelns von Lust oder Schmerz aus.

Wenn es aber so ist, dann ist es klar, dass alle rechten und lobenswerten Handlungen sich darauf beziehen, mit der Lust zu leben. Da nun eben dieses das oberste, letzte und äusserste Gut ist, was die Griechen Telos nennen, worauf sich alles andere bezieht, ohne dass es sich selber auf irgend etwas anderes bezieht, so muss man bekennen, dass das oberste Gut darin besteht, lustvoll zu leben.“ (Epikur ebd. S. 144f)

Epikur – oft missverstandener Philosoph.

Jene, die das oberste Gut ausschliesslich in der Tugend sehen und, durch den Glanz des Namens verführt, nicht erkennen, was die Natur fordert, werden vom grössten Irrtum befreit werden, wenn sie Epikur nur anhören wollen.

Denn all eure erlesenen und schönen Tugenden, wer würde sie für lobenswert und erstrebenswert halten, wenn sie nicht Lust erzeugten? So wie wir nämlich die Wissenschaft der Ärzte nicht wegen ihrer Kunst selbst, sondern um der Gesundheit willen schätzen, und so wie die Kunst des Steuermanns gelobt wird wegen ihrer Nützlichkeit, weil sie das Schiff richtig zu lenken versteht, und nicht wegen der Kunst selber, so würde man auch die Weisheit, die die Kunst des Lebens ist, nicht erstreben, wenn sie kein Ergebnis hervorbrächte. Nun wird sie aber erstrebt, weil sie gewissermassen Künstler ist im Aufsuchen und Erwerben der Lust.

„Was ich dabei unter Lust verstehe, versteht ihr schon, damit nicht durch das Missverstehen eines Wortes meine ganze Rede in Gefahr gebracht werde. Da nun durch die Unkenntnis der guten und schlechten Dinge in erster Linie das Leben der Menschen beunruhigt wird und da diese wegen dieses Irrtums oftmals der grössten Lust beraubt und mit den härtesten Schmerzen der Seele gequält werden, so muss man die Weisheit anwenden, die Angst und Begierden beseitigt und die Verwegenheit aller falschen Meinungen ausreisst und sich uns als der sicherste Führer zur Lust anbietet. Denn es ist nur die Weisheit, die aus der Seele die Traurigkeit vertreibt und die uns daran verhindert, vor Angst zu erstarren. Wenn sie unsere Lehrerin ist, vermag man in der Ruhe zu leben und allen Brand der Begierden auszulöschen. Denn die Begierden sind unersättlich und ruinieren nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Familien und zerstören oftmals den ganzen Staat. Aus den Begierden entstehen Hass, Streit, Zwietracht, Aufruhr und Krieg. Und sie bewegen sich nicht nur draussen und stürzen sich in blindem Ansturm auf andere, sondern auch eingeschlossen im Inneren der Seele sind sie untereinander in Streit und Zwietracht, woraus notwendig das jammervollste Leben entsteht, derart, dass erst der Weise, nachdem er alle Nichtigkeit und allen Irrtum weggeschnitten und gestutzt hat, zufrieden mit den Grenzen der Natur ohne Kummer und ohne Angst leben kann.“ (ebd. S. 145f)

Maria – Aufnahmen des Autors.

Maria Daniela Manuela Miranda (Aufnahme des Autors).

Furcht, Schmerz und Begierden sind für Epikur die drei grossen Klippen, die umschifft werden müssen, damit dauerhaft Lebenslust und Seelenruhe herrschen können. Bezüglich der Furcht sind es vor allem zwei Motive, mit denen Epikur sich auseinandersetzt: Furcht vor den Göttern und Todesfurcht.

Ein zentrales Anliegen Epikurs war sein Kampf gegen die Vorstellung, dass Götter in das Weltgeschehen und insbesondere in die menschlichen Schicksale eingreifen, dass ihr Zorn zu fürchten ist und sie daher durch Opfer und Gebete beeinflusst werden müssen. Er verwarf dies als Aberglauben und beseitigte damit die Gottesfurcht. Allerdings war dies keine Besonderheit der Epikureer, denn auch andere philosophische Richtungen, besonders die Platoniker, lehnten die Gottesfurcht (deisidaimonia) strikt ab und betrachteten sie als etwas Verächtliches.

Unser erstes Lusterlebnis ausserhalb des Mutterleibes ist das Saugen an ihrer Brust (deshalb unser Eingangsbild). Bemerkenswert ist, dass dabei auch sie Lust empfindet. Ihre Nippel sind bekanntlich sensitiv.

Die Religion der alten Ägypter hat dieses wohlweislich in ihrer reichen Bildwelt festgehalten. Die Christen jedoch hatten dafür kein rechtes Bewusstsein…

Das bedeutet historisch ene unglaubliche Verdrängung der ursprünglichen Lust. Allerdings kompensieren wir diese orale Lust in unserer Kultur gerne mit gutem Essen.

Aufnahmen des Autors,

Indes bezahlen wir dies im Alter – besonders die dickbäuchigen Männer – mit ungesundem Übergewicht. Frauen sind da etwas zurückhaltender – und trinken auch viel weniger Bier.

Denn was die Frau wesentlich und qualitativ vom Mann unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie Leben spendet und überhaupt als Einzige über ein Organ verfügt, was allein der Lust dient. Nur wir als die am höchsten entwickelten „Tiere“ haben den „kleinen Unterschied“ oder das Detail des organisch-weiblichen Lustzentrums hervorgebracht: die Klitoris.

Bei der Frau oder dem „Weibchen“ der Homininen ist sie einzigartig vorhanden. Funktion und Bewusstsein, die vom jeweiligen Entwicklungsstand eines Körperwerkzeugs nie getrennt werden kann, haben sie ganz besonders ausgezeichnet. Was uns also vom Tier unterscheidet, ist nicht nur unser vollendet aufrechter Gang und die individuell hochgradig differenzierte Sprache (Sprachlichkeit), sondern ebenfalls das urweibliche Vermögen der Klitoris. Leider wissen wir nicht, wann diese sich aus der ursprünglich schon lange vorhandenen Anlage in den Dienst der modernen Perspektive gestellt hat, so wie wir sie bei keiner anderen Familie oder Tiergattung antreffen. (vgl. Rolf H. Meier, Macht des Geschlechts, Band 1, 1. Auf den Spuren der Lust und des vergessenen Organs: der Klitoris)

Das Wecken der männlichen Lust hat vorab mit der Berührung des Penis zu tun. Jenes der weiblichen Lust mit der Berührung der Klitoris. Im fortgeschrittenen Bereich kommt das Saugen – die Kombination mit der orralen Lust hinzu. Beides ist die Erfüllung der gegenseitigen Geschlechtlichkeit bzw. Lust.

„Ebenso hat eine Australierin ein anatomisches Detail ins Licht der Erkenntnis gerückt, das unserem Wissen um die Lust (der Frau) ganz neue Massstäbe setzt und Männern neue Perspektiven schenkt. Im Juni des historischen Sternjahres 1998 machte Dr. Helen O’Connell, Wissenschaftlerin am Royal Melbourne Hospital (in Victoria, Australien), eine für das ausgehende 20. Jahrhundert erstaunliche Entdeckung. In einem Artikel des Journal of Urology schrieb sie, die allgemein bekannten Abbildungen der Klitoris (sic!) entsprächen nicht der Realität. Gewöhnlich wird das Organ, falls überhaupt, in Schulbüchern oder Tamponpackungen unvollständig oder falsch dargestellt. Der äusserlich sichtbare Teil (oft auch „Kitzler“ genannt) ist nur ein kleiner Teil ihres Kopfes, die hochempfindliche weibliche Eichel. Der Kopf der Klitoris misst rund 4 cm und setzt sich in einem Körper fort, der in etwa so gross ist wie das Endgelenk des Daumens. Das Lustorgan geht in zwei Arme über, die jeweils zwischen 7 und 12 cm lang sind. Dazu gehören zwei grosse Schwellkörper, die entlang der Klitorisarme (unterhalb der inneren Venuslippen bis hin zum After) verlaufen. Zwei weitere Schwellkörper laufen quer, der eine umschliesst die Harnröhre, der andere die Scheidenöffnung… .“ (Rolf H. Meier, Weltgeschichte 1, 2014, S. 6f)

Klitoris mit

1.    Glans clitoris (Eichel) mit Vorhaut
2.    Venuslippe
3.    „Arme“, „Beine“ der Klitoris (Kitzlerschenkel)
4.    Harnröhrenmündung
5.    Clitoris Bulbus (Birnen, Bulben: Vorhofschwellkörper)
6.    Scheidenöffnung

Im Zustand sexueller Erregung füllen sich die inneren Schwellkörper der Frau mit Blut analog dem Penis als äusserer Schwellkörper beim Mann.

Seit den Untersuchungen der Urologin Helen O’Connell (1998, 2004; University of Melbourne) weiss man also, dass die Klitoris nicht nur aus der Eichel und Glans besteht, sondern ein weitläufiges Schwellkörpergewebe ist, das den gesamten Genitalbereich der Frau umfasst. Es dient einzig und allein der Lust; die Klitoris ist so als Organ in der Natur einzigartig.

Fassen wir also zusammen:

  1. Die Klitoris ist Leitorgan der sexuellen Lust der Frau, der Schlüssel zum lustvollen Körper der Frau.
  2. Entwicklungsgeschichtlich existiert kein der Klitoris analoges Organ beim Mann (auch nicht in verkümmerter Form).
  3. Gegebenenfalls hat sich die Klitoris der weiblichen Homininen im Bewusstsein, der Kontroll- und Lustfunktion der komplexen Hirnzellen, erst relativ spät herausgebildet, nämlich parallel zu ihrem bereits weit fortgeschrittenen Werkzeuggebrauch.

Diese für die Hominiden ganz neue Handlungs- und Seinsweise bringt namentlich zwei Konsequenzen mit sich, die die Geschichte des Lebens, von der Geburt der Menschheit an, tiefgreifend beeinflusst:

Zunächst mit dem enormen Zuwachs an Macht, in dem man einen der wichtigsten Erfahrungsfaktoren für den menschlichen Erfolg suchen darf; weiter, und das ist ein unerwartetes Faktum: ein plötzliches Nachlassen in der von aussen sichtbaren Fähigkeit des Organismus, sich organisch weiterzuentwickeln.

Weitere markante Punkte sind:

  • Die Klitoris, am oberen Eingang zum primären Geschlecht der Frau, das sonst überwiegend nach innen orientiert auftritt, ist – wie fast alle anderen Werkzeuge des Menschen – nach aussen gerichtet.
  • Wenn wirklich die somatischen Differenzierungen in der Tierwelt, mit denen sich alle Zoologen in erster Linie befassen, an die Transformation von Organen in Werkzeuge gebunden ist, so ist das eine bemerkenswerte Tatsache – eine Ausnahmeerscheinung.
  • Zu welchem Zweck könnte sich der weibliche Körper somit dieses meist sehr kleine und ziemlich versteckte Werkzeug geschaffen haben? Wohl am ehesten für die lustvolle Ipsation (Selbstbefriedigung) der Frau.
  • Dank ihrem Leitorgan ist die Frau im Besitz einer prinzipiellen geschlechtlichen Unerschöpfbarkeit, was sie dem Mann überlegen macht, nicht zuletzt in sexueller Hinsicht.
  • Diese Überlegenheit spielt sie ursprünglich in matrizentrisch organisierten Horden, Sippen, Clans (Matriclans) und Volksgruppen aus. Mit der patriarchalen Umbildung dieser Gesellschaften gibt die Frau ihre materielle und sexuelle Unabhängigkeit gegenüber dem Mann auf und verliert damit scheinbar ihre prinzipielle Überlegenheit.

Sexualität ist ein zentraler Aspekt des Menschen, eine ganz normale und positive (wie negative) Art, sich selbst auszudrücken. „Wer den Eros verdammt, weil er, aus welchen Gründen immer, die Geschlechtlichkeit zu verwerfen erachtet, verrät dadurch, dass ihm selber der Eros unbekannt und die Wollust nunmehr als rauschloser Kitzel geläufig ist. Unterdrückung, Gewalt und Zerstörung, krankhaftes Streben nach materiellem Reichtum und Weltbefeindung sind nur verschiedene Seiten derselben Sache: enterotisierte Geschlechtlichkeit hier und arglos natürliche Geilheit dort. Unsere auf gesetzliche Monogamie begründete Gesellschaft hat es zu einer hohen Scheidungsrate und daneben zum üppigen Wuchern einer käuflichen Prostitution gebracht. Doch das ist schon in der Antike, bei den Griechen und Römern so gewesen.“ (Rolf H. Meier, Ebd. S. 73)

Magnus Hirschfeld sagt hierzu (in Geschlechtskunde, III. Band: Einblicke und Ausblicke; Stuttgart 1930, S. 317): „Der die Entwicklung der Prostitution in so hohem Masse begünstigende Faktor einer ausgebreiteten Zivilisation hat schon im Altertum dieselbe Rolle gespielt wie in der Gegenwart. Auch das Altertum hat seine Millionenstädte, seine Fabrik- und Handelsstädte, seine Universitätsstädte, seine grossen und kleinen Garnisonen, sein ausgeklügeltes städtisches Genussleben, seine Überbevölkerung, seinen Pauperismus (= Massenarmut), sein Wohnungselend, kurz alle die Momente, die heute für das Bestehen und das beständige Anwachsen einer ausgedehnten Prostitution mitverantwortlich gemacht werden.“ – Solche Grossstädte sind im Altertum ausser Rom, das in der Kaiserzeit auf bis zweieinhalb Millionen Einwohner geschätzt wird, Alexandria, Syrakus, Karthago, Gades, Antiochia, Seleucia, Athen, Byzanz. Die Hafen- und Handelsstädte, die Garnisonen und Universitätsstädte haben die stärkste Nachfrage nach Prostituierten. Hier treten neben den ortsansässigen Prostituierten die vagierenden (herumziehenden) – sozusagen im Gefolge der Prostitutionsgöttin Venus vulgivaga – in grossen Mengen auf.

„Ein sehr gewichtiges Moment für die Ausbreitung der Prostitution bilden die beständigen Kriegszüge und Wanderungen der Legionen in Verbindung mit der Gründung der Lagerstätte und militärischen Kolonien.“ – Das wird besonders für die Kriegszüge Alexanders des Grossen und der Diadochen gelten sowie für die römische Kaiserzeit. In letzterer kommen noch die Eheverbote für die Soldaten hinzu, für die wir in den Papyrusurkunden zahlreiche Belege haben. Sie werden angewiesen, bei der Prostitution Befriedigung zu suchen.

Auch das antike Hochschulwesen steigert die Nachfrage nach der Prostitution. Besuchte Universitäten sind Kremona, Mediolanum (Mailand), Augustodunum in Gallien, Karthago, Apollonia, Massalia (Marseille), Rhodos, Rom, Alexandrien, Korinth, Athen, Konstantinopel. Profane und religiöse Feste, Wallfahrten, Gerichtsverhandlungen, Jahrmärkte, Theater- und Zirkusvorstellungen, ein hochentwickeltes Strassenleben, ja sogar schon ein ausgedehntes Nachtleben namentlich in Antiochia, Alexandria und Rom begünstigen die Ausbreitung der Prostitution. Eine unerschöpfliche Quelle der Prostitution ist zudem das antike Sklavenwesen. Griechenland soll – neben den vier bis fünf Millionen Freiern – nicht weniger als zwölf Millionen Sklaven ungriechischer Herkunft gehabt haben.

Drei von vier Frauen wissen nicht, was für ein besonderes Organ sie mit der Klitoris besitzen (sic!) – geschweige denn Männer. Im März 2021 soll am Weltfrauentag eine fünf Meter hohe, aufblasbare „Gummi-Klitoris“ laut Aktivistinnen in Paris an den institutionellen sexuellen Analphabetismus erinnern.

Freier Handel

Grundlegend ist gewiss der Freihandel mit Lebensmitteln. Denn Kochen ist wohl vorab das was unsere Familie und Gemeinschaft erhält.

Jeder Handel ist jedoch insofern nicht frei, als er an Geld und dessen momentanen wie lokalen Wert gebunden ist. Und wenn nicht bloss einfach durch materiellen Tausch induziert unterliegt Handel anderen Schranken wie mehr oder weniger gerechtfertigten Zöllen. Freier Handel sollte Chancen für Produzenten, für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie Vorteile für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten. Doch von diesem Ziel sind wir weit entfernt.

Nun heisst frei lokal nicht dasselbe wie weltweit: ohne Transport geht heute nichts mehr. Etwa gar vom Fernen Osten durch den engen Suez-Kanal bis nach Europa.

Die Währung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, einem Politikbereich der Europäischen Union (EU), wird von der EZB emittiert und der Euro ist, nach dem US-Dollar, die wichtigste (Reserve-)Währung der Welt.

Nur die Schweiz mit ihrem Franken hält sich mitten in Europa erstaunlich stabil. Dabei ist zu beachten: die Schweiz ist derzeit mit Zentrum im steuergünstigen Kanton Zug der wichtigste RohstoffHandelsplatz der Welt. D.h. wo der Handel stattfindet ist auf den ersten Blick nicht mehr vordergründig. Doch die Schweiz ist Ausgangspunkt eines ziemlich lukrativen Handels mit Rohstoff. Darunter fallen unter anderem Rohstoffe wie Aluminium, Eisen, Erdöl, Erz, Gold, Kupfer, Nickel, Palladium, Rohöl, Stahl, Zink, Basismetalle, Agrarrohstoffe und viele weitere.

Das ist eine relativ neue Entwicklung. Dagegegn ist die Idee einer einheitlichen europäischen Währung, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erleichtern sollte, schon recht bald in der Geschichte der europäischen Integration entstanden. 1970 – am Abend des historischen Sternjahres 1968 – wurde das Vorhaben im sogenannten „Werner-Plan“ erstmals konkretisiert, was bis 1980 in einer europäischen Währungsunion münden sollte.

Der Euro wird dann am 1. Januar 1999 – im historischen Sternjahr 1998 – als Buchgeld eingeführt; und drei Jahre später, am 1. Januar 2002, als Bargeld.

Handel im grossen Stil sowie systematische, planmässige und zielbewusste Inbesitznahme von Schätzen und Reichtümern – also auch hier hemmungslose Expansion – dies ist die vermeintlich friedliche Variante der – wie wir sie nennen – neomaskulinen Revolution.

Dazu gehört letztendlich auch das sich Aneignen sehr hoher Geldsummen, die ausschliesslich Privatpersonen und einigen wenigen zugute kommen, welche die entsprechenden Vorrechte geniessen. Oft übersteigt so die Summe den Bedarf der Begünstigten im Hier und Jetzt bei weitem, ja bis ins Absurde. Die Güter- und Geldakkumulation hat deshalb praktisch keinen Zweck und verliert jeglichen ökonomischen Sinn.

Das Ergebnis der friedlichen Variante der neomaskulinen Revolution ist somit die sinnlose Anhäufung von Reichtum und ihr Ziel ist die stetige Vermehrung des materiellen Besitzes. Ein Nebeneffekt besteht im gesteigerten Einfluss, den irdischer Reichtum seinen Besitzern zu gewähren pflegt. Aber auch die rücksichtslose Einverleibung von Territorien durch sogenannt friedlichen Erwerb, durch Kauf oder Pfandnahme, kommt vor – nebst Eroberung im Krieg, was den engen Zusammenhang zwischen der friedliebenden und der militärischen Spielart der Revolution unterstreicht.

Nun ist aber China ein bedrohlicher Konkurrent für den „Exportweltmeister“ Deutschland. Ueber 50 Strafzölle verhindern hier den Verlust von einheimischen Werkplätzen.

Freier Handel hat es nie gegeben und wird es auch in Zukunft nie geben.

Momentan findet eine Umverteilung der Vermögen von der Mittelschicht zu den wenigen Reichen (< 10%) statt. Diese kaufen sich Aktien, Unternehmen und Immobilien und werden so immer reicher.

Der Kauf und Verkauf von traditionell gut gehenden Unternehmen mit billigem Kapital hat aber mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun – sondern ist reiner Kapitalismus der übelsten Sorte.

Der grösste Vermögensverwalter der Welt. Es geht hier um Billiarden. Und nur um Rendite – ohne ethische Bedenken (Investition in Waffenproduzenten, Rohstoffirmen mit Ausbeutung der Bevölkerung usw.).

Ein Konzern, der nicht nur die Wallstreet dominiert, sondern der mächtigste ist weltweit überhaupt. Er verwaltet ein Anlagevermögen von fast 4’000’000’000’000 USD.

Der Chef…

Larry Finck, aalglatt und weltweit einflussreich.

Macht macht hässlich…

Ein Fall von grössenwahnsnnigem Investment-Banking wurde auch schon die Schweizer Grossbank UBS anlässlich der US-amerikanischen Immobilien- und Hypothekenkrise 2007/8.

Doch UBS spekulierte vornehmlich mit eigenem – nicht wie BlackRock – mit fremdem Kapital. Die UBS arbeitete zudem mit illegalen Steuer-Spartricks. Der Staat musste ihr durch Uebernahme von Risikopositionen mit 60 Milliarden unter die Arme greifen und sclussendlich das sogenannte Bankgeheimnis preisgeben. Es wurden den Amerikanern die Namen von Steuerflüchtlingen übermittelt.

Der Nachbar Deutschland bezahlte damals fast 40 Miliarden für die Rettung maroder Banken. Die Situation heute ist wohl nicht wesentlich besser.

Momentan (Koronakrise!) wird von den europäischen Zentralbanken soviel Geld gedruckt, was aber nicht in den realen Kreislauf der Wirtschaft kommt – vielmehr gehortet wird – wie noch nie. Das ist eine Blase, die – wenn sie platzt – hier zu einem eklatanten Wertzerfall aller Wirtschaftsleistungen überhaupt führen wird.

Wer aber heute noch behauptet, das beste seien immer noch die freien Marktkräfte, der sollte aus der Führungsposition entlassen, einfach weggeschickt oder als ewiggestriger Politiker abgewählt werden. Sowohl in der Finanz- und Bankenkrise wie auch Eurokrise haben alle Märkte versagt, die freien Systeme sind gründlich gescheitert.

Die Wirtschaft der EU ist gemessen am Gesamtwert aller produzierten Waren und Dienstleistungen (BIP) grösser als die Wirtschaft der USA. Die EU ist somit neben den Vereinigten Staaten und China einer der drei grössten Weltakteure im internationalen Handel. Entsprechend könnte nun eine veritable Krise hier den gesamten Welthandel gefährden.

Weihnachtsgeschichte 2020/21

Historische Sternjahre bilden mit den Epochenjahren das Gerüst unserer modernen Weltgeschichte. Es sind alles Revolutionsjahre: 1968, 1938, 1908, 1878, 1848, … – was durchaus einen nachhaltig positiven Effekt haben kann. So meinen wir auf Grund von authentischen Tatsachen, empirisch belegen zu können, dass auf der historischen Sternjahr-Skala, neben 1938, auch das Epochenjahr 223 v.Chr. in der Geschichte der Menschheit eine ganz besondere Rolle spielt – und wir datieren das sogenannte Fisch-Zeitalter zwischen die Epochenjahre 223 v.Chr. und 1938 – insgesamt eine historische Dauer von genau 2160 Jahren.

1938 begann der Zweite Weltkrieg (Angriff von Japan auf China 1937/8 ) und endete 1945 (Abwurf von ersten US-amerikanischen A-Bomben und Kapitulation Japans). Am 13. Dezember 1937 begannen die Kriegsverbrechen (Massaker) der japanischen Besatzer: in der chinesischen Hauptstadt Nanking (Nanjing) wurden über 200’000 (anderen Schätzungen zufolge über 300’000) Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet sowie rund 20’000 Mädchen und Frauen vergewaltigt (sic!).

Wenn aber das „Fisch“-Zeitalter grösstenteils mit dem Glauben und Wirken der Christen in Verbindung gebracht werden muss, so betonen wir hier, dass Fische (pisces) keine religiöse oder gar esoterisch-astrologische Bedeutung hat. Vielmehr geht es uns um ein astronomisches Phänomen: den Durchzug des Frühlingspunktes durch den Himmelssektor der Fische (Sternbild). Nicht zuletzt die Alten Ägypter haben dieser Erscheinung zu Recht grosse Bedeutung zugemessen, ja ist uns im wissenschaftlichen Rahmen der symbolhistorischen Methode ein willkommener Schlüssel zum Verständnis alter Kulturen (Dr. H. Rudolf Engler, Die Sonne als Symbol. Der Schlüssel zu den Mysterien; Küsnacht-Zürich 1962).

Ein späterer Schlüssel ist die schriftliche Sprache, Kultur und Kunst. Die Kunstfertigkeit im Matriarchat hatte ein später nie mehr erreichtes unübertroffenes Niveau. Ägypten, Nubien, Mesopotamien, der Iran, Elam und das Industal hinterliessen eine frühe Töpferkunst von seltener Qualität und Schönheit.

Der Orientalist Carel J. Du Ry schreibt: »Die Verzierungen auf Ton waren die Vorläufer der ältesten Bilderschrift. Schon bald entstanden hieraus die ersten Schriftzeichen« (Völker des Alten Orient in ›Enzyklopädie der Weltkunst‹ 1977, S. 289). Die Keramik, die Symbole und die Erfindung der Schrift sind Zeugnisse der aussergewöhnlichen Kreativität der Menschen im Matriarchat (im Sinne einer von Frauen organisierten vorpatriarchalen Gesellschaft). Es ist ist ein erstes Kapitel der Kulturgeschichte, das sich bei allen Völkern vor dem Übergang zum Patriarchat findet.

Auch in Alteuropa wurden Schriftzeichen erfunden, nur sind sie schon viel früher belegt. »Die Sumerer gelten im allgemeinen zwar als die Erfinder der Schriftsprache, aber in Ostmitteleuropa entwickelte sich eine Schrift, die etwa zweitausend Jahre früher entstanden ist als alle bisher bekannten Schriften… Dass vor mehr als achttausend Jahren bereits eine Schrift erfunden wurde, erschien bisher so undenkbar, dass die Möglichkeit gar nicht in Erwägung gezogen und den Beweisen für ihre Existenz kaum Beachtung geschenkt wurde… Bei dieser Schrift des Alten Europa handelt es sich zweifellos nicht um eine indoeuropäische Schrift, ebenso wenig wie bei den kretischen Hieroglyphen, der Linear A und der kyprominoischen Schrift.« (Marija Gimbutas, Die Zivilisation der Göttin, 1996, S. 308). 

Als Erfinder der Schrift werden zwar sowohl die Sumerer als auch die Ägypter genannt. Doch, wer immer von der Wissenschaft als ihre Urheber und damit als ›Schöpfer der Hochkulturen‹ gehalten wird, die Erfindung der Symbole und der Bilderschrift sind Meisterleistungen des Matriarchats und bestanden schon längst als patriarchale Indo-Europäer mit Eroberungen und Kriegen vor 5500 Jahren begannen Alt-Europa, Mesopotamien und Ägypten zu überfallen.

Eroberungen und Kriege haben noch nie eine Kultur geschaffen, sondern die bestehenden Kulturgüter zerstört (z.B. in den letzten Jahren im Irak und Syrien). Die Wissenschaftler machten die Sumerer irrtümlich zu ›Kulturbringern‹ – wie sollten denn unzivilisierte Hirtennomaden grosse Kulturen geschaffen haben? Sie schufen auch keine ›blühende Kultur‹, wie viele glauben, sondern zerstörten jene der indigenen Völker, die viele Jahrtausende vor den Eroberungen der Arier blühten. Alle wirklichen Kulturen, friedliche, menschliche, zivilisierte Lebensgemeinschaften waren matriarchal; sie entstanden an den grossen Flüssen: am Nil, am Euphrat und Tigris und im Industal. 

Laut Marija Gimbutas kam es historisch zu einer erschütternden Begegnung, »als die frühesten Indo-Europäer …, die ich als ›Kurganvölker‹ bezeichne«, mit ihren Pferden aus dem Osten, aus Steppengebieten in Südrussland kamen. Die erste Berührung mit den Grenzgebieten des Alten Europa fand so um die Mitte des 5. Jahrtausends am Unterlauf des Dnjepr und an der Westküste des Schwarzen Meeres statt. »In den folgenden zwei Jahrtausenden riss der Strom der nach Ostmitteleuropa drängenden Menschen und ihre Einflüsse nicht mehr ab«. (Die Zivilisation der Göttin, 1996, S. 352) – »Die Mobilität der Kurganvölker basierte auf der Domestizierung des Pferdes, das bei den Ackerbauern des Alten Europa unbekannt war.«

Die Eindringlinge waren mit Stich- und Hiebwaffen ausgerüstet: mit langen Dolchmessern, Speeren, Lanzen, Pfeilen und Bögen. Zum Übergang von einer Muttergesellschaft zum waffenbewehrten Patriarchat, was sich spätestens um 5000 herum vollzog, führten somit Weidewirtschaft und Viehhaltung in grossen Herden, die nur mit Hilfe von Reitpferden und körperlicher Kraft zu beherrschen waren. – »Die Kurgankultur steht in krassem Gegensatz zur Gesellschaft des Alten Europa, die im wesentlichen friedfertig, sesshaft, matrifokal und matrilinear war und in der es keine Benachteiligung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit gab.« Die Kurganvölker dagegen gehörten einer patriarchalischen und hierarchischen Kultur an. (Gimbutas) 

Das aggressivste der indoeuropäischen Völker war offensichtlich der mächtige Stamm der Horiter/Hurriter/Churriter. Sie wanderten in das Gebiet südöstlich des Schwar­zen Meeres ein und siedelten mit Sicherheit schon seit dem 5. Jahrtausend im südlichen Kaukasus. Von hier aus unternahmen sie ihre dreisten Überfälle und Eroberungszüge bis nach Ägypten. Die Indo-Europäer brachten die damalige alte Welt: das Alte Europa, Anatolien, Syrien, … unter ihre Herrschaft und setzten sich als despotische Herrscher über die hiesigen autochthonen Völker (vgl. Doris Wolf Der erste Krieg der Weltgeschichte). 

Im allgemeinen lassen die Wissenschaftler die sogenannten Indo-Europäer erst im 2. Jahrtausend auf den Plan treten. Doch diese griffen schon viel früher massiv in das weltgeschichtliche Geschehen ein. Sie waren die Eroberer Mesopotamiens und Ägyptens in der Zeit des Übergangs vom 4. ins 3. Jahrtausend.

Ȕberdies: »Der Niedergang des Alten Europa fällt zusammen mit der Indoeuropäisierung … einem umfassenden Veränderungsprozess, der einen ähnlich dramatischen kulturellen Wandel mit sich brachte, wie ihn der amerikanische Kontinent nach seiner Eroberung durch die Europäer erlebte.« (Gimbutas, Die Zivilisation der Göttin 1996, S. 352)

Die USA ist gegenwärtig das Imperium. Das christliche Europa, von wo es stammt, war lange kulturell führend.  Südamerika ist das Resultat seiner – aus Sicht Europas – erst relativ kurzen Geschichte. Japan spielte eine bedenkliche Rolle (gegen China und dann die USA) im Zweiten Weltkrieg – wofür es schliesslich mit den ersten A-Bomben-Abwürfen zu büssen hatte. Darauf enwickelte es sich zu einer führenden Industriemacht. China und Indien sowie nach wie vor der der Ferne Osten sind im kommen. Das bevölkerungsreiche und heute kommunistische China hat eine bemerkenswerte, alte Geschichte. Australien bleibt ein Kontinent auf der „anderen“ Seite des Erdballs. Afrika vergisst nach wie vor seine eigene (vorkoloniale) Geschichte – nicht zuletzt als Geburtsstätte des Homo sapiens sapiens.

Das Christentum als eine der Weltreligionen leidet an zwei offensichtlichen Mängeln: zum einen bevorzugt es ideologisch den Mann gegenüber der Frau; zum anderen missachtet es eines seiner wichtigsten Gebote: Du sollst nicht töten! Wie sonst hätte der Westen – die USA miteingeschlossen – soviele Kriege mit zu verantworten? Vom Gebot Du sollst nicht lügen! einmal ganz zu schweigen…

StNikolaus

n Germany, Santa Claus generally still takes the appearance of the traditional Roman Catholic bishop St. Nicholas. Kids prepare for his arrival by placing freshly polished boots outside their doors, along with carrots for the bishop’s horse. On Dec. 6, St. Nicholas Day, the bishop goes house to house with a book describing the children’s deeds. Depending on whether they were naughty or nice, he fills their boots with either something good, like sweets, or something not so good, like twigs.

Heiliger Vater, Jesus Gottessohn, Papst, Lord… Wo bleiben da die Frauen?

StNickoaus

Doch verlieren wir die Hoffnung nicht. Neue Fähigkeiten, Perspektiven und Werte erwachsen vielleicht nicht zuletzt auch aus den Veränderungen, die aus dem neuen Trend im Zeitalter der Wasserfrau hervorgehen. Dabei denken wir auch an das Zusammenleben zwischen Mann und Frau: an die heute sichtbaren Ansätze und den Zukunftschancen für eine echte  Emanzipation beider Geschlechter und damit einer Neugestaltung der Gesellschaft. „Alles in allem geht es um nichts Geringeres als ein Neues Menschenbild und gleichzeitig um einen Neuen Kulturbegriff.“ (Carola Meier-Seethaler)

Dabei erinnern wir hier erneut daran, dass die ersten, noch religiös motivierten Wissenschaftler Frauen waren, so etwa als Priesterastronomin und zugleich als Mondpriesterin mächtig. Etwa die  namentlich erwähnte Priesterastronomin En-Hedu‛anna – eine Tochter des ersten „Welt-Herrschers“ Sargon I. von Akkad. Doch die Frauen haben leider im Laufe der Geschichte, in der Religion wie in der Wissenschaft, das Zepter an den Mann abgegeben. Insofern war diese nun neomaskulin dominierende Spezies, neben expansivem Handel und ebensolcher Kriegsführung, im Kreis ihrer begabtesten Vertreter auch noch zu anderem fähig: neuer Religion und Wissenschaft. Je exakter letztere wurde, desto mehr Mathematik als Sprache musste hier investiert werden. Vielen Priesterinnen passte das nicht.

Ohne diese modernen Bestände männlicher Interaktion wäre die heutige Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft und Technik nicht zu begreifen. Eine Folge dieser Dominanz ist aber auch das völlige Unverständnis gegenüber den wahren Ursprüngen unserer Kultur. Leider gibt es nur wenige Stimmen, die zu Recht ein kompetentes Gegengewicht legen. Eine haben wir in Macht des Geschlechts (3 Bände, Norderstedt 2010) oft zitiert: Carola Meier-Seethaler (* 1927, München), aus Ursprünge und Befreiungen. Die sexistischen Wurzeln der Kultur; Bern, Mai 1988; (online: www.opus-magnum.de/download/meier_seethaler_urspruenge.pdf. Die Originalausgabe erschien unter dem Titel: Ursprünge und Befreiungen. Eine dissidente Kulturtheorie im Arche Verlag, Zürich – Opus Magnum; vollständig überarbeitete Neuauflage Stuttgart 2011: jedes der vier Kapitel wird durch den Einbezug neuer Fakten bereichert, das letzte mit der kritischen Analyse der wirtschaftspolitischen und der religiös-moralischen Verwerfungen unserer Gegenwart.

Im ersten Teil ihres Buches stellt sie dar, „wie die Kultur der menschlichen Frühzeit von dem Bewusstsein durchdrungen war, dass das weibliche Geschlecht in besonderem Masse magische Kräfte besitzt, was mit der Fruchtbarkeit der Frau in Zusammenhang steht. Ihre Fähigkeit, Leben hervorzubringen, verlieh ihr den Nimbus des Heiligen und prädestinierte sie zur Mittlerin zwischen den göttlichen Mächten und der menschlichen Gemeinschaft. Kulturen, in denen der weibliche Einfluss dominiert, sollten deshalb streng genommen nicht als »Matriarchate« bezeichnet Werden, weil in diesem Begriff das Wort »Herrschaft« steckt und er daher die These suggeriert, in der vorpatriarchalen Gesellschaft hätten die Frauen »geherrscht« im Sinne eines hierarchischen Machtgefälles. Eine solche Vorstellung aber wäre nichts anderes als die Rückprojektion des patriarchalen Herrschaftsstils in die Vergangenheit, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Ich bevorzuge daher die Wortprägung »matrizentrisch«, wie Erich Fromm sie vorgeschlagen hat, um damit auszudrücken, dass in solchen Kulturen die magisch-mütterlichen Kräfte der Frau im Zentrum der Gemeinschaft und im Zentrum des kultischen Lebens stehen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass auch dieser charismatische Einfluss unter den Mitgliedern der Gemeinschaft starke innere Abhängigkeiten schafft und dass die matrilineale (…) Sippenordnung immer dann, wenn die Frauen die Hauptträgerinnen der Subsistenzwirtschaft sind, auch zur materiellen Abhängigkeit der Männer von ihren Matriclans führt. Doch sind im Gegensatz zu den späteren Herrschaftsverhältnissen des Patriarchats solche Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse nicht bewusst geschaffen, sondern die natürliche Folge der mutterzentrierten Familie.“ (Carola Meier-Seethaler, Ebd. {32}, Fassung 1988)

Meier-Seethaler

Die Fruchtbarkeit der Frau verlieh ihr aber nicht nur magische Kräfte, die offenbar über jene des Mannes bedeutend hinausgingen, sondern verband sie über ihren Monatszyklus in besonderem Masse mit dem Mond, der Mondgöttin als natürliche Zeitgeberin. Dieser Bezug ist so konkret und offensichtlich, dass er kaum übersehen werden kann; und doch geht er nur allzuleicht in Vergessenheit. Das historische Ergebnis drückt etwa – der sonst so luzide Hermann Weyl – zu Beginn seiner Raum · Zeit · Materie wie folgt aus:

„Die tiefe Rätselhaftigkeit des Zeitbewusstseins, des zeitlichen Ablaufs der Welt, des Werdens ist vom menschlichen Geist, seit er zur Freiheit erwachte, immer empfunden worden; in ihr liegt eines jener letzten metaphysischen Probleme, um dessen Klärung und Lösung Philosophie durch die ganze Breite ihrer Geschichte unablässig gerungen hat. Der Raum ward durch die Griechen zum Gegenstand einer Wissenschaft von höchster Klarheit und Sicherheit. An ihm hat sich in der antiken Kultur die Idee der reinen Wissenschaft entfaltet, die Geometrie wurde zu einer der mächtigsten Kundgebungen des jene Kultur beseelenden Prinzips der Souveränität des Geistes. An die Geometrie hat sich, als die kirchlich-autoritative Weltanschauung des Mittelalters in die Brüche ging und die Wogen des Skeptizismus alles Feste hinwegzureissen drohten, der Wahrheitsglaube wie an einen Fels geklammert; und es konnte als das höchste Ideal aller Wissenschaft aufgestellt werden, »more geometrico« betrieben zu werden.“ (Vorlesungen über allgemeine Relativitätstheorie; 3. umgearbeitete Auflage, Berlin 1919, S. 1f)

Der Raum, ja offenbar kein Problem. Aber warum und wozu ist das Wesen der Zeit? Die Zeit im Bewusstsein einer Priesterastronomin und mächtigen Mondpriesterin ist eben vorab nicht nur ein „metaphysisches“ Problem des zur Freiheit erwachten menschlichen = männlichen „Geistes“, der ohnehin – in der kirchlichen Tradition – im Gegenteil höchst autoritär geführt war und so nicht nur das natürliche Bewusstsein der Frauen unterdrückte. 

Dazu kommt die Dämonisierung der Sexualität, was die monatliche Blutung der Frau erst Recht zu einem Tabu machte und sie als „unreiner“ Mensch an den Rand drängte. Da hilft alles nichts, auch nicht, wenn der so begabte Hermann Weyl sein herrliches Buch Raum · Zeit · Materie seiner Frau widmet, die ihn (mit ihrer Erfahrung als wissenschaftliche Übersetzerin) ja offenbar auch beim Schreiben kräftig unterstützte.

Und das westliche Vorbild wirkt weiter, ob wir es wollen oder nicht… Schlechte katholische Kopie in Afrika:

African

Fehlendes altes wie neues historisches Bewusstsein.

carola-meier-seethaler-urspruenge-und-befreiungen-eine-dissidente-kulturtheorie

Indes Deutsch spricht im schwarzen Kontinent Afrika kaum jemand. Eher noch Französisch.

meiersee

In ihrer 1949 erschienenen populärwissenschaftlichen Untersuchung: Le deuxième sexe (Das andere Geschlecht) schreibt nun die Gefährtin von Jean Paul Sartre, Simone de Beauvoir, dass Frauen aus der Arbeiterschicht in der Arbeit wahrscheinlich nicht die Transzendenz erreichen wie die berufstätige Frau – und dass die Verkäuferin vermutlich die Ehe der Sinnlosigkeit ihrer Arbeit vorzieht. Zusammenfassend stellt sie fest, „dass sich in diesen Fällen die Unabhängigkeit nur dann erlangen lässt, wenn die ganze betroffene Gesellschaftsschicht nicht unterdrückt ist. Sie konzentriert sich jedoch nach wie vor auf das Individuum und dabei besonders auf die berufstätige Frau aus der Mittelschicht.“ So ihre eher eurozentrische Analyse.

Ihr idealistisches Beharren auf der Freiheit verstellt ihr auch zum Teil den Blick darauf, dass sie sich sowohl den dialektischen Materialismus als auch die Psychoanalyse in ihrer Untersuchung der Lage der Frau hätte zunutze machen können.

Simone-deB

Simone de Beauvoirs bedeutendster Beitrag zum Existentialismus findet sich in ihrem Werk Das andere Geschlecht (Le deuxième sexe), in dem sie die Situation von Frauen aus einem existentialistischen Blickwinkel analysiert. De Beauvoir erklärt darin: Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Davon ausgehend, dass es keine „weibliche Essenz“ gibt, untersucht Simone de Beauvoir, wie die Frau als „das Andere“ konstruiert wird, das „zur Immanenz verdammt“ ist.

In Le deuxième sexe tritt Simone de Beauvoir für die Gleichberechtigung der Frau ein. In der monumentalen, auf Biologie und Psychiatrie gestützten Studie, versucht die Autorin zunächst die Besonderheit der weiblichen Physis und Psyche zu charakterisieren; und dann, anhand reichhaltigen Materials aus Soziologie, Geschichte und Literatur, jenes Bild der Frau zu analysieren, das – jenseits aller Verherrlichung in Mythos und Gesetzgebung – durch Jahrhunderte hindurch konstant geblieben ist. Nicht die Natur hat die Frau zur Unselbständigkeit verdammt; die Frau als das „schlechthin Andere“ ist ein Produkt der Zivilisation im weitesten Sinne – ihr ist dieses Los so vom Manne zudiktiert worden.

Selbständige, freiheitliche Frauen sind bis zum Beginn des neuen Zeitalters der Wasserfrau eher Ausnahmen in der neuzeitlichen Geschichte. Wenn vielleicht die Grosse Mutter und Göttin als Vorbild einst im Zentrum der Gesellschaft stand, so hat das jüdisch-christliche Abendland dieses Bild zurückgedrängt. Und also verblassen lassen oder als Zerrbild wie: Heilige Jungfrau Maria, doch Mutter eines Gottessohnes (sic!), verklärt und sinnentleert. Allerdings besteht immer noch Hoffnung gegen das dreiste Diktat.

Mehr zum Begriff Zeitalter: Unsere Hand – von Frau oder Mann – ist ein uns gegebenes natürliches Werkzeug. Mittels künstlichen Werkzeugen wie z.B. die Hacke und Schaufel, der Hammer oder die Nadel setzen wir unsere Hände noch effektiver und universeller ein.

Two_hand,_ten_fingers

Die Hand des modernen Menschen unterscheidet sich allgemein von allen übrigen Primaten durch vollendete Opposition (Gegenstellung) des Daumens gegenüber dem Zeigefinger. Eine Eigenschaft, die die menschliche Hand zu der ihr eigenen Genauigkeit der Arbeit und jeglicher Form von Kulturtätigkeit befähigt – nicht zuletzt mit den sinnvoll gemachten bzw. konstruierten und ebenso angewendeten Werkzeugen.

Hiervon finden wir, als die ältesten bisher bekannten Spuren menschlicher Tätigkeit, in steinzeitlichen Felsgravuren. Bis es dann in einer komplizierten Entwicklung im Jungpaläolithikum zu einer ungeahnten Entfaltung der Werkzeugindustrie kam und also zu einem stürmischen kulturellen Aufschwung. Dieser fand in der neolithischen Revolution (Sesshaftwerden des Menschen, Viehzucht, Ackerbau) ab ca. 10’000 v.Chr. einen ersten Höhepunkt.

SumerianCulture

In allen Mythologemen gelten die Frauen als die Begründerinnen der Pflanzenkultivierung, d.h. des Garten- und Ackerbaus. Auch von Seiten der Wissenschaft ist der Ackerbau als weibliche Kulturleistung heute unbestritten. Nur diejenigen Völker haben den Übergang von der nomadisierenden zur sesshaften Lebensweise vollzogen, bei denen die Sammelwirtschaft mindestens gleichbedeutend neben der Jagd bestand. Das heisst aber nichts anderes, als dass die Frau die Promotorin der neolithischen Revolution war.

Der kulturelle Aufschwung führte zum Bau von regelrechten Städten im Stier-Zeitalter (4543 bis 2383 v.Chr.).

Die erste  Stadt der Welt überhaupt entwickelte sich aus der sumerischen Siedlung Eridu mit der Gründung um 5’400 v.Chr. – was zahlreiche andere Stadtgründungen im weiteren Umfeld mit sich zog. Die Städte Mesopotamiens waren meist um einen Tempelbezirk herum angelegt. Eine Stufenpyramide (Zikkurat) markierte den Stadtmittelpunkt und war Wohnsitz des Stadtgottes. 

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Die benachbarte Stadt Ur wurde ab etwa 5000 v.Chr. besiedelt;  ihre Blütezeit war ca. 2500–1900 v.Chr. und eine Zikkurat des Mondgottes Nanna gehört zu ihren wichtigsten Bauwerken. Ebenso das anatolische Çatal Hūyūk – wo Bildnisse von Gottheiten in Menschengestalt nahezu ausschliesslich weiblichen Geschlechts sind
– ist uralt. 

FruchtbarerHalbmond

Verbreitung der neolithischen Revolution – ausgehend vom Fruchtbaren Halbmond in Mesopotamien.

Mit der Städtebildung in Südmesopotamien vollzieht sich der Übergang von der matrizentrischen Agrarkultur zur matrizentrischen StadtKultur. Dort ist der Ursprung unserer Zivilisation, über den wir schon früh dank einer Geschichtsschreibung näheres wissen. Am Anfang der abendländischen Zivilisation sind, so steht heute mit ziemlicher Sicherheit fest, nicht Männergesellschaften dominant, vielmehr matrizentrische Kulturen. Die Gesinnung der Bürgerinnen und Bürger der Stadtstaaten bzw. der Priesterverwaltung im Zweistromland ist offenbar hier noch nicht auf Krieg, sondern vorab auf die Erhaltung des Friedens bedacht.

In der nach dem Ruinenhügel Obeid (Ubeid,westlich Ur) benannte Phase der noch schriftlosen Kulturentwicklung Südmesopotamiens – seit Beginn der Hochkultur eine reich ausgestattete Tempelstadt – finden sich zahlreiche Tonfiguren von nackten, stehenden Frauen. Deren lebengebende Bedeutung wird durch die betonten spitzen Brüste, durch die schematische Verzierung des Schosses und häufig durch Säuglinge veranschaulicht.

Erstmalig fassen wir in der schriftlosen mesopotamischen Kultur den plastischen Bildgedanken der nährenden Frau, die figürliche Darstellung von Mutter und Kind. – Als matrizentrisch bezeichnet Carola Meier-Seethaler (in Ursprünge und Befreiungen) ganz allgemein Gesellschaften und soziale Gebilde, die alle Anzeichen einer Hochkultur tragen und die dennoch nicht dem gewohnten Bild männlicher Herrschaftsstrukturen und kriegerischer Machtentfaltung entsprechen.

Dies ändert sich grundlegend, als zu Beginn des im Zeichen des Widders stehenden Zeitalters (2383 bis 223 v.Chr.) vorab Männergruppen unter Einsatz von geschmiedeten Waffen (zuerst aus Bronze und dann Eisen) anfangen, die Macht der von Muttergöttinnen geleiteten Priesterinnen in Frage zu stellen und so die anfänglich matrizentrisch geprägten Kulturen radikal umformen. Dabei ist die Gesellschaft nicht zentralistisch organisiert. Fest steht, dass in Mesopotamien die politische Macht der Könige zunächst noch sehr gering ist; sie kann sich erst allmählich gegen die Priesterinnen und Priester der Tempelstädte durchsetzen. Das Zusammenleben ist im Grossen und Ganzen friedlich. Um 2350 v.Chr. lebte EnHedu’anna in Babylon – eine mächtige Mondpriesterin und so die erste namentlich bekannte Astronomin. So lässt sich die matrizentrische Religion weder aus irgendeiner Wirtschaftsform herleiten noch auf sie beschränken. Sie ist viel, viel älter als die neolithische Revolution und entspricht nicht einer bestimmten Produktionsstufe, sondern der Lebenserfahrung der frühen Menschen. 

Die unter den damaligen Völkern und Stämmen ausgetragenen Konflikte, Händel und bewaffneten Auseinandersetzungen sind noch bescheiden. Bei einem Dokument aus Lagasch ist von einer nur 60 Mann umfassenden Elitetruppe die Rede – so dass es überhaupt fragwürdig wird, hier schon von Krieg bloss als Möglichkeit zu sprechen. Dann aber, im 24. vorchristlichen Jahrhundert, beginnt König Sargon I. erstmals richtige Armeen zu organisieren. Damit verwirklicht er eine historisch ganz neue Idee: der semitische König errichtet das erste Grossreich der Geschichte. Der Begründer Akkads und Machthaber über ganz Mesopotamien soll von 2371-2316, 2350-2295, 2334-2279 oder 2330-2274 v.Chr. regiert haben (die Zeitangaben variieren je nach zugrundegelegter Quelle). Die Zeit der Eroberungskriege bricht an – das ist die bis heute dauernde Phase grenzenloser Kriege, die ausschliesslich männliche Herrscher in grossem Stil für ihre eigenen Interessen führen.

Im Zeitalter des Widders (aries = Sturmbock) – was nach modernen astronomischen Erkenntnissen von 2383 bis 223 vor Christus dauerte – fangen also erstmals besonders gut bewaffnete und durch ihre Kampftaktik den anderen überlegene Männergruppen an, die bisher vorweg matrizentrisch organisierten und mehrheitlich friedlichen Kulturen zu überlagern und hartnäckig umzugestalten. Damit geben sie dem Grundstock der ersten Hochkulturen, der lustvollen, göttlich lebengebenden und grundsätzlich Frieden gewährenden Frau, und ihrer grundlegenden Rolle in der Evolution einen ganz anderen Sinn. Sie wird etwa als heilige Jungfrau verklärt. Die Christen übernehmen diese unselige Praxis. Seither kann Weihnacht nur noch durch Verdrängung der Kriege und ihrer lebensfernen Ideologie gefeiert werden. 

„Die gesamte Geschichte des sumerisch–akkadischen, assyrisch–babylonischen, hellenisch–römischen und jüdisch–christlichen Abendlandes ist also – seit dem 24. Jahrhundert oder dem Stern- und Epochenjahr 2383 – eine einzige Folge von Kriegen. Sie steht im Zeichen der grossen, die Welt erhaltenden und gleichzeitig verfinsternden neomaskulinen Umwälzung oder Revolution. Mit der Pflege der Institution und Initiative Krieg hat sich der Mann nicht nur von der Frau abgesondert und ihrer Seele getrennt. Er wendet sich auch ab vom alten Licht der Sonne, der allgemeinen Erkenntnis und dem Bewusstsein: von der Wissenschaft, Philosophie und Religion.“ (Rolf H. Meier, Weltgeschichte 1, 2014, S. 182)

Mit dem Krieg kamen generell Kriegsverbrechen in die Welt – vorab der hier aktiven Männer – bis auf den heutigen Tag der sogenannt christlichen Kultur.

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MyLai 1968-9

Nach dem internationalen Strafrecht sind Obama und weitere Präsidenten – von Churchill, Mao, Putin bis Trump – schlicht Kriegsverbrecher. Doch sie werden nie angeklagt, weil ihre Nationen Vetomacht im UN-Sicherheitsrat sind. Obama wurde gar 2009 völlig zu Unrecht der Friedens-Nobelpreis verliehen.

Das Imperium, sticht auch anderweitig heraus. Die USA haben am ersten Tag des neuen Jahres 2021 die Schwelle von 20 Millionen Corona-Infektionen überschritten. Die Zahl der Todesfälle infolge einer Corona-Infektion stieg gleichzeitig nach Angaben der Johns Hopkins-Universität auf 346’408. Damit sind die USA mit Abstand das Land mit den meisten Corona-Infektionen und -Todesfälle weltweit.

Um was es aber den Ägyptern im Alten Reich (ca. 2700-2200 v.Chr.) und in der vorklassischen Zeit ging, also wesentlich im Stier-Zeitalter (4543 – 2383 v.Chr.), davon zeugt nicht zuletzt ihr Stierkult. Aus älterer Zeit wissen wir aber darüber herzlich wenig. Doch der Stier (lat. taurus) ist ein bereits in frühgeschichtlicher Höhlenmalerei an vielen Orten der Welt hervortretendes Symbol, das weit in geschichtliche Zeit hineinragt und sowohl sonnenhafte, als auch mond- und erdhafte Züge in sich vereinigt. 

Immerhin tragen die ägyptischen Pharaonen Hörnerkronen und führen den Titel „Stier“; ihr Herrschaftszeichen ist ein Gürtel mit den vier Gesichtern der kuhköpfigen Allmutter Hathor und ein Stierschwanz. Horus selbst ist der „Stier seiner Mutter“ und wird am Morgen als Sonne von ihr geboren. Er befruchtet sie am Mittag und kehrt am Abend in das mütterliche, kosmische „Weltgehäuse“, (das auch die Nacht- bzw. Unterwelt umschliesst) zurück, um es in Nachtfahrt zu durchwandern. 

Der Apisstier trägt als solcher oft die Sonnenscheibe zwischen seinen Hörnern. Denn die Alten glaubten, dass er im Frühling die Sonne auf seine Hörner nehme (anhebe), damit ihr Gott im Sommer höher am Himmel steht. Im Leben der alten Ägypter spielten überhaupt die Sonne und Sterne oder Sternbilder eine grosse Rolle, so besonders das Bild des Stiers. Dieser Glaube stammt offenbar aus einer Zeit, als der „Frühlingspunkt“ noch im gleichnamigen Zeichen stand. Der Apis-Stier ist ebenso die Verkörperung des Gottes Osiris (Osiris-Apis) und zugleich das allerheiligste Opfertier der damaligen Zeit. – In einem Grab in Sakkara (Nr. 3504) fand man sage und schreibe 300 eingelassene Stierköpfe aus Ton mit echten Hörnern. Wie könnten wir das Stier-Zeitalter besser charakterisiert sehen?

Stier-, Widder- und Hirschköpfe, vor allem aber Stierköpfe, bilden neben der Göttin das beherrschende Motiv religiöser Verehrung im bereits erwähnten Çatal Hūyūk in der heutigen Türkei. Wir finden sie einzeln oder in Gruppen an die Kultwände geheftet, zum Teil als plastische Gipsreliefs, zum Teil mit Originalhörnern des Wildtiers, dazu ganze Reihen von Stierhornscheiden in Gipsbänke eingelassen zu Bukranien, wie sie rund 4000 Jahre später auch in den kretischen Palästen gefertigt werden. (Das Bukranion als Schmuckmotiv von altgriechisch βουκράνιον boukránion „Rinderschädel“ wird gelegentlich auch Ochsenkopf genannt; es war in der griechisch-römischen Antike besonders beliebt und wurde in der Renaissance wieder aufgegriffen).

Stier, Widder, Hirsch und andere gehörnte Tiere sind universelle Kultsymbole der frühen Religionen. Wesentlich ist, dass die Tiergeburt die weibliche Kultfigur zu einer wirklichen Göttin macht, zu einer Gottesgebärerin, und dies hebt sie weit über irgendein vages Fruchtbarkeitssymbol hinaus.

Nach der Veröffentlichung seiner Forschungsarbeit in Çatal Hūyūk (1967 – im Bereich des historischen Sternjahres 1968) – wurde James Mellaart angegriffen, weil er veröffentlichte, was er gefunden hatte. Denn es waren ausschliesslich Männer, die zu seiner Zeit noch die Lehrmeinung beherrschten und damit im Alleinbesitz der Interpretationsmacht waren! 

Anhand von elf Skeletten, die man in Çatal Hūyūk fand – sie sind praktisch alle ausnahmslos weiblichen Geschlechts -, dürfen wir die sterblichen Überreste von Hohepriesterinnen sehen. Wenn diese Interpretation richtig ist – und es gibt keinen plausiblen Einwand gegen sie -, so haben wir hier eine frühe Form jener weiblichen Dominanz in der Priesterschaft vor uns, die 4000 Jahre später in Sumer und Babylon historisch aktenkundig geworden ist.

Die Mutter ist immer der Anfang, und ein mutterloses Wesen ist für den frühen Menschen unvorstellbar. So heisst es in altägyptischen Texten von der Göttin Nut/Neith: »Sie, die die Sonne gebar, die zuerst gebar, ehe denn geboren wurde«. Der astralen Übergeordnetheit der Himmelsmutter über die Gestirne – noch Maria steht auf dem Mond und trägt das Sternenkleid – entspricht in den Kultbildern von Çatal Hūyūk die Beziehung zwischen Muttergöttin und Stier. Überall thront die Göttin über dem Stier, weil sie es ist, die das heilige Tier gebiert. Und wie eine ferne Vorgängerin der Göttin von Çatal Hūyūk „hält schon die »Venus mit dem Horn«, ein bekanntes Steinrelief aus dem eiszeitlichen Laussel, ein Stierhorn in ihrer Rechten als Herrin der Tiere.“ (Carola Meier-Seethaler) 

VenusLaussel

Ähnliche Frauenfiguren, die alle sehr sorgfältig aus Kalkstein, Speckstein oder Elfenbein und später aus Ton gearbeitet sind, wurden zu Tausenden aus den prähistorischen Fundstellen vom Jungpaläolithikum (jüngere Altsteinzeit) bis zum späten Neolithikum (Jungsteinzeit) geborgen, was einen Zeitraum von rund 20’000 Jahren umfasst – und dies auf einem riesigen geographischen Gebiet. Sie gleichen einander in auffallender Weise, ob sie nun aus Spanien oder Frankreich, aus Mittel-, Nord- oder Osteuropa stammen, aus dem Iran, aus Nordindien, Syrien, Palästina, von den Mittelmeerinseln oder aus Ägypten. 

Die Gestalt und Darstellung der Frauen legt ins nahe, dass Fruchtbarkeit und Lust in der Frühzeit unserer Geschichte natürlich wichtige Lebenselemente waren. So lagern im Eingangsbereich der Höhle La Magdeleine »an Stellen der Felswände, die noch vom Tageslicht erhellt werden, zwei Frauen im Relief, das eine Bein angezogen, das andere ausgestreckt, wodurch dem die Höhle Betretenden der zudem besonders herausgearbeitete Schoss der Frauen dargeboten wird… und fast scheint es, als sollten die beiden zurückgebeugten Frauen zum Ausdruck bringen, dass die Höhle bereit sei, den Eintretenden in sich aufzunehmen.« (Hans Peter Dürr ›Sedna oder Liebe zum Leben‹ 1984, S. 61)

Angles-sur-lAnglin

Drei Frauenkörper mit betontem Schossdreieck aus Angles-sur-l’Anglin.

 Das häufigste Symbol der Urzeit ist die göttliche Vulva. Denn die Vulva als Symbol für ›das Tor des Lebens‹ gehört zu den meist verehrten weiblichen Bildern der Frau als Schöpferin des Lebens.

Vulva-La-Ferrassie

Vulva im Kalkfels, ca. 30’000 Jahre alt, La Ferrassie, Dordogne  (Musée Nationale de Préhistoire, Les Eyzies-de-Tayac).

Schon lange vor der Entwicklung des Ackerbaus stellten Menschen in der Kunst Vulvae, Samenkörner und Schösslinge dar. In frühesten Abbildungen der weiblichen Gottheit aus dem Aurignacien um 30’000 ist die Vulva als Pars pro toto in Felsen eingeritzt… Und zwar hier fast immer abstrakt und schematisch – meist dreieckig, halbkreis- oder glockenförmig, mit einem Strich oder Punkt zur Bezeichnung der Vaginalöffnung. Diese Bilder aus dem Jungpaläolithikum sind nicht nur rein physiologisch als Symbol für ›Frau‹ zu interpretieren, sondern stellen die Vulva und den Schoss der Göttin dar. (vgl. Marija Gimbutas, Die Sprache der Göttin, 1995, S. 99)

Gimbutasmarija

Auffallend an den auf Felsen und Höhlenwänden angebrachten Bildern und Zeichen ist, dass während 15’000 Jahren (ca. 32’000-17’000) ausschliesslich Frauenkörper und Vulven darstellungswürdig gewesen zu sein scheinen; männliche Darstellungen fehlen beinahe vollständig. Es ist eine wahrhaft eindrucksvolle Demonstration der Bedeutung der Frau in der Urzeit und der Verehrung ihrer Schöpfungskraft. 

Aus matrizentrischer Sicht ist es jedoch gegenstandslos, sich darüber streiten zu wollen, ob es nicht auch schon früh ein männliches Priestertum gab. Vielmehr ist anzunehmen, dass von jeher weibliche und männliche Kultträger wirkten, weil die sinnliche Seite der matrizentrischen Kulte mit ihrer Hochschätzung des sexuellen Aktes als ein zentrales Sakrament des Lebens (Heilige Hochzeit) die Beteiligung beider Geschlechter am kultischen Leben unentbehrlich machte.

Die Frau – Ursprung der Welt (›L’Origine du monde‹)

Das berühmte Gemälde von Gustave Courbet (1819–1877) aus dem Jahr 1866 enthüllt Frau und Vulva als Ursprung der Welt. Courbet drückt damit Verehrung für die Schönheit des weiblichen Geschlechts und natürliche Sexualität aus. Der Schockeffekt ist vom Maler beabsichtigt: er sah sein ganzes Wirken als Protest gegen überkommene künstlerische Konvention und Dogmatismus. Courbet suchte diese mit seinen Bildern zu sprengen. Als reine Pornografie hätte das Bild diese Wirkung kaum erzielt.

UrsprungderWeltGustave-Courbet

Doch eine Kultur, welche die Frauen verachtet, diskriminiert, verabscheut und unterdrückt, verarmt und verroht!

Der patriarchal gesinnte Mann rächte sich allerdings am historischen Faktum der weiblichen Gottheit und Grossen Mutter und Schöpferin bis hin zur systematischen Vergewaltigung von Frauen im Krieg, der  Inquisition mit ihren perversen Foltermethoden und dem grauenvollen Ȕbel der Hexenverfolgung.

Indes kein Wort des Bedauerns findet Papst Benedikt XVI. 2005 noch als Joseph Kardinal Ratzinger über die vielen Millionen Toten der Inquisition und der Verbrennung unzähliger als Hexen verleumdeter Frauen. Er kann sich kaum die Reaktionen der Folterknechte auf die von ihnen entblössten Frauen, von denen die meisten noch nie zuvor überhaupt eine nackte Frau gesehen hatten, vorstellen! Da konnten die „frommen“ christlichen Folterer, mit Blick zwischen die Beine der nackten Frauen, die sie auf die Folterräder spannten, ihre sexuelle Frustriertheit durch Geilheit und Sadismus kompensieren. (vgl. Doris Wolf Hexenmassaker)

Im gewaltsam christianisierten Europa nehmen nach der Ermordung der Hebammen und Weisen Frauen, Männer – Ärzte – den Platz der Frauen ein und machen daraus einen prestigeträchtigen und einträglichen Beruf (wie auch schon die Kirchen an der Inquisition wacker verdienten). Sie verwehrten zudem den Frauen die nun geforderte Ausbildung zum Ärzteberuf!

Es ist festzuhalten, dass alle uns bekannten matrizentrischen Kulturen aus Vergangenheit und Gegenwart den Mann nie aus den sakralen Funktionen ausschliessen, während es umgekehrt zu den auffallendsten Merkmalen der patriarchalen Kulturen gehört, dass sie überall die Frauen und die Lust aus dem Priesteramt verdrängen – insbesondere im seit dem Fisch-Zeitalter dominierenden jüdisch-christlichen Abendland.

fisch

Atombombe

Noch vor der möglichen Entstofflichung der Welt (im Falle eines mit Atomwaffen geführten Schlages und Gegenschlages: sic!) haben die Mathematiker und Physiker ihre hochgeistig ersinnten Produkte ein für allemal selbst auf eine scheinbar simple materielle Grundlage gestellt (die Megenlehre), auch wenn all das in der abstraktesten aller Sprachen aufgeschrieben ist. Allerdings handelten sie sich dabei eine erhebliche Kette neuer Probleme ein.

Wie mit der Entdeckung der Radioaktivität und der Kernspaltung um das historische Sternjahr 1908 und das Epochenjahr 1938 handelte sich der Mensch ganz neue Probleme ein. Unter denen haben die jetzigen Generationen besonders zu leiden – von den hohen Kosten für die Beseitigung der hochgiftigen Abfälle der ausrangierten Atomkraftwerke einmal abgesehen. Ohne (Kern-)Physiker und die einsamen Gedankenkünstler, die mit Zahlenakrobaten überhaupt nichts zu tun haben wollen, wäre das alles unmöglich.

Hohe Dosen radioaktiver Strahlung führen zu akuter Strahlenkrankheit. Bekannteste Beispiele sind die Opfer der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki, aber auch die unmittelbaren Todesopfer der Tschernobyl-Katastrophe.

Die Strahlung führt in der Regel nicht zum sofortigen Tod der bestrahlten Zellen, sondern zum Verlust ihrer Teilungsfähigkeit. Beispielsweise haben Haut und Schleimhaut eine sehr hohe tägliche Zellaustauschrate. Wird der Nachschub aus den Stammzellen durch Strahlung ausgeschaltet, so geht somit innerhalb weniger Tage die gesamte Haut zugrunde. Je höher die Dosis um so schwerwiegender sind die Auswirkungen. Akute Strahlenkrankheiten mit hohen Dosen führen in der Regel zum Tod innert weniger Tage. Die biologische Wirkung niedriger Strahlendosen – Krebserkrankung erst nach Jahren – ist bis heute nicht vollständig geklärt.

Maos Aussage, dass China in einem Atomkrieg siegen und sich Millionen von Toten leisten könne, kommentiert sein Leibarzt Li, der von Maos Umgebung und insbesondere dessen vierte Frau, Jiang Quin, häufig beargwöhnt worden ist, mit den Worten: „Wenn Mao bereit war, so viele gewöhnliche Chinesen dem Atomkrieg zu opfern, warum sollte er nicht willens sein, den Tod von Zehntausenden von Rechtsabweichlern zu tolerieren? Er mag nicht ihre Hinrichtung befohlen haben, aber er tat nichts, sie zu verhindern.“

China betreibt heute 23 Atomreaktoren und hat 26 weitere im Bau. Das Moratorium war offiziell bereits 2012 aufgehoben worden, allerdings wollte die Regierung nur eine kleine Zahl neuer Kraftwerke genehmigen. Der weltweit grösste Energieverbraucher, der zwei Drittel seiner Energie noch aus Kohle bezieht, will seine nuklearen Kapazitäten bis 2020 auf 58 Gigawatt verdreifachen – bis 2030 sind sogar 150 Gigawatt angestrebt.

Kernraftwerk Grafenrheinfeld in Deutschland (von 1982 bis 2015 in Betrieb).

Ein Kernkraftwerk (KKW), auch Atomkraftwerk (AKW), ist ein Wärmekraftwerk zur Gewinnung elektrischer Energie aus Kernenergie durch kontrollierte Kernspaltung (oder durch Fission).
Physikalische Grundlage von Kernkraftwerken ist die Energiefreisetzung bei der Spaltung oder Verschmelzung (wie in der Sonne!)
von schweren Atomkernen.

Die Bindungsenergie pro Nukleon ist in den Spaltprodukten grösser als vorher im spaltbaren Kern (sog. Massendefekt). Diese Energiedifferenz wird bei der Atomkernspaltung – hauptsächlich als Bewegungenergie der Spaltprodukte – freigesetzt. Mittels Abbremsung (Moderierung) der Spaltprodukte durch das umgebende Material (meist Wasser) entsteht Wärme, mit der Wasserdampf erzeugt wird.

Grössere Kernkraftwerke bestehen aus mehreren Blöcken, die unabhängig voneinander elektrischen Strom erzeugen. Jeder Block enthält einen Kernreaktor.

Der deutsche Philosoph Karl Jaspers plädiert in Die Atombombe und die Zukunft des Menschen (1958) für eine umfassende Friedensordnung. „Man will die Bombe als solche für verbrecherisch erklären. Aber wie pazifistische Gesellschaften nicht das geringste zur Verhinderung der Kriege beigetragen haben, so sind alle Bestrebungen, die nur die Atombombe als solche verwerfen, ohne sie im Gesamtzusammenhang der realen Handlungen der Staaten und der offenbaren Antriebe der meisten Menschen zu sehen, vergeblich und gefährlich.“

Vielleicht hätte Jaspers damals auch schon anstatt der meisten Menschen etwas pointierter: Mehrzahl der Männer sagen können; waren sie es doch, die in Los Alamos allein an der ersten US-amerikanischen Bombe bauten, während ihre Frauen ihnen dort nur ein normales Leben (Kochen, Waschen, Putzen…) ermöglichten. – „Geschichte der Philosophie erwächst mir nicht“, registriert der Jaspers nahestehende Hans Saner, „wenn ich das endlose objektive Material der Überlieferung nehme, es an bestimmt gewussten Massstäben bewerte, es auswähle und ordne. Das wäre ein Verfahren meines Verstandes, der mit toten Objekten umgeht, ohne dass ich selbst wesentlich beteiligt bin. Aber Geschichte der Philosophie erschliesst sich mir nur in einem mit dem, dass ich mich selbst erschliesse.“

Im Mai 1974 unternimmt Indien einen Kernwaffenversuch und wird damit nach den USA (1945 erste Atombombe, erste Wasserstoffbombe 1952), der UdSSR (1949, 1953), Grossbritannien (1952, 1957), Frankreich (1960, 1968) und der Volksrepublik China (1964, 1967) zur sechsten Atommacht.

Der im historischen Sternjahr 1968 vereinbarte Atomwaffen-Sperrvertrag sollte zwar die Weiterverbreitung verhindern, nachdem die Entwicklung in den USA und der UdSSR darauf hinausläuft, die Sprengkraft der einzelnen Bomben immer weiter zu vergrössern um den „Abschreckungswert” zu steigern.

Danach werden kleinere A-Waffen entwickelt, die sich taktisch, auf dem Gefechtsfeld einsetzen lassen oder strategisch in einer Rakete mit Mehrfachsprengkopf, die über gegnerisches Gebiet geschossen sich mit ihrer mehr als scheusslichen Fracht auf mehrere Ziele gleichzeitig hinzubewegen.

1996 lehnt Indien einen Beitritt zu dem von den USA angestrebten Atomtest-Stoppvertrag ab; es will unabhängig bleiben, solange die grossen Atommächte nicht gleichzeitig einen Zeitplan für die nukleare Abrüstung verabschieden.

Macht und Gewalt, und sei es „nur“ gesellschaftlich legitimierte Polizei- oder Militärgewalt, macht uns zwar Eindruck – besonders den Frauen, wegen den Uniformen, welche sauber im Ausgang oder gar bei militärischen Paraden so schmuck, ausser mit dem Rangzeichen, auch mit Auszeichnungen getragen werden.

Wie wichtig das alles auch noch heute ist, konnten wir am Fernsehen in einer Live-Übertragung sehen: am 9. Mai 2015 feierte Russland das Kriegsende vor 70 Jahren – nicht als Teilhaber, vielmehr als „Tag des Sieges“ mit einer gigantischen Parade. In Moskau findet denn unter bis in den Luftraum ausgedehnten Sicherheitsvorkehrungen die grösste Militärparade in der russischen Geschichte statt.

Präsident Putin verfolgt die Waffenschau gemeinsam mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping der KP – er ist in Personalunion auch Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission – in Begleitung seiner schönen Frau. Und im Beisein von Uno-Generalsekretär Ban Ki-Moon, dem kubanischen Präsidenten Raúl Castro und anderen Spitzenpolitikern aus Indien, Nordkorea, Südafrika und ehemaligen Sowjetrepubliken sowie anderen Staatsgästen und Kriegsveteranen.

Westliche Politiker hingegen haben sich wegen des Ukraine-Konflikts eher rar gemacht. Das ist aber für den relativ jungen russischen Machthaber gar nicht so schlimm, denn in 10 oder 20 Jahren werden sowieso Nationen wie Indien und vorab China effektiv die Geschicke der Welt dirigieren: Europa ist längst ins zweite Glied getreten, und ebenso die USA wird es auch noch tun müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft erst am kommenden Sonntag in Moskau ein, um dort mit Putin am Grabmal des Unbekannten Soldaten einen Kranz niederzulegen.

In der Ukraine und in Westeuropa war bereits am Freitag an das Ende des Krieges in Europa durch die Kapitulation Hitlerdeutschlands erinnert worden. Frankreichs Staatspräsident François Hollande sagte in den hier, der ehemaligen Grande Nation, gewohnt grossen Worten, der 8. Mai sei kein Sieg einer Nation über eine andere; es war der Sieg eines Ideals [= der Revolution] über eine totalitäre Ideologie. US-Präsident Barack Obama sagte schon etwas realistisch bescheidener, aber dennoch mit der ihnen gebührenden Würde über die vielen gefallenen alliierten Soldaten: Das war die Generation, die ganz wörtlich die Welt gerettet hat.

Nun, es war aber auch jene, die buchstäblich die Welt an den Rand der Existenz gebracht hat: an die Schwelle eines potentiellen Atomkriegs. Jeder hohe Militär muss schon sehr naiv sein, wenn er glaubt, eine neue, besonders schreckliche Waffe, die er selbst im Verbund mit der Politik entwickeln lässt, werde nur er allein in seinen Händen haben, um damit andere bedrohen zu können.

Im Zweiten Weltkrieg waren in Europa und Asien mehr als 55 Millionen Menschen gestorben, zum Grossteil Zivilisten (sic!). Mit mehr als 26 Millionen Toten erlitt die Sowjetunion die grössten Verluste. Zu den Opfern gehören auch rund eine Million von den Nazis ermordete sowjetische Juden (vgl. hierzu auch den Bericht im 1. Buch unserer modernen Weltgeschichte).

Wer je einen Krieg überlebt hat, ist stets, ob Sieger oder Verlierer, vielleicht gar als Veteran, auf der besseren Seite. Und es ist auch ein gutes Recht, ihrer wie dem unbekannten Soldaten und den Millionen in den Kriegswirren getöteten Zivilisten zu gedenken. Dazu braucht es aber nicht unbedingt eine Militärparade, selbst wenn sie den Leuten auch als Feier gilt. Denn hier werden ja die schrecklichen Waffen gezeigt, die letztlich allein dem Krieg dienen und nicht der eigenen Verteidigung gegen einen ebenso bewaffneten bzw. mit viel Geld gerüsteten Gegner.

Braucht es also all die teuren Armeen? „Nur dann werden wir Frieden und Ruhe auf dem Planeten gewährleisten“, betont Putin. Derweil wird der Staatschef in Zivil ergänzt durch die uniforme, reich dekorierte Präsenz des „Verteidigungsministers“ Sergej Schoigu – der russische Politiker und Armeegeneral war von 1994 bis 2012 noch Minister für Zivilschutz Russlands. Er nimmt 2015 mit dem Kommandeur der russischen Armee, Generaloberst Oleg Saljukow, je in einer offenen Limousine starr salutierend aufrecht stehend, im Fahren über den Roten Platz die jetzt hier stramm stehende Parade ab.

Doch dann – eben weil es so ist – wird und ist auch noch die Angst vor einem unerhofften Angriff wach: wegen der Flugmanöver der Luftwaffe ist der Luftraum über der Millionenstadt Moskau bis zu einer Höhe von neun Kilometern nur für Militärflugzeuge freigegeben. Auf den Flughäfen Wnukowo, Scheremetjewo und Domodedowo dürfen zwischen 10.30 Uhr und 11.20 Uhr Ortszeit keine Flugzeuge starten und landen, ist der Zivilverkehr also gänzlich gestoppt. Wie man sieht, ist der Aufwand in vieler Hinsicht gigantisch.

In seiner Rede spricht sich Putin für ein weltweites Sicherheitssystem ohne militärische Blöcke aus. Die Prinzipien der Nachkriegsordnung seien in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger verletzt worden, kritisierte der russische Präsident. Versuche, eine „unipolare“ Welt zu schaffen, würden zunehmen. Nötig sei aber ein System, das gleiche Sicherheit für alle Staaten garantiere.

16’000 im strengen Takt der Marschmusik und trüben Grau aus Aserbaidschan, sogar im anachronistisch übertriebenen Stechschritt wie Roboter sich vorwärts bewegende Soldaten, teils in farbigen historischen Uniformen, auch junge Frauen in Dienstkleidung, aber mit Röcken, die über dem Knie enden, was der stets grimmig dreinschauende Putin jetzt mit aufgehellter Mine kurz aufgeräumt quittiert – selbst chinesische Truppen sind an der Schau anwesend, viele Offiziere, Panzer, Raketen und Flugzeuge – über 200 Maschinen inklusive Hubschrauber am Himmel, um die Flugmanöver der Luftwaffe zur grossen Militärparade zu vervollständigen – nehmen als bereits ausgediente wie als modernste Waffensysteme am beispiellosen Spektakel militärisch-staatlicher Machtdemonstration teil.

Das S-400 Triumpf, bereits 1985 entwickelt, ist ein mobiles allwetterfähiges Langstrecken-Boden-Luft-Raketen-System zur Bekämpfung von Flugzeugen und Marschflugkörpern in allen Flughöhen.

Vorgeführt wird dem staunenden Publikum auch ein BUK-„Abwehrsystem“, das schlechte Erinnerungen weckt: mit einer BUK-Rakete soll die Passagiermaschine MH17 der in der Ostukraine abgeschossen worden sein. Später kam heraus: Die Bundesregierung wusste von der erhöhten Gefahr, gab die Warnung aber wohl nicht an die Fluggesellschaften weiter. Ein Lufthansa-Jet flog kurz vor MH17 über die Ostukraine. Mit dem Abschuss der Boeing 777 der Malaysia Airlines am 17. Juli 2014 waren alle 298 Menschen an Bord ums Leben gekommen.

BUK-Boden-Luft-Raketensystem rollt über den Roten Platz.

Schon früh war bekannt geworden, dass russischen Experten zufolge das Passagierflugzeug von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden sei. Das hatte die kremlkritische Zeitung Nowaja Gaseta unter Berufung auf einen geheimen Bericht Moskauer Ingenieure berichtete. Die Analyse sei für die Untersuchungskommission in den Niederlanden bestimmt, die das Unglück aufklären sollte. Dem russischen Bericht zufolge handelte es sich um eine 9M38M1-Rakete mit dem Sprengkopf 9M314M, die von dem Abwehrsystem Buk-M1 abgeschossen worden sei – von wem allerdings, darüber wurde lange gerätselt. Demnach soll das Geschoss aus dem Ort Saroschtschenske abgefeuert worden sein und nicht, wie oft behauptet, aus dem Gebiet Snischne. Saroschtschenske soll an dem Tag der Katastrophe von ukrainischen Streitkräften kontrolliert gewesen sein.

Die Ukraine behauptet dagegen, die Rakete sei von einem Gebiet unter Kontrolle der prorussischen Separatisten abgeschossen worden. Nowaja Gaseta verwies damals darauf, dass der russische Bericht nur ein Teil der Ermittlungen sein könne. In dem Kriegsgebiet gebe es „Grauzonen“, die Lage dort sei am 17. Juli unübersichtlich gewesen. Geklärt werden müsse die genaue Herkunft des BUK-Systems. Klar ist: jedes als solches deklarierte „Abwehrsystem“ kann etwas weniger euphemistisch immer auch für den Angriff eingesetzt werden – gegebenenfalls selbst gegen zivile Ziele, denn spätestens im Krieg wird dann da von dort sowieso nicht mehr unterschieden.

Die Furcht vor der Kernkraft allerdings hat die Schriftsteller auf mannigfaltige Weise inspiriert. Das Literaturmuseum in Marbach zeigt mit der Schau Strahlungen zahlreiche Beispiele und Debatten über das Thema. Vieles erscheint uns heute als bizarr – die Gegenwart fürchtet sich (seit 9/11) vor etwas anderem.

Der erste Roman über die Atombombe wurde geschrieben, lange bevor es die Atombombe gab. Eric Ambler, der Grossmeister des Polit-Thrillers, dessen Bücher so oft die Grenzen des Genres überschreiten, dass man ihn besser einen Meister des politischen Romans nennen sollte, war noch ein junger Werbetexter, als er in wissenschaftlichen Zeitschriften über neue Forschungsergebnisse der Atomphysik stolperte.

Er zog daraufhin einige sehr nüchterne Schlussfolgerungen, die nur wenig Vertrauen in die moralischen Standards führender Wissenschaftlern und Politiker erkennen lassen und schrieb 1935 seinen ersten Roman Der dunkle Grenzbezirk. Darin wird die Atombombe zum Objekt naturgemäss übler machtpolitischer Machenschaften. Aber vom Weltuntergang ist nirgendwo die Rede.

In der Ausstellung Strahlungen. Atom und Literatur im Marbacher Literaturmuseum der Moderne spielt Amblers Roman keine Rolle, denn sie ist der deutschsprachigen Literatur gewidmet. Doch auch ein deutscher Autor, Gerhard Hauptmann, war seiner Zeit voraus und liess bereits 1943, zwei Jahre bevor die beiden ersten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen, in seinem Romanfragment Der neue Christopherus eine Figur die Gefahren nuklearer Rüstung ausmalen.

Zerstörung in Nagasaki.

Am schockierendsten erkannte man die Wirkung der Bombe bei den Opfern von Hiroshima und Nagasaki: Hier wurden viele Menschen sage und schreibe in Sekundenbruchteilen verdampft, so dass man nach der Explosion nur noch geschwärzte Schatten ihrer Körper an Wänden und Böden fand (sic!). Die Hitze war so gross, dass sie augenblicklich explodierten. Andere Opfer erlitten schwerste Verbrennungen, hervorgerufen durch die starke nicht spürbare Strahlung.

Räume, Ebenen in der Geometrie wie in der Realität sind bekanntlich mehrdimensional; Linien 1- und Punkte 0-dimensional – hat doch ein einzelner Punkt in der Geometrie definitionsgemäss gar keine Ausdehnung. Wir setzen so unser Bewegungs- und Raumdenken bzw. praktisch stets begrenztes Gesichtsfeld ganz natürlich sowohl in mehrere Dimensionen wie auch ins „Nichts“ fort. Dennoch stellen sich die Physiker gewöhnlich auch einen einzelnen Punkt ohne Ausdehnung mit Masse behaftet vor; er ist so ein Repräsentant des kleinsten Teils von der Wirkung, die von einem beliebig grossen, aber begrenzten Massestück im Raum ausgeht.

Die Wirkung – etwa die der Schwere oder Gravitation – ergibt sich folgerichtig als Summe der einzelnen Teile, aus dem sich das ganze Stück mit einer echten Ausdehnung notwendig zusammensetzt. Jedes Massestück ist also immer bis in die kleinsten Teile: will heissen bis ins Nichts teilbar. Ob eine solche Annahme sinnvoll ist, wird selten überlegt. Jedenfalls wird sie durch das geometrisch-physikalische Denken auomatisch auf den physikalischen Raum übertragen.

Das genannte Problem hat bekanntlich eine lange Geschichte. An die Stelle des einen und einzigen Seienden der Eleaten setzten die Atomisten ihre sog. Vielheit des Seienden, die Atome. Bzw. entgegen der eleatischen Grundannahme, dass nur das Seiende ist, das Nichtseiende hingegen nicht, setzten die Atomisten das Postulat vom Sein des Nichtseienden und mussten die Existenz des Leeren als notwendige Prämisse statuieren. Ein und einziges Sein, was unvergänglich, unwandelbar, unveränderlich, unteilbar, unbeweglich, ganzheitlich-homogen und begrenzt (in der Ausdehnung) ist, mutierte zur Vielheit  des „Unteilbaren“, der Atome.

Da gibt es zum Beispiel ein Uranatom; wenn es von einem anderen getroffen und aufgespalten wird, entwickelt es mächtige Energie. Sofern rapide Summierungen ein Uranoxydpulver zu einem Kubikmeter vereinen, entwickelt es in weniger als dem hundertsten Teil einer Sekunde Energie, die ausreicht, um ein Gewicht von einer Million Tonnen siebenundzwanzig Kilometer hochzuheben. Seine Explosion könnte unserem ganzen Planeten zur gefährlichen Katastrophe werden.

Mit der modernen Mathematik, welche die Atomkernspaltung akkurat beschreibt, verlassen wir scheinbar jegliche Anschauung und Praxis. Dennoch können Fachleute diese Kunstsprache praktisch anwenden. Beispielsweise – und leider nicht zuletzt – in der Atomphysik, die neuerdings hohen Militärs die konkrete Möglichkeit einer  totalen Vernichtung der Welt in ihre also höchst schmutzigen Hände gibt: durch den potentiellen Atomkrieg, möglicherweise verursacht von ebenso manifest verrückt gewordenen Politikern.

Das ist die nackte Realität der schieren Weltpolitik – ganz besonders nach dem 2. Weltkrieg mit der atomaren Aufrüstung und Bedrohung des Kalten Krieges, wie wir es persönlich erleben mussten. Denn meisten Historikern ist allerdings kaum bewusst, welch hochgestochene Mathematik hinter der Atomtheorie und damit auch der Atomtechnik und den atomaren Waffen steckt.

Wenn doch nur die Militärs die Hemmschwelle hätten, und ihre Hände nicht an Atomwaffen legen würden! Auch hoffen wir, dass sich Politiker – wie etwa der amtierende US-Präsident mit seinem ständig präsenten „Atomkoffer“ – sich hier ebenfalls nicht vergreifen wird (er alleine hat so die Macht, einen Atomkrieg auszulösen).

Oppenheimer mit dem Projektleiter General Groves 1945 am Testort nach der ersten Atombombenexplosion.

Die theoretisch entscheidenden Taten vollbringen im Umkreis des historischen Sternjahres 1908 jene beiden Männer, die Planck mit Kräften unterstützt: Albert Einstein gemeinsam mit Hermann Minkowski. Sein revolutionärer Beitrag liegt in der mathematisch-geometrischen Erkenntnis, dass das 4-dimensionale Raum-Zeit-Kontinuum mit dem bisher 3-dimensionalen Kontinuum des euklidischenen Raumes eine weitgehende Verwandtschaft aufweist.

Der eigentliche Durchbruch der modernen Quantentheorie wird indes erst zwanzig Jahre später erfolgen. Die frühen Abhandlungen Einsteins veranlassen 1926 Schrödinger den Gedanken de Broglies weiterzuentwickeln, die stationären Zustände des Atoms als stehende Wellen aufzufassen. Dies gipfelt in der Entdeckung der berühmten Schrödinger-Gleichung (vgl. hierzu auch unseren Beitrag Hamilton). Sie ist eine grundlegende Wellengleichung, welche – gemeinsam mit der praktisch gleichzeitig gefundenen Matrizenmechanik von Heisenberg – Born und Jordan (1925/26) auf formal völlig anderer Grundlage der Wellenmechanik zur Begründung der modernen Quantenmechanik führt.

Die mit Einstein im Wirkkreis des historischen Sternjahres 1908 geborene Quantentheorie der Strahlung und der Materie sowie die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie drücken der Physik des 20. Jahrhunderts ihren eigenen Stempel auf. Sie führen ein neues Zeitalter der Naturerkenntnis herbei. Ihre Sprache sind letztlich Tensoren und Matrizen sowie Funktionenräume mit mathematischen Operatoren: verallgemeinerten Funktionen, ihre Algebren und (geometrische) Charakterisierung durch Determinanten und Faltung.

Nach Galilei, Kepler und Newton ist es aber – dank Herbert Minkowski – vorerst einem Mann: Albert Einstein vorbehalten, um 1908 eine neue grosse Revolution in der Wissenschaft von der Natur auszulösen. Er war wie gesagt dabei nicht der einzige, der daran arbeitete; berühmte Mathematiker wie Hilbert und Poincaré dachten mit ihm.

Mit physikalisch gedeuteten mathematischen Objekten operierten denn auch die mutigen Männer, die uns um 1925 erstmals einen sehr genauen Blick ins Innere der Atome und über die dort herrschenden sehr grossen Bindungs-Energien erlaubten. Man brauchte sie „nur zu spalten“ (sic!). Indes wurde damit auch, wie die aktuelle Geschichte zeigt, buchstäblich eine Büchse der Pandora geöffnet, was uns (seit dem 2. Weltkrieg bzw. ab dem Epochenjahr 1938) gar das Damoklesschwert eines Atomkrieges über den Kopf hängen lässt.

Kernwaffen setzen grosse Energiemengen in kurzer Zeit aus Atomkernprozessen frei, die Temperaturen im Millionen Grad Celsius-Bereich erreichen. Dadurch wird jeder Feststoff in unmittelbarer Nähe zu einem heissen Gas verdampft. Durch die Erwärmung der umgebenden Luft und durch die verdampfenden Feststoffe kommt es zu einer schlagartigen Volumenexpansion, was neben der abgegebenen Licht- und Hitzestrahlung zu einer starken Druckwelle führt, die sich nach allen Seiten frei ausdehnen kann (sofern sie nicht durch Hindernisse wie z.B. von einem Hügel aufgehalten wird). Die Fensterscheiben von Häusern zersplittern, die Trommellfelle von überlebenden Menschen werden zerstört – ihre Ohren beginnen zu bluten…

Vielleicht ist es mehr als ein Zufall, dass schon in diesem ersten Dokument, in dem ein deutscher Schriftsteller eine Atomexplosion imaginiert, gleich von Gefahren die Rede ist, die planetares Ausmass annehmen. Denn die Angst vor dem ultimativen Desaster, vor der selbst bereiteten Apokalypse ist der beherrschende Zug der literarischen Zeugnisse, die in der von Helga Raulff zusammengestellten Marbacher Ausstellung zu sehen sind.

In den allerersten Nachkriegsjahren waren die deutschen Reaktionen auf Hiroshima und Nagasaki (1945) noch verhalten. Zu sehr war man hierzulande mit der eigenen Kriegsschuld, der totalen Zerstörung der Städte und dem Wiederaufbau beschäftigt. Doch spätestens Anfang der Fünfzigerjahre, parallel zu den US-amerikanischen Tests der sogenannten Wasserstoffbombe, spielt das Thema im literarischen und intellektuellen Leben eine immer gewichtigere Rolle.

Wenn man heute, ein halbes Jahrhundert später, auf die Debatten von damals zurückschaut, will einem manches davon ausgesprochen deutsch erscheinen. Überall macht sich der Drang zur möglichst dramatischen, überhitzten Formulierung bemerkbar, der alle vorangegangenen Wortmeldungen an Pathos noch zu übertreffen versucht. Immer wieder spürt man den Wunsch, alle Überlegungen bis zu ihren äussersten, extremsten Konsequenzen voranzutreiben – und vor diesem Hintergrund dann mit rigorosem Moralismus zu letztgültigen Bekenntnissen und Entscheidungen aufzurufen. Nur von nüchterner Sachkenntnis und realpolitischen Pragmatismus ist bei all dem wenig zu finden.

Das alles tut der literarischen Qualität nicht gut. Nur wenige der in Marbach gezeigten Manuskripte können heute mehr als ein literaturhistorisches Interesse wecken. Auch die entsprechenden theoretischen Überlegungen von zeitgenössischen Philosophen wie Karl Jaspers oder Martin Heidegger (das ontische Ende des Planeten) machen inzwischen einen einigermassen angestaubten Eindruck.

Andererseits erwiesen sich die hoch emotionalisierten Kampagnen gegen die nukleare Aufrüstung offenkundig als Kristallisationspunkte für einen späteren brutalen politischen Radikalismus: Die erste literarische Anti-Atom-Anthologie mit dem unbedingt zustimmenswerten Titel Gegen den Tod wurde herausgegeben von Gudrun Ensslin und Bernward Vesper; zu den Mitarbeitern des Komitees gegen Atomrüstung gehörte die Studentin und APO-Terroristin der Bader-Meinhof-Gruppe Ulrike Meinhof.

Zum desillusionierenden, aufklärerischen Gehalt der Ausstellung gehört, dass sie mit einigen Missverständnissen aufräumt, die sich mitunter bis heute gehalten haben. Der nach dem Krieg im Zivilleben gescheiterte US-Pilot Claude Eatherly gab sich als Kommandant des Flugzeuges aus, der die historisch erste Bombe über Hiroshima abgeworfen hatte. Der Philosoph Günther Anders korrespondierte mit ihm, Marie Luise Kaschnitz und Ludwig Harig schrieben Gedichte über ihn.

Dass er zerrüttet in einem Sanatorium lebte, wurde seinerzeit als Beleg dafür herangezogen, wie sehr er unter der Verantwortung für seine Tat leide. Doch flog Eatherly, wie sich inzwischen nachweisen liess, nur einen Wetteraufklärer, der mit dem Bombenabwurf nichts zu tun hatte. Der tatsächliche Kommandant des Hiroshima-Angriffs, Paul W. Tibbet, schied 1966 als Brigadegeneral aus der Armee aus und rechtfertigte den Bombenabwurf bis ins hohe Alter als Kriegshandlung (sic!).

Und Heinar Kipphardts Drama In der Sache J. Robert Oppenheimer gilt als hervorragendes Beispiel des Dokumentartheaters, das authentische Zeugnisse auf die Bühne bringt. Kipphardt lässt seine Hauptfigur Oppenheimer, der als Physiker massgeblich die Konstruktion der amerikanischen Atombombe um 1938 vorantrieb, im Schlussmonolog das eigene Tun verdammen: Wir haben die Arbeit des Teufels getan, und wir kehren nun zu unseren wirklichen Aufgaben zurück.

Doch in einem Brief bestreitet der reale Robert Oppenheimer diese Kehrwendung energisch. Man habe ihm die Frage gestellt, ob er, auch in Kenntnis der historischen Resultate, sich wieder für eine Mitarbeit am amerikanischen Atomprogramm entscheiden würde: To this I answered yes.

Enrico Fermi, der mit dem Bau des ersten Atomreaktors 1942 den technischen Grundstein zur Atombombe gelegt hatte, weigerte sich aus fundamentalen ethischen Grund­sätzen, an dieser Waffe mitzuarbeiten. Albert Einstein, der dem Präsidenten Roosevelt 1939 noch zum Bau der Atombombe geraten hatte, litt sein ganzes Leben unter dieser Last und sagte einmal: Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, werde ich nicht Physiker, sondern Handwerker. Und Otto Hahn, der als erster ein Uranatom im Labor spaltete und dafür den Nobelpreis bekam, wollte sich das Leben nehmen, als er während seiner Kriegsgefangenschaft in England von Hiroshima erfuhr.

Auch Ängste haben ihre Konjunkturen. Seltsam, wie wenig Raum die Gefahr eines mit nuklearen Waffen ausgetragenen Krieges heute im öfentlichen Bewusstsein einnimmt. Seltsam, wie viel mehr Aufmerksamkeit der Terrorismus in Anspruch nimmt, obwohl selbst in schwärzesten Szenarien die Gefahren, die von ihmausgehen, ungleich gringer sind.

(vgl. auch Uwe Wittstock 2008 in Welt)

EINSTEINs Spezielle Relativitätstheorie (1905) war eine Revolution der Grundlagen der klassischen Physik, eine radikale Abkehr von NEWTONs Vorstellungen über Raum und Zeit. Einerseits hat sie schon lange technische und insbesondere militärische Anwendungen gefunden, andererseits aber sind ihre letzten Konsequenzen noch nicht in das Bewusstsein der Menschen – ja nicht einmal in das der meisten Physiker – vorgedrungen.

Von den Chemikern ganz zu schweigen (GiftstoffKatastrophen!).

Als Isotope bezeichnet man Arten von Atomen, wenn ihre Atomkerne gleich viele Protonen (gleiche Ordnungszahl im Periodensystem) und damit – elektrisch neutral – auch gleich viel Elektronen in der Hülle, aber im Kern verschieden viele Neutronen enthalten. Sie haben dann verschiedene Massenzahlen, stellen aber chemisch das gleiche Element dar; es gibt so z.B. auch drei Wasserstoffisotope (Bild unten).

Die Isotope eines Elements verhalten sich chemisch fast identisch. Ebenso Protium 1H oder leichter Wasserstoff und das Isotop 2H – als Deuterium oder schwerer Wasserstoff bezeichnet. Doch physikalisch kann es grosse Unterschiede geben: das Isotop 3H –Tritium oder „überschwerer Wasserstoff“ heisst so, weil sein Kern instabil: radioaktiv ist.

Wasserstoff ist das chemische Element mit der geringsten Atommasse. Sein häufigstes Isotop, das Protium, enthält kein Neutron, sondern besteht aus nur einem Proton und einem Elektron. Unter Bedingungen, die normalerweise auf der Erde herrschen (Normalbedingungen), kommt aber dieser atomare Wasserstoff nicht vor, sondern statt dessen die „dimerisierte Form“, der molekulare Wasserstoff H2, ein farb- und geruchloses Gas.

Ein Moderator (lat. moderare ‚mässigen‘) dient dazu, freie Neutronen, die bei ihrer Freisetzung meist relativ energiereich (also schnell) sind, abzubremsen. Die Abbremsung erfolgt dabei durch wiederholte elastische Streuung an leichten Atomkernen, also solchen von Nukliden niedriger Massenzahl (elastischer Stoss). Die vom Neutron abgegebene Energie wird als Rückstoss vom getroffenen Atomkern aufgenommen; dieser gibt sie in weiteren Stössen als Wärme an die umgebende Materie ab.

Die Stösse der in unseren Körper eindringenden radioaktiven Strahlung kann nachweislich Zellen zu unkontrollierter Teilung und Wachstum von Tumoren: Krebs anregen. Bei Frauen ist es insbesondere Brustkrebs. Bei jüngeren Männern Hodenkrebs. Speziell gefährdet sind auch unsere Schilddrüsen.

Das Wort Moderator kann das dazu verwendete Material oder auch ein fertiges Bauteil usw. bezeichnen. Die Wahl des Moderators hat Auswirkungen auf die Eigenschaften des Reaktors:

  • Schweres Wasser hat lediglich eine geringe Tendenz (kleinen Wirkungsquerschnitt) für Neutroneneinfang. Daher können mit schwerem Wasser moderierte Reaktoren mit Natururan betrieben und vergleichsweise klein gebaut werden, weshalb sie in mobilen Anwendungen wie Atom-U-Booten bevorzugt eingesetzt werden.
  • Leichtes Wasser absorbiert durch Neutroneneinfang H-Neutronen. Um dies auszugleichen, müssen diese Reaktoren mit angereichertem Uran betrieben werden und deutlich mehr Volumen besitzen.
  • Graphit, also Kohlenstoff, absorbiert zwar nur geringfügig, bremst die Neutronen aber erst nach sehr vielen Stössen auf die notwendige niedrige Geschwindigkeit. Deshalb sind die Kerne graphitmoderierter Reaktoren deutlich grösser als die von Leichtwasserreaktoren.
  • Brutreaktoren enthalten keinen Moderator, weil bei ihnen die Spaltung durch schnelle Neutronen erwünscht ist. Das hier zur Kühlung verwendete Natrium (mit seiner Massenzahl 23) hat einen sehr viel geringeren moderierenden Effekt als Wasser.

Die durchschnittliche Bremswirkung eines elastischen Stosses ist am stärksten bei gleich grossen Massen der Stosspartner. Bei zentralem Stoss würde dann ein einziger Zusammenstoss ausreichen, um das Neutron zum Stillstand zu bringen. Deshalb ist Wasserstoff, besonders sei häufigstes Isotop Protium 1H, dessen Kern ein einzelnes Proton ist, in dieser Hinsicht der wirksamste Moderator. Vorteilhaft ist, dass Wasserstoff in vielen Materialien (wie Wasser, Paraffin, vielen Kunststoffen) rund 2/3 aller Atome darstellt. Verwendbar sind auch Deuterium als Bestandteil des schweren WassersBeryllium und Kohlenstoff C. 

Wasserstoff im statu nascendi, d.h. im Zustand des Entstehens unmittelbar nach einer Wasserstoff erzeugenden chemischen Reaktion, existiert nur für Sekundenbruchteile. Innerhalb dieser Zeitspanne reagieren in der Regel zwei 1H-Atome miteinander. Aber auch nach diesem Zusammenschluss zu H2 liegt der Wasserstoff für kurze Zeit in einem angeregten Zustand vor und kann so – abweichend vom „normalen“ chemischen Verhalten – für verschiedene Reaktionen genutzt werden, die mit molekularem Wasserstoff nicht möglich sind.

Atomarer Wasserstoff kann durch Zufuhr der „Dissoziationsenergie“ aus dem molekularen Element H2 erzeugt werden. Methodisch wird dieses bewerkstelligt durch Erhitzung auf mehrere tausend Grad (sic!), elektrische Entladung bei hoher Stromdichte und niedrigem Druck, Bestrahlung mit Ultraviolettlicht oder Mikrowellenstrahlung sowie Beschuss mit Elektronen bei 10 bis 20 Elektronenvolt (eV). Allerdings reagiert atomarer Wasserstoff 1H (z.B. an Behälterwänden) sehr schnell wieder zu molekularem Wasserstoff. Es stellt sich somit ein Fliessgleichgewicht ein, das in der Regel weit auf der Seite des molekularen Wasserstoffs H2 liegt.

Die radiale Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsverteilung eines Elektrons im H-Atom ergibt sich wie folgt: Wellenfunktionen mit der Nebenquantenzahl = 0 (auf dem s-Niveau) haben die höchste Aufenthaltswahrscheinlichkeit an der Position des Kerns (r = 0; vgl. die Grafik unten). Wellenfunktionen mit  > 0 (p, d, f, g, …) haben ebenso eine Nullstelle an der Position des Kerns (r = 0).

In diesem Fall ist der sog. Erwartungswert des Kern-Elektron Abstands <r> endlich, so dass das Elektron einen Bahndrehimpuls besitzt (sic!). Die Wahrscheinlichkeit das Elektron in einem infinitesimal kleinen Raumbereich zwischen r und r + dr zu finden – seine radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit P(r) dr – unterscheidet sich hingegen deutlich von der Wellenfunktion Ψ (r).

Für ein Elektron in einem s = 0 Zustand bzw. Orbital ist der wahrscheinlichste Wert von r gerade der Bohr-Radius a0 ≈ 0.529 10-10 m und der Mittelwert von r gleich <r> = 1.5 a0 (vgl. die Grafik unten). Schliesslich ist der Mittelwert von 1/r gegeben durch <1/r> = 1/a0 – nach dieser einfachen Hyperbelfunktion nimmt das Potential des Kerns im Atomraum ab!

Radiale Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsverteilung von Elektronen im energetisch  angeregten H-Atom nach den einzelnen „Schalen“ bzw. Orbitalen 1s, 2p, 2s, 3d, 3p und 3s. Mit zunehmender Energie wächst offenbar auch die radiale Atomgrösse r stark an.

Für das Wasserstoffatom H sieht das Resultat der Berechnung der möglichen  Zustandsfunktionen konkret so aus:

Wahrscheinlichkeitsdichte eines Elektrons im Wasserstoff-Atom als Funktion von r und θ. Wir sehen so anschaulich den Effekt der Nebenquantenzahl   bzw. des Bahn(dreh)impulses im energetischen Grundzustand n = 1 bzw. in den angeregten Zuständen n = 2, 3, 4.  (www.qudev.ethz.ch/phys4/phys4_fs08/phys4_L16_v1.pdf)

Wir dürfen diese Bilder als energetische Modifikation der atomaren Raumanschauung begreifen – wohl nicht zuletzt unter der Einwirkung des halbzahligen Spins des Elektrons: unter der Wirkung der komplexen Drehgruppe SU(2) bzw. SU(3) auf dem Anschauungsraum3 .

Wenn die Idee gequantelter Energien auf Atome angewendet wird, bedeutet dies, dass nur bestimmte Werte von ΔE möglich bzw. erlaubt sind und vergleichbar in der Natur vorkommen! Diese Werte entsprechen real den Linien des Emissionsspektrums „beschwingter“ Atome.

Und so komplexe Tanzfiguren, teils gar hantel– oder rosettenfömig, vollführt das Elektron im energetisch angeregten 1H-Atom. Es ist, als würde es uns etwas mitteilen wollen (Dimension der Raumzeit?). Dieser Gedanke ist keineswegs abwegig: machen doch Bienen im Bienenstock dasselbe: wenn eine Biene den anderen sichtlich aufgeregt oder begeistert mitteilen will, wo draussen sie Blüten mit viel Blütenstaub, also ein für ihr Volk guter „Weideplatz“ entdeckt hat…

Jede Bewegung, so Aristoteles, setzt ein „Bewegendes“ als ihre Ursache voraus. Es ist ungenau, wenn man sagt: ein Ding bewegt sich (von) selbst. Auch wo dies scheinbar der Fall ist, muss man innerhalb dieses Dinges das Bewegende von dem Bewegten unterscheiden. Den das Bewegende (wir sagen heute: die Energie) muss das schon als fertige Wirklichkeit besitzen, zu dem sich das Bewegte erst entwickelt. (sic!)

Wie modern erscheint uns da Aristoteles, wenn wir an Einsteins Äquivalenz von Energie und Masse E = mc2 denken. Zum Beispiel muss dem antiken Denker zufolge wirkliches Feuer schon vorhanden sein, um durch seine Berührung (Spaltung und Reibung) ein Holz in Brand zu stecken.

Genau so ist ‚Feuer‛ (die Energie) schon in der Materie vorhanden, bevor wir es entfachen – heute auch durch Atomkern-Spaltung, durch die Berührung des Spaltmaterials mit geeigneten Atom-Teilchen, etwa durch eine grosse Zahl von schnellen Neutronen, wodurch die in den Kernen gebundene Energie ja erst freigemacht wird.

Das sichtbare Licht, mit seiner merkwürdigen Doppelnatur als Welle und Teilchen, spielt in der Natur bestimmt eine besondere Rolle. Hängt doch der ganze Lebensprozess für viele Pflanzen, Tiere und uns Menschen von der Sonne ab. Es hat seinen Ursprung in elliptischen Kreisprozessen, die im Inneren der Atome ablaufen – also dort, wo es keinen Raum und keine Zeit im gewöhnlich-alltäglichen Sinn gibt. Und diese sind noch längst nicht ganz erforscht!

So ist man im Fall des Edelgases Xenon auf einen Prozess gestossen, bei dem zwei Photonen auf einmal verschwinden, statt einem, und gleichzeitig ihre Energie auf das ausbrechende Elektron übertragen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Verhalten von Elektronen in der Atomhülle generell viel komplexer ist als bisher bekannt. Die Ergebnisse deuten auf bisher noch nicht vollständig verstandene Aspekte im Atom.

Nach einem berühmten Experiment, welches 1922 von Otto Stern und Walther Gerlach durchgeführt wurde, teilt sich ein Elektronenstrahl im Magnetfeld in Teilstrahlen auf. Zur Erklärung dieses Phänomens schlugen George Uhlenbeck und Samuel Goudsmit 1925 vor, dass das Elektron ein inneres Drehmoment besitze, den sogenannten Spin s, der mit dem Magnetfeld wechselwirkt. In der Folge ist der Drehimpuls der Atome quantisiert (während er klassisch entlang einer Richtung kontinuierlich verteilt ist). Die Übergänge zwischen den durch verschiedene Werte von m charakterisierten Energiezuständen bezeichnet man als Elektronenspin-Resonanz. – Allgemein kann die magnetische Quantenzahl m die numerischen Werte m = 2 + 1 annehmen, d.h. 0, ± 1, ± 2, … ± .

Hier bestimmt die Nebenquantenzahl den Bahnimpuls bzw. Drehimpuls der Umlaufsbewegung des Elektrons um den Atomkern als ganzzahliges Vielfaches von h/2π (Plancksches Wirkungsquantum h) und legt damit die Bahnform („Elliptizität“) innerhalb der durch die Hauptquantenzahl n bestimmten Schale fest. Für n = 1 ist  = n – 1 die Bahnform eines Kreises ( = 0 im H-Atom). Die Bahnebene wird durch den Drehimpuls-Vektor festgelegt, wobei wie gesagt äussere elektrische und magnetische Felder die Richtung der Bahnebene beeinflussen.

Die Spinquantenzahl s – auch ms – ist durch den Eigendrehimpuls des Elektrons gegeben. In unserem Bilde entspricht dies der Annahme einer Eigendrehung des Elektrons und damit einer noch getreuren Übertragung der Modellvorstellung eines Planetensystems. Die beiden möglichen Drehsinne werden nach Uhlenbeck, Goudsmit durch die beiden Werte der Spinquantenzahl s = + ½ und s = – ½ dargestellt, so dass auch hier wieder eine Einstellung in die andere durch einen Sprung um eine ganze Zahl, d.h. um die Einheit des elementaren Drehimpulses h/2π, hervorgeht. Die Einführung des „Elektronenspins“ erforderten die experimentellen Befunde an den Alkalispektren, die überall dort, wo man einen einfachen Energiezustand erwartete, auf das Vorhandensein doppelter Energiestufen hindeuteten.

Die innere Natur des Atoms ist also nicht stetig bzw. kontinuierlich – vielmehr sprunghaft. Nur das Licht, was sie durch einen Sprung aussenden, ist es. Eine A-Eplosion ist, wie man sagt, heller als 1000 Sonnen.

Die Kontinuität (von lat. continuitas, „ununterbrochene Fortdauer“) bezeichnet philosophisch einen lückenlosen Zusammenhang – eine Stetigkeit, einen fliessenden Übergang, der nicht unterbrochen ist: einen ununterbrochenen, gleichmässigen Fortgang. Es wird also ausgedrückt, dass sich Prozesse bzw. Veränderungen in der Natur und Zeit nicht sprunghaft und plötzlich – diskontinuierlich – vollziehen, sondern prinzipiell kontinuierlich bzw. stetig.

Der lückenlose Zusammenhangschliesst auch aus, dass etwas ins Nichts verschwindet oder aus dem Nichts entsteht (Energieerhaltungssatz). Indes gilt dies Prinzip gerade nicht im Bereich der Atome. Hier können Teilchen spontan (aus Energie) erzeugt werden: es gibt da Erzeugungsoperatoren. Das sind wichtige Variablen, die nicht einmal observabel (beobachtbar, messbar) sind. Die Natur scheint sich damit unserem Zugriff vollends entziehen zu wollen. Dazu gehören insbesondere der „Erzeugungsoperator“ und der „Vernichtungsoperator“, die so heissen, weil sie je ein Quant erzeugen oder vernichten (wie wir schon aus unserem 1. Buch dieser modernen Geschichte wissen).

Die Vorstellung von Quanten, Materiewellen und allgemeiner Relativität wie auch die energetisch so heikle Manipulation mit Atomkernen (wie jetzt auch mit lebenden Genen!) – deren mögliche Spaltung und Fusion – hat nicht nur das physikalisch-technisch-biologische Weltbild revolutioniert, sondern ab dem Epochenjahr 1938 bzw. historischen Sternjahr 1998 unser Alltagsgefühl und die in uns genuin angelegte Lebensangst nachhaltig verändert.

Der nach einer A-Bombenexplosion bis in die Athmosspähre hochgeschleuderte radioaktive Staub verteilt sich in Jetstrems rund um die Welt. Er kann dann auf jeden Kontinent und jedes Land zurückfallen und so jeden und jede ernstlich gefährden.

Das Bild, was wir uns heute leider Gottes von der Welt immer wieder neu machen müssen, hat den gesunden Menschenverstand wie eine durch Viren verbreitete Plage angesteckt – ja in ihrer Wirkung selten radikal umgestaltet. Der unstillbare Hunger nach Energie hat, wie immer, auch die Macht des Militärs in nie dagewesener Zerstörungskraft auf die politische Bühne gerufen.

Jeder Fortschritt in der physikalischen Theorie samt der Ernte, die er bestenfalls auf technischem Gebiet einbringen mag, wird jedoch mit einem Verlust an Fasslichkeit erkauft. Wohin dieser Weg uns führt, wird spätestens im 20. Jahrhundert sonnenklar: eine Auflösung des früher für uns so handlichen Materialismus führt uns sozusagen ins Nichts: dahin, wo alles sich von selbst bis zur Unkenntlichkeit auflöst.

Und zwar im folgenden Sinn: Die einsetzende Entstofflichung der Welt fällt zeitlich mit der Wende zusammen, die sich uns im historischen Stern- und Epochenjahr 1938 unwiderruflich ankündigt. Es ist eine Form der Abstraktion, der vorab Männer nachhängen – unter Verdrängung der Frau und ihres heilig Weiblichen: der lustvollen Fruchtbarkeit.

Was hier seitdem in der ganzen Welt unaufhaltsam fortschreitet, geht mit einer immer grösseren Einbusse an Verantwortung gegenüber Mensch und Natur einher. Dieser tiefgreifende Verlust, der nicht nur auf die Wissenschaftler und Technokraten als eine treibende Kraft zutrifft, fördert vielmehr religiös und weltanschaulich praktisch ungebunden besagte Wende. Sie trübte derart die Urteilsfähigkeit des Zeitgeists, dass er uns unvermittelt im Zweiten Weltkrieg grauenhaft begegnet ist. In der Gestalt eines weltweit erwachten Faschismus gipfelt der unerwünschte Spuk – bevor er richtig begonnen hat.

Heute zeigt es sich uns aber weiterhin im Übel eines in seiner Art extrem gewalttätigen Terrorismus (von lateinisch terror ‚Furcht‘, ‚Schrecken‘). Wiederholt drehen aber auch öfter scheinbar ganz gewöhnliche Menschen in ihrem für sie offenbar unerträglich gewordenen Alltag durch: Amoklauf hier, sinnlose Schiesserei dort.

Erstmals hat so die Unvernunft der neuen Epoche ihre überaus starken Zeichen gesetzt. Als wäre nämlich mit der Entdeckung der Atom-Kernspaltung im Dezember 1938 nicht schon genug getan und der Traum des faustisch-verblendeten Menschen damit vollauf erfüllt worden. Führte er uns doch mit der Schöpfung unter das Joch eines Kriegsgeschehens, in dem erstmals Atomwaffen eingesetzt werden. Indes kann der Sinn eines solchen Geschehens nur im Zeichen des Übergangs und Wandels zu einem Anderen gesehen werden.

Auch Lambarene-Arzt Albert Schweitzer verurteilte die Atomspaltung. Am 23. April 1957 liess der 82jährige vom Norwegischen Nobelpreiskomitee einen Brief verlesen, worin er die Öffentlichkeit aufforderte, einen sofortigen Stop der Atomtests zu verlangen. Seine Rede, die er aus Schwäche nicht selber halten konnte, wurde in der ganzen Welt ausgestrahlt. Darin betonte er, dass man in den dreieinhalb Jahren, die seit der Zündung der ersten Wasserstoffbombe vergangen seien (1. März 1954), genügend Informationen gesammelt habe, die beweisen würden, welche Gefahr radioaktive Strahlung darstelle. Sein Ziel sei es, die Öffentlichkeit wachzurütteln, bevor es zu spät sei.

Albert Schweitzer (* 14. Januar 1875 in Kaysersberg bei Colmar, Elsass-Lothringen; † 4. September 1965 in Lambaréné, Gabun) war ein deutsch-französischer Arzt, Philosoph, evangelischer Theologe, Organist, Musik-wissenschaftler und Pazifist. Er gilt als einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts. – Schweitzer, der „Urwaldarzt“, gründete ein Kranken-haus in Lambaréné im zentralafrikanischen Gabun

Der Zünder einer Wasserstoffbombe ist eine kleine Atombombe. Es wird eine Kernfusion verursacht und die Explosion ist rund 1000 mal stärker als die Hiroshima-Bombe.

Die Wasserstoffbombe ist also eine Fusionsbombe, die auf einer unkontrollierten thermonuklearen Reaktion vornehmlich durch die Verschmelzung von Deuterium und Tritium sowie Lithium zu Helium beruht. Die schrecklichste aller Waffe wurde unter der Leitung von Edward Teller in den USA entwickelt und erstmals 1954 über dem BikiniAtoll im Pazifischen Ozean gezündet. Es gehört mit seinen insgesamt 23 Inseln zum Territorium der Marshallinseln. Das paradiesisch anmutende Atoll war früher Teil des amerikanischen Treuhandgebiets Pazifische Inseln.

Das Atoll wurde als Schauplatz zahlreicher Kernwaffentests der USA in den 1940er und 1950er Jahren bekannt. Ebenso ist der zweiteilige Bikini-Badeanzug nach ihm benannt. – Die Wasserstoffbombe mit dem Code-Namen Bravo (sic!) war die stärkste Bombe, die je von den USA gezündet wurde. Der Explosionskrater erstreckt sich über eine Breite von zwei Kilometern und ist 73 Meter tief.

Ihre Sprengkraft war weitaus stärker als erwartet. Selbst die Wissenschaftler und Militärbehörden waren von der Grösse der Explosion schockiert, und viele Instrumente wurden zerstört, die sie zur Bewertung der Wirksamkeit der Waffeeingesetzt hatten. Wie heisst es doch so schön: Denn sie wissen nicht was sie tun… Mit rund 15 Mega-Tonnen entsprach Bravo der Sprengkraft von etwa 1.000 Hiroshimabomben.

Neben dem zerissenen Bikini-Atoll wurden auch die bewohnten (!) Atolle Rongelap und Rongerik durch den starken radioaktiven Niederschlag kontaminiert. Rongelap gilt als das zweitgrösste Atoll der Erde und besitzt eine grosse Vielfalt an Korallenarten. 

Auf hoher See war das japanische Fischerboot Glücklicher Drache betroffen, dessen Besatzung verstrahlt wurde. Ein Matrose starb sofort. – In der Folge wurden Tests an sieben Teststellen am Riff selbst, auf dem Meer, in der Luft und unter Wasser durchgeführt.

Die Vereinigten Staaten waren von 1947 bis 1991 in ein nukleares Wettrüsten des Kalten Krieges mit der Sowjetunion verwickelt , um noch „bessere“ Bomben zu bauen. Die Zerstörungskraft der neuartigen Waffen hatten die Abwürfe von Little Boy und Fat Man über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki auf dramatische Weise unter Beweis gestellt.

„Little Boy“ – Baujahr 1945.

Die manifeste Perversion der Bomben-Bauer erkennen wir schon aus der Art und Weise, wie sie denn ihre Produkte und Projekte offenbar „liebevoll“ benannt haben.

Am 1. Juli 1946 starteten die US-Amerikaner eine Atomwaffen-Testreihe unter dem Namen Crossroads auf dem Bikini-Atoll, die traurige Weltberühmtheit erlangen sollte. Ziel der Tests war es herauszufinden, wie sich eine Atombombenexplosion auf einen Flottenverband auswirken würde. Zu diesem Zweck wurden mehr als 90 Schiffe in unterschiedlichen Abständen zum genauen Ort der Detonation platziert. Auch befanden sich zahlreiche Tiere an Bord der Schiffe, an denen die Wirkung der Strahlung effektiv am lebenden Organismus gemessen werden kann.

Für die betroffenen Inselbewohner beginnen Jahrzehnte medizinischer Tests und immer wieder neuer Umsiedlungen. Als die USA ihre Atomwaffentests auf den Marshallinseln in den 1960er-Jahren beenden, bringen sie die Bewohner zurück auf ihre Atolle.

Im Boden stecken jedoch viele radioaktive Stoffe, die von den Pflanzen aufgenommen werden. Für die Inselbewohner und ihre Ernten hat das gravierende Folgen. Seitdem haben sie endlose gesundheitliche Probleme: Wir haben hunderte von Frauen, die Fehlgeburten hatten. Wir haben Leukämie, wir haben Schilddrüsenkrebs, wir haben totgeborene Babys

 

Diese Atombombe wurde 27 Meter unter Wasser gezündet.

Albert Schweitzer warnte, die Menschheit würde auf eine Katastrophe hinsteuern, wenn die Atomtests fortgesetzt würden. Diese Katastrophe müsse unter allen Umständen aufgehalten werden. Wir können gar nicht anders handeln, weil wir die Verantwortung für die Konsequenzen nicht tragen können; unsere Nachkommen sind bedroht von der grössten und schrecklichsten Gefahr.

Elementary Mathematics

Ich habe soeben ein Mathematik-Brevier für Schüler oberer Klassen in Englisch geschrieben, was ich hier kurz vorstellen möchte.

Es beginnt ganz einfach – ist also auch für interessierte Anfänger gedacht.

Mathematics is a useful language, it is widely used in exact natural sciences as physics and its technical applications.

One field is the atomic science and its technical applications.

Atomic physics is the field of physics that studies atoms as an isolated system of electrons and an atomic nucleus. It is primarily concerned with the arrangement of electrons around the nucleus and the processes by which these arrangements change.

Since the second world war atomic nucleus can be artificially broken. It is the technique of the nuclear fission. It is used now in nuclear plants for producing electricity. But also for the terrible atomic bombs.

Atomic theory is the scientific theory that matter is composed of particles called atoms. Atomic theory traces its origins to an ancient philosophical tradition known as atomism. According to this idea, if one were to take a lump of matter and cut it into ever smaller pieces, one would eventually reach a point where the pieces could not be further cut into anything smaller. Ancient Greek philosophers called these hypothetical ultimate particles of matter atomos, a word which meant “uncut”. Instead of what we know today.

Without a lot of advanced mathematics for the here used understanding of the atoms as almost smallest particles of matter this would not have been possible!

Atomic model.

Uganda is not working with this technology. And we are glad: it is very dangerous because of its radioactivity. The radioactive radiation is not like sunlight; it can even go through thick walls made of concrete or cement. When radioactive radiation hits your body, you can get ill until death.

In Africa, only one country – South Africa – has a functioning nuclear reactor. So it profits from the nuclear power. But it also has the risk of big accidents.

In March 2011, a strong earthquake in Japan spawned a monster Tsunami that grossly incapacitated the Fukushima Daichi nuclear power plant. The resultant equipment failure and nuclear meltdown has once again ignited a heated debate on the safety of nuclear energy, with citizens of some countries with nuclear reactors clamoring for their shut down.

Nevertheless Uganda has called for partnership with China in the area of nuclear energy development for peaceful purposes.

Natur

Eine Erinnerung aus Frankreich – südliche Povence.

Lavendelfeld.

Wir gingen jeweils in den Herbstferien die ganze Familie mit dem Auto von Bern oder Winterthur aus ins malerische

Bormes-les-Mimosas.

Ein mittelalterliches Städtchen gebaut auf einem Hügel. Hier konnten wir bequem den Sommer etwas verlängern.

Nicht weit davon entfernt ist der herrliche Strand de l’estagnol.

La plage de l’estagnol ! Une des plus belles plages de sable blanc de la Méditerranée ! 475 m de long, sable fin, elle est recherchée pour sa pinède ombragée. Son lagon, apprécié pour son aspect sauvage, permet de marcher longtemps et facilite la baignade des tout petits. Accessible en voiture (parking payant).

Gewöhnlich trafen wir bei unserem Stammplatz am Strand auf andere uns bekannte Familien. Während die Kinder vergnügt in dem im Herbst angenehm warmen und im Inneren der Bucht nahe dem Sand seichten Wasser plantschten schritten wir Erwachsenen zu unserem rituellen Akt: 

Wir nahmen gemeinsam aus unseren Badetaschen die Gläser hervor und aus der Kühlbox eine Flasche Rosé. Nach dem Anstossen und Trinken folgte die Flasche der anderen Familie.  

Das war vor etwa 35 Jahren. Und laut Internet gibt es den Estagnol offenbar immer noch…

Das erste Bild eingangs des Blogs ist aus der Schweiz, dem hier südlichen Tessin.

Werbung – als ich 7 Jahre alt war.

In der Schweiz die Natur ist dominiert von den hohen Bergen zwischen dem Süden und dem nördlichen Mittelland.

The author – 10’000 feet high (Schilthorn).

Die Natur hat bekanntlich viele schöne Plätze.

Und wir? Wir sind halbewgs natürlich und eher auch Sklaven des Geldes. Geld regiert die Welt.

Der Materialismus ist eine erkenntnistheoretische oder ontologische Position, die alle Vorgänge und Phänomene der Welt auf „Materie“ und deren Gesetzmässigkeiten und Verhältnisse zurückführen will. Der Materialismus geht davon aus, dass selbst Gedanken, Gefühle oder das Bewusstsein Erscheinungsformen der Materie sind bzw. auf solche zurückgeführt werden können.

Gegenbegriffe zum Materialismus sind der Idealismus, für den nur Bewusstseinsinhalte und letztlich ihre Bilder bzw. Ideen eigentlich wirklich sind, sowie der Dualismus, für den das Physische und das Psychisch-ideelle zwei strikt voneinander getrennte, eigenständig existierende Seinsbereiche darstellen.

Das ist eine Art des Denkens, die wohl auf Lehrer und Schriftsteller wie Platon, aber auch den Philosophen, Mathematiker und Naturwissenschaftler Descartes zurückgeht, also mit ihm auf die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Er gilt als der Begründer des modernen frühneuzeitlichen Rationalismus, den Baruch de Spinoza, Nicolas Malebranche und Gottfried Wilhelm Leibniz kritisch-konstruktiv weitergeführt haben. Sein rationalistisches Denken wird auch Cartesianismus genannt. Von ihm stammt das berühmte Dictum cogito ergo sum, welches die Grundlage seiner Metaphysik bildet, doch ebenso das Selbstbewusstsein als genuin philosophisches Thema eingeführt hat.

Es entzündete sich an dem für das europäische Denken so typischen Zweifel und lautet somit eigentlich: ich zweifle, aber ich denke – also bin ich!

Seine Auffassung bezüglich der Existenz zweier miteinander wechselwirkender, voneinander verschiedener „Substanzen“ – Geist und Materie – ist heute als Cartesianischer Dualismus bekannt, und steht im Gegensatz zu den verschiedenen Varianten des Monismus sowie zur dualistischen Naturphilosophie Isaac Newtons, der die Wechselwirkung aktiver immaterieller „Kräfte der Natur“ mit der absolut passiven Materie lehrt (siehe dazu die Newtonsche Gesetze: Erstes Gesetz der Bewegung).

Für den materialistischen Schriftsteller, Gesellschaftstheoretiker, politischen Journalisten und Protagonisten der Arbeiterbewegung Karl Marx (1818-1883), der – zusammen mit Friedrich Engels – zum einflussreichsten Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft, der Religion und Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus wurde, basieren alle geistigen und sozialen Erscheinungen auf der objektiven Realität, die nach ihm allein die Materie sein kann: für Marx sind die Ideen und das Bewusstsein nur Reflexe der materiellen Wirklichkeit. Unter dem Materiellen versteht er so die Gesamtheit aller objektiv-realen Dinge und Prozesse einschliesslich der Beziehungen, Zusammenhänge und Verhältnisse in Natur und Gesellschaft.

Und China? Für das ursprünglich durchaus auf die Deutung und Gestaltung des diesseitigen Daseins gerichtete chinesische Denken, das zwar die Sphäre des Göttlichen und der Naturkräfte in sein universalistisches Weltbild einbezieht, aber keine Eschatologie und keinen Heilsweg für den selbstverantwortlichen Einzelnen kennt, sind die indischen Vorstellungen vom Karma, von der verdienten oder verschuldeten Wiedergeburt, von einem durch sie hindurch-, letztlich radikal über den Samsâra-Kreislauf hinausführenden Pfad zur Erlösung etwas gänzlich ungewohnt Willkommenes.

Nach der Zeit des Wandels oder Zeitenwende (nach 48) fasste aber die buddhistische Lehre in China Fuss, und mit ihr auch die buddhistische Kultur und Kunst. Da der Buddhismus eine universale Religion und Ethik lehrt, ist er frei von den eingewurzelten, allem Fremden gegenüber misstrauischen Ideologien und Traditionen Chinas.

Darüber ist so ausführlich zu sprechen, weil der Buddhismus bei seiner Wanderung durch Asien in China in eine kritische Situation gerät. Zum ersten Male nämlich trifft er auf eine Hochkultur mit einer alten Tradition und einer festgefügten Weltanschauung und Sozialstruktur, die seiner eigenen zunächst sehr fremd, in vielem sogar entgegengesetzt ist. Hätten sich nicht jenen Prozesse der Anpassung und Symbiose vollzogen und wäre der Buddhismus nicht so fähig zur Einfügung und zugleich zu geistiger Führung – und wären die Chinesen nicht so bereit zum kosmopolitischen Lernen und zur Harmonisierung des Fremden mit dem Eigenen gewesen, dann wäre vielleicht der Buddhismus als grosse geistige Macht niemals nach Ostasien gelangt, die Geschichte dieses Kulturkreises anders verlaufen und ein wichtiger Teil der buddhistischen Kunst und Kultur wäre nie geschaffen worden.

China schottete sich als Imperium stets weise und mit Erfolg nach Aussen ab: das Reich der Mitte genügte sich selbst. So war bis ins 19. Jahrhundert der Handel mit Ausländern durch Gesetze geregelt und hielt sich in den Grenzen, die es sich gesetzt hatte. Zudem herrschte in dieser Zeit noch der traditionelle Geist der Einheit, der die verschiedenen Volksstämme, auch die der Randprovinzen, zusammenhielt. Die finanzielle Lage und die Handelsbilanz waren ausgeglichen. Man exportierte Tee, Porzellan und die überall geschätzte Seide. Die Europäer mit Handelsstützpunkten in Kanton zahlten mit Silber. Da die Chinesen keinen nennenswerten Import benötigten, war vor allem für England ein Handelsdefizit voraussehbar. Indien war zu dieser Zeit eine ertragreiche Kolonie geworden und die ansonsten hochkultivierten englischen Handelsgesellschaften begannen, das dort produzierte Opium nach China einzuführen (sic!). Für das Reich der Mitte begann damit ein katastrophaler Abschnitt in ihrer langen, reichen und meist friedlichen Geschichte.

Die betroffene Bevölkerung fing an unter der ihr fremden Suchtdroge zu leiden und sich ausserdem für die Regierung ein gewaltiges Handelsdefizit aufzubauen. Da aber für England wegen der chinesischen Einfuhrbeschränkungen trotzdem keine rechten Handelserträge zustande kamen, wurde 1840 unter dem Vorwand der Handelsfreiheit und exterritorialen Gerichtsbarkeit für englische Untertanen in China der Krieg erklärt. Dies kann als das typische Verhalten einer Minderheit machtbesessener und so stets expansiv denken- und handelnder Männer im Zeichen der neomaskulinen Revolution, wie wir es nennen, angesehen werden. Der nun ausgebrochene sogenannte Opiumkrieg machte den Chinesen erstmals ihren technischen Rückstand in Wirtschaft und Rüstung deutlich. Ihre Niederlage 1842 war so beklagenswert kummervoll und entsetzlich schmerzhaft wie vollständig. Der noch im selben Jahr ihnen aufdiktierte Friede und die in den folgenden Jahrzehnten mit den europäischen Grossmächten, Japan und den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Handels- und Pachtverträge – die sogenannt friedliche Variante der neomaskulinen Revolution – liessen das Imperium China auf den Status einer halbkolonialen Macht herabsinken. (sic!)

Und wir? Unter anderem haben allerlei Auswüchse, die mit sozialen und wirtschaftlichen Krisen verbunden waren, letztlich auch zu einer gigantischen Zerstörungsmaschinerie geführt, der wir bekanntlich zwei Weltkriege verdanken. Diese forderten Millionen und Abermillionen von Menschenleben und haben viele Gütermilliarden, angefangen bei den Häusern und Städten, für immer zerstört. Ein Vorgang, den wir ganz drastisch im Bild und ganz normal bis heute tagtäglich am Fernsehen als „Nachricht“ zwischen Nachtessen und abendfüllender „Unterhaltung“ serviert bekommen: Krieg.

Überdies hinterlässt die neuzeitliche Ausbeutung und Zerstörung der Natur irreversible Umweltschäden, deren Folgen für uns alle nun laufend geographisch umfassender und schwerwiegender werden.

Der Phantasie und Möglichkeiten sind auch hier keine Grenzen gesetzt. So soll die Verschwendung von Nahrungsmitteln weltweit ein absurdes Ausmass angenommen haben. „Ein Bericht der Uno nennt Zahlen und zeichnet ein düsteres Bild der Konsequenzen für die Umwelt. Dennoch leiden weiterhin viele Menschen an Hunger.“ (NZZ, 11.9.2013, dpa/afp/Reuters)

Ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel geht jedes Jahr verloren. Gemäss einem Bericht der Uno werden jährlich 1.3 Milliarden Tonnen Lebensmittel verschwendet. Entweder weil sie schon während der Produktion verloren gehen, oder weil sie später nicht konsumiert und weggeworfen werden. Der Wert der vergeudeten Lebensmittel entspreche dem Bruttoinlandprodukt der Schweiz, sagte José Graziano da Silva, Generaldirektor der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), in Rom. Der Verlust koste die Weltwirtschaft jährlich 700 Milliarden Franken. Gemäss der Studie verbraucht die Produktion von Lebensmitteln, die später nicht verzehrt werden, jährlich etwa 250 Kubikkilometer Wasser. Das entspricht dem fünffachen Volumen des Bodensees. Zudem entstünden bei der Herstellung jährlich Treibhausgase, die der Wirkung von 3.3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid entsprächen. Zusätzlich zu den Folgen für die Umwelt sei diese Verschwendung auch moralisch nicht vertretbar: Wie können wir es zulassen, dass ein Drittel der Nahrungsmittel, die wir produzieren, verschwendet wird oder verloren geht, während täglich 870 Millionen Menschen hungern? Dabei ist es nicht schwer, auch nicht in der reichen Schweiz, auf der Strasse Personen zu begegnen, die in Mülltonen wühlen, um für sich nach weggeworfenen Nahrungsmitteln zu suchen.

Scott’s Head auf der Insel Dominica.

Es wird gesagt, dass die Insel Dominica in den Kleinen Antillen (West Indies) noch jetzt am ehesten aussieht wie Kolumbus erstmals Amerika gesehen hat, als er dort mit seiner Karavelle landete. Noch heute heisst die Region ‚Westindien‘ – weil er ja damals auf dem vermeintlichen Weg nach Indien unterwegs war.

Emerald Pool auf Dominica.

Ich vergesse nie, als ich auf Dominica vor vielen Jahren zum ersten Mal im Regenwald spazieren ging. Es ist ungefährlich, weil es hier keine grössere wilden Tiere gibt. Ursprünglich – bevor es englische Kolonie für den Anbau von Zucker und die Produktion von Rum wurde – gab es hier noch eine Urbevölkerung. Heute ist sie nur noch in geschützten Reservaten zu finden.

Keine gefährliche, aber schöne Tiere!

Weg zum Emerald Pool.

Ich ging auch nach Dominica, weil ich in meiner Tageszeitung las, dass es hier den besten Rum der Welt gibt.

Sitz und Haus eines kolonialen Produzenten. Einheimische schufteten wohl für sie und ihren materiellen Reichtum.

Heute verdienen hier auch freie Fischer ihr Geld.

Das Wasser ist praktisch überall glasklar. Was wir etwa beim Schnorcheln am Scott’s Head mit geradezu phantastischer Sicht erkennen konnten.

Guten Appendit!

Hier treffen sich der bewegte Atlantik und die stille Karibische See.

Die Hauptstadt ist Roseau. Ihre Name stammt noch aus einer Zeit als noch die Franzosen da waren (wie auf den Nachbarinseln). Wenn die grossen Kreuzer für einen kurzen Besuch landen, werden die Häuser optisch fast erdrückt.

Durch Roseau zieht ein Fluss. Das Gebäude vorne am Fluss, links neben dem modernen Bau rechts ist die Post. An der Strasse links von der Post erkennen wir ein Haus im alten Kolonialstil mit dem dafür so typischen Holz-Balkon.

Eher zu empfehlen als die leider umweltvermutzenden Kreuzfahrten ist Segeln in der Caribbean See.

Oh du liebe Natur! Dass wir nur zu ihr gebührend Sorge tragen, so dass auch unsere Kinder sie noch geniessen können…

Natürlich war ich auch auf Guadelupe. Wir benutzten dort ein Mietauto. Als ich dort auf einer flotten Tour auf kurvenreicher Strasse von einem Polizisten angehalten wurde – und meine Partnerin neben mir mich schon vorwurfsvoll anblickte – meinte er jedoch nur: ah, les étrangers on ne touche pas…

An einem Ort mit dem bezeicnenden Namen Bouillante hielten wir an. Hier gibt es eine Stelle an der Felsküste wo eine Warmwasserquelle wohl vulkanischen Ursprungs ins Meer geht. Hier hockten denn auch ein paar Leute vergnügt im angenehm erwärmten Meerwasser. Natürlich taten wir das auch.

Das eindruckvollste Erlebnis von derartigem Vulkanismus erlebten wir jedoch zuvor in Dominica. Hier gibt es nämlich den weltweit grössten kochenden See: the Boiling Lake.

Ich bin während Aufenthalten in Dominica zweimal zu dieser Sehenswürdigkeit hochgestiegen. Einmal mit einem hier lebenden deutschen Ingenieur und einmal mit meiner Partnerin allein: ohne Führer. Im feuchtwarmen karibischen Klima gewiss kein leichtes Unterfangen. Denn um den kochenden Kratersee zu erreichen geht es steil hoch und dann mehrmals wieder ein Stück hinunter, so auf und ab. Alles was man trinkt tropft an einem als Schweiss wieder ab.

Bevor man den See erreicht geht es durch das Valley of Desolation mit Schwefelgestank und kochend heraus sprudelnden Fumarolen. Die Steine sind teils so heiss, dass man auf ihnen Spiegeleier machen könnte wie mein Freund bemerkte. Wir wähnten uns kurz vor dem Eingang zur Hölle.

So gut wie auf diesem Bild sieht man den See allerdings selten. Als ich erstmals da war, war alles dicht von Dampfwolken eingehüllt. Jedoch mit meiner Partnerin einmal oben am Krater kam nach einem Regenguss plötzlich ein starker Wind und fegte allen Dampf weg und gab den Blick hinab frei! Glück muss man haben.

Beim Abstieg war ich so durstig, dass ich mich kurzerhand in einen Fluss legte und dabei das klare, kühle Wasser trank.

Auch in der Schweiz gibt es solche – hier allerdings kommerzialisierte Warmwasserquellen. Z.B. in Schwefelbergbad oder in Schuls Tarasp.

Ich war auch auf Cuba – eine Insel der Grossen Antillen. Nicht nur, weil man hier die schöne Sprache Spanisch spricht (was ich leider bis auf ein paar Brocken nicht kann) und weil es dort die besten Zigarren der Welt gibt. Wir 68er verehrten selbstverständlich den Helden Che – den Arzt und Revolutionär Che Guevara.

Das schönste Tal von Cuba – mit vielen Frucht-, Gemüse- und besonders Tabackpflanzen – ist Vinales.

Die Hauptstadt von Cuba ist La Habana – insbesondere seit die Amerikaner von den Einheimischen hinaus geworfen wurden.

Cuba – the pearl of the Caribbean. Eine Meinung, die ich jedoch nicht unbedingt teile.

Kuba liegt in den Randtropen, was jahresdurchschnittliche Temperaturen von 25 Grad Celsius mit sich bringt. Im Gegensatz zu den grossen Antilleninseln wie Jamaika und Haiti, die überwiegend gebirgig sind, wird Kuba überwiegend von weiten Ebenen durchzogen und nur von kleineren Gebirgszügen unterbrochen. 

Zur ursprünglichen Vegetation Kubas gehören umfangreiche regengrüne Feuchtwälder, Savannen und Mischwälder. Die Wälder wurden zum grossen Teil aus wirtschaftlichen Gründen abgeholzt (Schiffsbau) und auch zur landwirtschaftlichen Nutzung durch den Bau von Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen gerodet.Aufforstungsprogramme zeigen erste Erfolge.

Fragt man Touristen nach den Eindrücken, die sie von der Pflanzenwelt auf Kuba haben, werden immer die Früchte tragenden Bäume genannt, besonders Zitrus- und Orangenbäume gedeihen in diesem Klima prächtig, aber auch Mangos, Papayas und viele mehr.

Ich lebe nun in Uganda, the Pearl of Africa, as Winston Churchill said.

Abstraktion: Kreis und Gerade

Kreis und Gerade sind geometrische Abstraktionen – die es so in der Natur und Wirklichkeit nicht gibt. Die mit Zirkel und Lineal konstruierten Figuren sind nur Annäherungen; sie entsprechen nicht dem Ideal.

Die Abstraktion ist eine Macht, die heute im Westen noch stärker wirkt als die Religion. Sie hat in Gestalt der Mathematik die grundlegende Sprache und das spezifische Ausdrucksmittel für die moderne Naturphilosophie hervorgebracht, vorab für die exakten empirischen Wissenschaften Statistik, Physik, Chemie, aber auch Biologie und Ökonometrie.

Karl Marx schreibt im Vorwort zur ersten Auflage, datiert mit London, 25. Juli 1867, des 1. Bandes von Das Kapital: Aller Anfang ist schwer, gilt in jeder Wissenschaft. Das Verständnis des ersten Kapitels, namentlich des Abschnitts, der die Analyse der Ware enthält, wird daher die meiste Schwierigkeit machen. Was nun näher die Analyse der Wertsubstanz und der Wertgrösse betrifft, so habe ich sie möglichst popularisiert. Die Wertform, deren fertige Gestalt die Geldform, ist sehr inhaltslos und einfach. Dennoch hat der Menschengeist sie seit mehr als 2’000 Jahren vergeblich zu ergründen gesucht… Bei der Analyse der ökonomischen Formen kann weder das Mikroskop dienen noch chemische Reagentien. Die Abstraktionskraft muss beide ersetzen. Für die bürgerliche Gesellschaft ist aber die Warenform des Arbeitsprodukts oder die Wertform der Ware die ökonomische Zellenform. Dem Ungebildeten scheint sich ihre Analyse in blossen Spitzfindigkeiten herumzutreiben… aber nur so, wie es sich in der mikrologischen Anatomie darum handelt.

„Der Physiker beobachtet Naturprozesse entweder dort, wo sie in der prägnantesten Form und von störenden Einflüssen mindest getrübt erscheinen, oder, wo möglich, macht er Experimente unter Bedingungen, welche den reinen Vorgang des Prozesses sichern. Was ich in diesem Werk zu erforschen habe, ist die kapitalistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden Produktions- und Verkehrsverhältnisse. Ihre klassische Stätte ist bis jetzt England. Dies der Grund, warum es zur Hauptillustration meiner theoretischen Entwicklung dient. … Das industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eignen Zukunft.“

Inzwischen schreitet die Mathematisierung der Wissenschaften in unvermindertem Tempo voran. Die mächtige Veränderung des Denkens spielte sich, wie wir sehen werden, vorerst noch langsam und ganz im Stillen, abseits vom Alltag in einsamen Klöstern und Studierstuben, dann vermehrt auch an Universitäten in gelehrten Kreisen ab.

Doch plötzlich, spätestens nach Einsteins Theorie der Lichterzeugung und Lichtabsorption und seiner Theorie der spezifischen Wärme des Diamanten, die im Umkreis des historischen Sternjahres 1908 entsteht und Basis für die quantentheoretische Behandlung der Schwingungen im festen Körper schafft, erscheint innert weniger Jahre die Quantentheorie als ein völlig neues, nicht mehr klassisch denkendes Teilgebiet der Physik.

Die neue Theorie basiert auf der Grundlage einer durchgehend formalisierten, sehr hochstehenden Mathematik – der sogenannten Funktionentheorie und Wahrscheinlichkeitsrechnung.

In der Mathematik, bisweilen auch in der Philosophie der Moderne und NaturPhilosophie wird gern von jeder Beziehung (religio, Relation) zu einem natürlichen oder wirklichen Träger abgesehen und damit eine Art metaphysischer Formbegriff stipuliert, der gewissen Absichten der Kirche und Religion recht nahe kommt.

Diese Betrachtungsweise sieht die Form vollkommen losgelöst von ihrem realen Hintergrund, und spricht etwa von der reinen mathematischen Struktur. In klassischer Sicht ist eine derartige Verabsolutierung der Form allerdings nur bei den sogenannten reinen Vollkommenheiten – wie ‚Gott‛ – anwendbar. Können solch reine Vollkommenheiten, etwa die im 19. und besonders auch im 20. Jahrhundert nach und nach aufgefundenen mathematischen Strukturen, ohne einen Träger wirklich sein?

Sie wären dann identisch mit dem selbständigen, oder wie man auch sagt, subsistierenden Sein, dem nur In-sich-selbst-existieren, sogenannt reinen Geist. Dieses metaphysisch Abstrakte soll, so behaupten einige Philosophen und Mathematiker, sogar das Allerrealste sein – was allerdings erst durch Schlussfolgerung erkannt wird, die nicht von allen nachvollzogen und bestätigt werden kann.

Vielleicht unterliegen jene damit dem Irrglauben, sich mit der göttlichen Allmacht und Allwissenheit identifizieren zu wollen – das ist aber, wie der Psychoanalytiker und Professor für Psychosomatik Horst Eberhard Richter hervorhob, des Menschen Gotteskomplex. Andererseits ist wohl richtig und wahr, dass die vollständige menschliche Erkenntnis über das Vehikel oder Momentum der Abstraktion uns zur tieferen Erfassung des Konkreten zurückführt.

Ekliptik-Ebene, mit den Planeten auf Kreisbahnen um die Sonne.

Als mögliche Bahnen von Planeten, Kometen… in der Himmelsmechanik – sogenannte Keplerbahnen – kommen Kreise, Ellipsen, Parabeln und Hyperbeln in Frage. Das sind die Raumformen der klassischen Kegelschnitte. Bei Kreisen und Ellipsen sind die Körper aneinander gebunden wie die Planeten an die Sonne. Ist die Bahnform dagegen parabolisch oder hyperbolisch, so findet nur eine (allenfalls später wiederholte) Begegnung statt, wie dies z.B. bei Kometen der Fall ist.

Der Kreis ist hier nur ein Spezialfall. Als Tangente im gemeinsamen Punkt (links) der hier gezeigten Kegelschnitte hätten wir eine Gerade.

Abstrakt sind Vorstellungen immer dann, wenn ihnen keine sinnliche Anschauung zugrunde liegt oder wenn sie ihren Gegenstand ohne die individuellen Merkmale eines einzeln, konkret wahrnehmbaren Objekts darstellen. Abstrakte Vorstellungen dienen entweder der Übersicht schaffenden Einteilung und Klassifizierung, indem der Verstand durch Absehen von Besonderungsmerkmalen zu allgemeinen Begriffen fortschreitet, oder mittels der Erkenntnis zum logischen Aufbau der Begriffe und metaphysischen Aufbau der Wirklichkeit.

Das erfolgt indem der Verstand, vom Träger absehend, die formgebenden Bestandteile aussondert. Abstrakte Vorstellungen sind demnach entweder Allgemeinbegriffe, die noch konkret sind, insofern sie aus dem Träger oder Subjekt in Sinn und Bedeutung zu einer letztlich bloss gedachten Form zusammenwachsen, oder reine Formbegriffe, die somit die Form selbst zum Inhalt haben – ohne einen konkret-materiell begriffenen Träger.

Dabei ist unter Träger oder Subjekt dem Wortsinn nach stets die zugrundeliegende „tragende“ Wirklichkeit zu verstehen. Die Abstraktion vom Träger ist aber nicht überall dieselbe. Im physischen Formbegriff wird wenigstens noch die Beziehung zu einem (wenn auch unbestimmten, variablen) Träger mitgedacht, weil z.B. die physische Form wesentliches Bestandstück eines Konkretums ist – wie etwa die Rundung am Runden.

Im metaphysischen Formbegriff hingegen wird auch von jeder Beziehung zu einem Träger abgesehen. Diese metaphysische Betrachtungsweise zielt also auf die Form als solche, „rein an sich“ gedacht und das ist nicht ohne weiteres anwendbar. Denn nichts ist, das nur causa formalis wäre, und nicht in der Welt auch eine materiale Ursache oder Seinsweise (causa materialis) hätte.

Ist nun aber das, was etwa dem Wort ‚Engel‛ oder ‚höchsten Gut‛ zugrunde liegt, konkret erfahrbar oder nur abstrakt? Es gibt Personen, die bezeugen, die Gegenwart eines Engels realiter erfahren zu haben. Aber auch solche, wie Epikur, die uns recht gut erklären und es plausibel machen, was unser höchstes Gut sein könnte.

Weniger problematisch ist es mit Begriffen wie ‚Farbe‛ – weil hier schon mehr Einigkeit über die Erfahrung besteht, auch wenn sich nur wenige vorstellen können, wie dieser optische Reiz auf der Netzhaut wirklich entsteht. Indes können wir uns das Sonnenlicht, welches das ganze Spektrum der Regenbogenfarben enthält, einfach als ein gewöhnlich weisses Gemisch von Wellen sehen, die einzeln ausgesondert verschiedene Farben haben – je nach der Frequenz ihrer Schwingungstätigkeit.

Der Autor – als er noch jünger war,

Schopenhauer, der in Deutschland wohl als Erster die feinen Untersuchungen der Engländer über diese Frage weiterführte, erkannte den psychologischen Charakter des ganzen Vorgangs sehr gut und er sah auch, dass zwischen konkreten und abstrakten Begriffen nur ein Gradunterschied besteht.

Auch die sogenannt konkreten Begriffe sind aber als solche immer noch abstrakt und für sich keineswegs anschauliche Vorstellungen – und jedes noch so abstrakte Konstrukt bedarf begrifflich wie gesagt letztlich stets eines Konkretums, auf das es referiert, um überhaupt verstehen zu können, von was denn hier die Rede ist.

In der Arithmetik ist Potenzieren bekanntlich eine mathematische Rechenoperation, die hier noch über die elementaren Verknüpfungen der Addition und Multiplikation hinausgeht.

Für den deutschen Idealisten Schelling ist Potenz ein geradezu grundlegender Begriff seiner Philosophie sowie in der Theorie formaler Sprachen steht das Wort Potenz für die Verkettung eines Wortes mit sich selbst.

In der Pharmakologie wiederum ist Potenz ein Mass für die Wirkstärke eines Pharmakons – und Potenzieren in der Homöopathie der Grad der Verdünnung eines seiner effektiv heilenden Schüttelextrakte. Die analgetische Potenz schliesslich bedeutet den (Schul-)Medizinern den Effekt der schmerzstillenden Wirkung eines ihrer Präparate oder besser rein industriell hergestellten Medikamente, während ökologische Potenz nichts anderes als die Anpassungsfähigkeit von Organismen oder Ökologiesystemen gegenüber Umweltveränderungen ist – dazu gehört wohl auch unser Umgang mit dem sozialen Anpassungsdruck, der von der Gesellschaft auf das einzelne Individuum ausgeht.

Dabei kann ausserdem zwischen aktiver und passiver Potenz unterschieden werden. Die passive Potenz bedeutet die Empfangsmöglichkeit einem Akt gegenüber. Passive Potenz hat zum Beispiel ein Stück Lehm, das zu einer Vase geformt werden kann. Die aktive Potenz bedeutet das Vermögen, selbst einen Akt hervorzubringen. Aktive Potenz hat zum Beispiel eine Künstlerin, die aus einem Stück Lehm eine Vase oder einen Krug formen und zudem hübsch verzieren kann.

Sowohl aktive wie passive Potenz betrifft die ontologisch sachhaltige Zuschreibung konkreter Vermögen und soll insofern mehr als rein logische Möglichkeit sein. Ein Sachverhalt sei nämlich schon dann logisch möglich: in der „Wahrheitstabelle“ mit ‚w’ bewertet, wenn sein Gegenteil – die Negation ¬ w = f – nicht logisch notwendig ist; eine Potenz kommt einer Sache aber nur dann zu, wenn die aktuale Welt so eingerichtet ist, dass die Sache ein Vermögen zu einem entsprechenden Akt besitzt.

Für Aristoteles hat die Wirklichkeit eine ontologische Priorität vor der Möglichkeit. Eines der Argumente für diese Position ist, dass die Realisierung je bestimmter Veränderungen nicht erklärbar wäre, wenn nicht jeweils ein Prinzip vorausgesetzt wird, das diese Veränderung verursacht. Da eine unendliche Reihe von Aktualisierern ausserdem undenkbar ist, nimmt Aristoteles als erstes Prinzip seiner Kosmologie einen unbewegten Beweger an – offenbar ein Paradox, nicht etwa nur eine ungeformte Materie mit Potenz zur Veränderung.

Dieses erste Prinzip bezeichnet er ausserdem als nur auf sich selbst bezogenes Denken (wir kennen es als ‚Selbstreferenz‛). Zugleich sei es mit der „vollkommensten Art der Bewegung“ verbunden, der Kreisbewegung. Gott bzw. seine Vernunfttätigkeit, Logos, ist „wirkliche Tätigkeit“. In diesen Ausgangslagen hat der scholastische Begriff des Wesens Gottes als „reiner Akt“ (actus purus)wie z.B. auch die Idee der unbefleckten Geburt – seinen Ursprung. Ebenfalls in Rückgriff auf Aristoteles hat Wilhelm von Humboldt Sprache als energeia verstanden, also als selbstreferent wirkende Kraft – weit entfernt von einem statischen System, vielmehr eben doch in sich dialektisch.

Unter Potenz im modernen quantenphysikalischen Beschrieb der Welt von Elementarteilchen – der Elektronen bzw. den äusserst kurzlebigen Quarks und Antiquarks in hochenergetisch-künstlich erzeugten Zweijetereignissen, somit den nach Wechselwirkungen des Standardmodells hypothetischen Trümmerteilchen von Protonen -, ist aber die nunmehr bloss mathematische Möglichkeit bzw. Unschärfe im Geschehen zu verstehen.

Die Wahrscheinlichkeit ihres räumlichen Aufenthalts oder erwirkten Impulses ist im Grunde nicht beobachtet, sondern folgt schon aus dem mathematischen Formalismus der Quantentheorie selbst. Was wir messen können sind nur statistische Grössen in Bezug auf statistische Gesamtheiten sogenannt gleicher Teilchen. Dabei haben wir immer auch mit statistischen Ausreissern zu rechnen, wenn nämlich der angewendete Formalismus nicht genügend robust ist.

Der statistische Erwartungswert so gemessen als arithmetisches Mittel, oder auch das Mass, was ihm der Median als einer unter möglichen statistischen Durchschnitte im weiter entwickelten Kalkül gibt, hat hier längst ausgedient. Schon die elementaren Mittel – z.B. das von 10, 12, 14, 20 ermittelte harmonische Mittel: 13.125… oder geometrische Mittel: 13.54… – neben dem altbekannten arithmetischen = 14 bzw. dem etwas grösseren quadratischen Mittel ≈ 14.49 – sie alle haben in der speziellen Geometriedes Raumes ihren guten Grund, wenn dies auch heute von den Sachkundigen kaum mehr zur Kenntnis genommen und in den eigentlich rational-wirklichen Zusammenhang gestellt wird.

Dennoch sind in der neueren Mathematik die Untersuchungen im BMO-Raum ein Objekt aus der harmonischen Analysis, wobei die Abkürzung BMO für bounded mean oscillation steht. Der Funktionenraum BMO wurde 1961 von Fritz John und Louis Nirenberg eingeführt. Dieser mathematische Raum ist ein Dualraum zum reellen Hardy-Raum (Charles Fefferman, Elias Stein 1972) und er wurde vom mathematischen Lehrer des Autors, Prof. Dr. H. M. Reimann, weiter untersucht. Hardy-Räume sind Entsprechungen der Lp-Räume in der Funktionalanalysis.

Was sind die oben erwähnten Zweijetereignisse, aus denen hochenergetischkünstlich Elementarteilchen erzeugt werden, somit z.B. die nach Wechselwirkungen des Standardmodells hypothetischen Trümmerteilchen von Protonen? Sie sind wichtig für die Erforschung der Atome und natürlich auch der Atomkern-Spaltung. Daher konnten schliesslich so schreckliche Waffen wie die Atombombe und die H-Bombe gebaut werden.

Die Bombe und die theoretische Ausarbeitung der Quantentheorie ging allerdings den „Nachfolge-Experimenten“ mit den sündhaft teuren Riesenmaschinen bevor – sie waren auch ein Erbe des US-amerikanischen Baus der Atombombe. Vergessen wir aber nicht: Die Theorie macht die (militärisch-)technische Praxis erst möglich.

Die Teilchen-Beschleuniger – das sind unterirdisch, d.h. im Versteckten angelegte Riesen-Ringe -,  funktionieren im Prinzip auf mechanisch-magnetischer Basis. Der z.B. von Cern: der Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (auch Organisation Européenne pour la Recherche Nucléaire), der Europäischen Organisation in Genf für Kernforschung durch 21 Mitgliedstaaten finanzierte gigantische kreisförmige „Speicherring“ hat eine UmfangsLänge von 27 km und ist zwischen 50 und 175 Meter unter der Erdoberfläche angelegt.

Die Cern-„Grundlagenforschung“ beschäftigte schon 2011 etwa 3’200 Mitarbeiter und ist so das weltgrösste Forschungszentrum auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Ihr Renommee ist gross: über 10’000 Gastwissenschaftler aus 85 Nationen arbeiten an „CERN-Experimenten“. Das Jahresbudget belief sich 2014 auf ungefähr 1.11 Milliarden Schweizer Franken.

Mit dem übergrossen Teilchenbeschleuniger werden Elementar-Teilchen, z.B. Elektronen, auf einer Kreisbahn auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Teilchendetektoren – optisch äusserst beeindruckend – werden sodann die Flugbahnen der bei den Kollisionen entstandenen Teilchensplitter und ihre Energien rekonstruiert, woraus sich wiederum Rückschlüsse auf die Eigenschaften der kollidierten sowie neu entstandenen Bruchteilchen (Bosonen etc.) ziehen lassen sollen.

Dies ist mit einem enormen technischen Aufwand für Herstellung und Betrieb der Anlagen sowie mit extremen Anforderungen an die Rechnerleistung zwecks (statistischer) Datenauswertung verbunden.

Auch die hohen Militärs – und mit ihnen nicken die Politiker – haben ein Interesse daran: es ist potentiell Know how für den Bau künftiger Horror-Waffen. Die wissenschaftliche Fehlleistung wie auch der wirtschaftlich-militärische Unsinn entwickelte sich wie gesagt nach dem (zweifelhaften) Erfolg, den die Amerikaner mit dem Bau und Abwurf erster Atombomben für sich buchten (sic!).

Das weltweit führende Zentrum, grösstenteils unter dem „politisch neutralen“ Schweizer Boden, wird von den Europäern wie gesagt als Cern in Genf betrieben das heisst in der im Krieg verschont gebliebenen und politisch sicheren Schweiz – indes im Frankreich nahestehenden französisch sprechenden Teil.

Wir möchten zusammenfassend folgende Punkte hervorheben:

  1. Die moderne Naturwissenschaft zeichnet sich in ihren Anfängen bis Newton durch eine bewusste Bescheidenheit aus; sie macht über streng begrenzte Zusammenhänge und Bereiche Aussagen, die nur im Rahmen dieser Grenzen Gültigkeit haben.
  2. Im 19. und 20. Jahrhundert geht diese Bescheidenheit weitgehend verloren. Die Erkenntnisse der Physik werden als Aussagen über die Natur als Ganzes betrachtet. Die Physik will Philosophie sein und verschiedentlich wird gefordert, dass jede wahre Philosophie Naturwissenschaft sein müsse.
  3. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts macht die Physik indes nochmals einen grundsätzlichen Wandel durch; als dessen hervorstechendster Zug erscheint uns die deutliche Abkehr von aller Anschaulichkeit. Dazu kommt das Hantieren mit gefährlich radioaktiven Substanzen und künstlich überhöhten Energien, die selbst auch als Waffen genutzt werden können.

Diephilosophische Einheit der Physik kann aber nur dadurch gewahrt bleiben, wenn sie sich ihrer Grenzen ebenso deutlich bewusst wird. Die teils grossartigen Entdeckungen der Eigenschaften einzelner Naturphänomene waren und sind nur möglich, indem man ihr Wesen noch nicht allzu abstrakt verallgemeinernd im voraus anschaulich fasst. Nur dadurch, dass die Physik zugibt, dass sie nicht weiss, was etwa Licht, Atome, Materie – geschweige denn Natur und Leben – im Grunde ihrer Natur bzw. ihrem letzten Wesen nach sind, gelangt sie zu verstandesmässig und (im Sinne Kants) auch ethisch vernünftigen Ergebnissen. Das heisst zu Natur-Erkenntnissen, die uns dann zu wirklichen philosophischen Einsichten überzuleiten vermögen.

Wie kommentierten wir doch schon gegen Ende unseres 1. Buches: denn sie wissen nicht was sie tun

In einer Beziehung scheint der berühmte Lebniz einen entscheidenden Einfluss auf die Logik ausgeübt zu haben: nämlich in der Ausbildung der Idee der mathematischen Logik und der zentralen Begriffe des „Inhalts“ und der „Ausdehnung“. Denn diese beiden philosophischen Begriffe sind – ohne feste Terminologie aber sehr klar – bei Leibniz vorhanden.

Doch sind sie im Grunde älter: Die Ausdrücke Inhalt (compréhension) und Ausdehnung (éten­due) finden wir zum ersten Male in der Logique du Port Royal und die scholastische Suppositionslehre besitzt in ihrer Theorie der einfachen und personalen Supposition ein Gegenstück dazu mit einer ausgearbeiteten Terminologie. Die „Supposition“ betrifft bekanntlich Termini, also Allgemeinbegriffe, wie sie beispielsweise im Syllogismus vorkommen. So ist etwa in dem Satz: homo est animal, „der Mensch ist ein Sinnenwesen“, sowohl „homo“ als auch „animal“ ein Terminus (Begriff).

Die die mittelalterlichen Logiker so wichtige „Supposition“ betrifft bekanntlich Termini, also Allgemeinbegriffe, wie sie beispielsweise im Syllogismus vorkommen. So ist etwa in dem Satz: homo est animal, „der Mensch ist ein Sinnenwesen“, sowohl „homo“ als auch „animal“ ein Terminus. Es werden nun die folgenden Arten von Supposition unterschieden:

  • suppositio materialis – materiale Supposition: Ein Terminus steht für diesen selbst bzw. für das Wort, das den Terminus bildet. Beispiel „homo est nomen“ – „‚Mensch‘ ist ein Nomen“. Hier steht der Terminus „homo“ für das Wort ‚homo‘ selbst. Mit ‚Mensch‘ ist also gleichsam der „Inhalt“ bzw. materielle Begriffsinhalt des betreffenden Begriffs gemeint. Wie etwa, wenn wir eine mathematische Menge material definieren als M := {x; für alle x gilt: „x ist ein Mensch“} bzw. – ausgehend von ℕ = {1, 2, 3, …} die gleiche Menge der sogenannt natürlichen Zahlen ganz anders verstehen als ℕ := {n’; n’ = n + 1} – d.h. jede natürliche Zahl n, beginnend bei 1 oder 0, hat einen „Nachfolger“ n’ der Form n + 1; (vgl. hierzu auch unser 1. Buch).

Und andererseits die

  • suppositio simplex – einfache Supposition: Ein Terminus steht für den durch ihn bezeichneten Begriff. Beispiel „homo est species“ – „Der Mensch ist eine Art“. Der Terminus „homo“ steht hier für die menschliche Art als solche. Gleich wie wir etwa in der Physik von der „Zeit“ t oder „Ort“ s sprechen. Die beiden Buchstaben s und t stehen hier für die physikalische Art bzw. Grösse Zeit (time) und Raum (space) als solche.  

Schliesslich die

  • suppositio personalis – personale Supposition bezeichnet den häufigsten Fall, nämlich dass ein Terminus für seine Einzelinstanzen steht, also beispielsweise „Mensch“ für die einzelnen Menschen. Der Terminus „homo“ spricht dann gleichsam die „Ausdehnung“ dieses Begriffs an. Wie etwa, wenn wir eine Menge definieren als ℕ := {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, … n, n+1, …}, d.h. die der natürlichen Zahlen durch einzelnes Aufzählen ihrer Elemente {x1, x2.., x3, … xn, xn+1, …} – soweit dies für (unendliche) Mengen überhaupt möglich ist. – Diese unendliche Zahlenfolge stellen wir uns auf der Linie vor, d.h. augehend von einem Anfangspukt auf einer Geraden, die bis ins Unendliche geht.

Was die Zahl theoretisch und was der Zählprozess für uns praktisch bedeutet, über das machen wir uns in der Regel kaum mehr Gedanken. Vielleicht ist das auch gar nicht möglich, weil die Wurzeln, die uns zu diesem für das Leben des Menschen überaus wichtigen Prozess oder doch wenigstens in seine Nähe führen würden, längst verschüttet sind. Und doch lernt jedes Kind in seinem jungen Leben einmal wenigstens die ersten Anfänge einer Fingerbewegung, die erstes Zählen und Rechnen bedeutet – und wendet sie also dann, einmal gut begriffen, auch in der Praxis gedankenlos an. Aus dieser Bewegung, die zugleich eine äussere praktisch und gedanklich innere ist, entstehen die natürlichen Zahlen oder zumindest gewisse Teilmengen von ihnen.

Eingeborene, die in Afrika, Amerika, Australien und Ozeanien bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch in annähernd ursprünglichem Zustand befanden, hatten den Brauch oder die Gewohnheit, nur etwa die Zahlen, Eins, Zwei, Drei und Vier und Fünf im einzelnen zu erfassen und in ihrer Sprache auszudrücken – mehr war für sie zum Leben nicht nötig und wurde von ihnen im Alltag nicht verlangt. Darauf folgten denn schon Worte, die vielsagend „mehr“ oder „viel“ bedeuteten.  Unsere natürliche Fähigkeit,

Zahlen unmittelbar zu erfassen, oder unser Vermögen, konkrete Mengen bewusst nach einem bestimmten Schema in Einzelelemente aufzuteilen, übersteigt  selten die Zahl 4, 5 oder 6. Die Form figurativer Zahlen, wie sie die nach einem bestimmten Muster angeordneten Punkte auf den Flächen eines Spielwürfels repräsentieren, mag diese Fähigkeit unterstützen und vielleicht noch etwas steigern.

Die Zehn als Dreieckszahl.

Von links (roter Punkt) nach rechts; 1 + 2 + 3 + 4 = 1

Das Zählen und mit ihm Zahlen – sie hatte für uns schon immer eine spielerische und vor allem eine praktische Bedeutung. und das musste auch gelernt sein. Das ergibt sich aus der einfachen Tatsache, dass der entsprechend geschulte Mensch über viel Jahrhunderte hinweg grössere Zahlenreihen aufsagen lernte und das erwiesenermassen auch problemlos tun konnte, ohne zu wissen, was sich hinter den Zahlen wie 11, 12 oder 21, 22,… eigentlich verbarg. Er verfügte also in dieser Grössenordnung über keinen abstrakten Zahlenbegriff.

Hier hat „Zahlen“ die Doppelbedeutung, Mehrzahl von Zahl als mehr oder weniger abstraktes, arithmetisches Objekt und als Verb für eine kommerzielle Tätigkeit inne, d.h. eine Ware, eine Dienstleistung zu bezahlen und also (im Markt) zu bewerten, was in der Gesellschaft menschlicher Individuen so wichtig wie verbreitet ist. Ohne das besondere Vermögen von Rechnen bzw. Rechnungen (im arithmetischen wie im kommerziellen Sinne) ginge hier gar nichts, das über den einfachsten Tauschhandel hinausgeht.

Bereits hinter den Regeln für die formale Darstellung der eigentlichen Zahlen stehen konkrete Anschauungen: für die Römer war so die Eins (1) nichts anderes als ein ausgestreckter Finger bzw. seine Abstraktion als Strich (I). Entsprechend wurden Zwei (II) und Drei (III) geschrieben. Die Ziffer Vier dagegen ist gerechnet: 5 – 1, wobei für die fünf Finger einer Hand miteingelegtem Daumen 4 und 5 ein besonderes Zeichnen: IV bzw. V benutzt wird. Der Strich vor V bedeutet hier „weniger 1“. Ein Strich nach dem Zeichen V jedoch „plus 1“. Nach diesem System schreibt man Sechs (VI), Sieben (VII) und schliesslich Neun (IX) – wo das Kreuz X die Zahl Zehn bedeutet – Elf (XI), Zwölf (XII) und so weiter. Mit Hilfe der Hände, allenfalls auch Füsse behält der Naturmensch und einfache Soldat dank der Anschauung noch eine gewisse Übersicht bis Zwanzig:

XX = X + X = V + V + V + V;

darüber hinaus wird es aber für die meisten schwierig. Algorithmische Bezeichnungen, also solche, die eine Kombination von individuellen Zahlbezeichnungen darstellen, führen sie jedoch immer weiter ins Reich der Zahlen hinaus, ohne diese Objekte wirklich begreifen zu können – also ohne zu verstehen, was sie ihnen sagen oder gar mit ihnen rechnerisch richtig umgehen zu lernen.

Viele werden ohne das notwendige Grundwissen des Einmaleins von grossen Zahlen rasch überfordert und befinden sich dann in einer Art Natur-Zustand, der uns letztlich nicht weit vom Tier unterscheidet. Doch prinzipiell besitzt der Mensch die Vorstellungskraft, die es ihm ermöglicht, Zahlen wie in einem inneren Film entstehen zu lassen. Er schreitet dabei, ausgehend von der universellen Einheit 1, schrittweise durch Hinzufügen weiterer Einheiten zu immer grösseren Zahlen weiter. Das wird ihm erleichtert, indem in der modernen Ziffernsprech- und Schreibweise nur die Zahlen 1, 2, 3 bis 9 und die Null eine individuelle Bezeichnung haben und daraus die übrigen durch Kombination, also als algorithmische Zahlwörter erscheinen.

Die algorithmisch gebildeten Zahlen müssen längst nicht mehr alle eine in der Realität verankerte Entsprechung haben. Aber es ist wichtig, dass wir uns eine solche Entsprechung ohne weiteres auch als in der Realität bestehend vorstellen können. Damit haben wir auch das Prinzip der Vermehrung und die Grundform der Addition als Operation erfasst – als motorisch handelnder oder mathematisch denkender Mensch. Die umgekehrte Operation kennen wir als Subtraktion. Die Resultate einfacher Rechnungen lassen sich als Ziffern darstellen. Dabei spielt natürlich unser eigenes Positionssystem (das 10er-System) mit der Schreibweise 1, 2, 3… und 0, 10, 11… 20, 21… 100, 101… 1000, 1001… eine entscheidende Rolle.

Es war in grauen Vorzeiten, vor vielen Jahrtausenden, als Menschen begannen, sich der Welt mittels Zahlen zu bemächtigen. Indem sie aus ihrer Umgebung etwa Muscheln, Knochen oder Stäbchen, harte Früchte und so weiter mit diskreten Einzelobjekten, die sie besonders interessierten und die ihnen teuer waren, in eine Eins-zu-Eins-Beziehung brachten – damit begann die schöpferische Inspiration, die sich zur grössten Erfolgsstory aller Zeiten entwickelte. Vielleicht waren es auch nur kleinere Steine, die Römer nannten sie Calculi (Kieselsteine), die sich zu typischen Formen der 3, 4 oder 5 anordnen liessen.

Schon viel früher haben Menschen Calculi aus Ton benützt, oder Kerben in einen Röhrenknochen geschlagen, in die Rinde eines Baumes, Ast- oder anderen Holzstückes eingeritzt, oder sonst irgend welche Zeichen gesetzt, die sie an die Anzahl Elemente, die einer diskreten Menge angehörten, beständig erinnerten, wenn immer sie nur wollten. Sei dies nun das Wissen an Kinder, die zu ihrem Clan gehörten, oder an Tiere, die sie im Haus bei sich hatten und dringend zum Überleben brauchten oder an sonst irgendwas, das nicht verloren gehen sollte.

Das Zählen und Schreiben von Zahlen hat eine lange Geschichte. Noch im alten Ägypten schrieb man sie mittels Strichen.

Zahlen von rechts nach links: von 1 bis 10.

Zählstab – gegen 10’000 Jahre alt.

Aus frühester Vorzeit wurden Stäbchen geborgen, die in regelmässigen Abständen mit Kerben versehen sind. Wir interpretieren diese als Zählstäbe und sehen sie als die Vorläufer der Zahlensysteme. Nämlich so, dass ihre Hersteller den Daumennagel auf die erste Kerbe halten: zuerst…; auf die zweite Kerbe: dann…; dritte Kerbe: und dann usw.. Da wird das diskrete Nacheinander der Zahlen archäologisch sinnfällig! Wenn sie dabei das Stäbchen durch die halboffene Hand schieben, kommen sie dann allerdings bis zu seinem Ende – und müssen im Prinzip wieder von vorne anfangen.

Aus konkreten Gegenständen zum Zählen, dem lateinischen calculus, kleiner Kieselstein, leitet sich das Wort Kalkül ab, das wir heute als mathematischer Begriff für einen Algorithmus verwenden – für ein formales System, das ein Verfahren zur schrittweisen Umformung von Zeichen- oder Zahlenreihen darstellt, was zur Lösung eines bestimmten Problems dienen soll. In Guayana etwa kam es vor, dass bei Zeitabmachungen beide Parteien ebensoviel Steinchen oder Getreidekörner in eine Flasche legten wie Tage bis zu dem abgemachten Termin verstreichen sollen. Für jeden verstrichenen Tag wird ein Steinchen oder ein Korn herausgenommen. – „Das Einkerben von Holz oder Knochen bildet genau wie das Anlegen von Steinhäufchen oder Häufchen aus anderen Gegenständen den Ursprung des Zählens.“ Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, deutsche Übersetzung: Alexander von Plasen, Frankfurt/Main · New York 21991, Köln 1998, S. 117)

Kerbe und Haufen, also Strich und Menge bilden das natürliche Fundament des Kalkulus.

Zählen war ursprünglich nichts anderes als ein zielgerichtetes Hantieren mit dafür geeigneten Gegenständen, wobei es wohl sehr lange dauerte, bis man sich darüber klar wurde, dass eine Anzahl kein Gegenstand bzw. keine Reihe von Gegenständen ist, vielmehr eine arithmetische Eigenschaft. „Die Individuen,“ lehren uns David Hilbert und Wilhelm Ackermann, „denen eine Anzahl als Eigenschaft zukommt, können die gezählten Dinge nicht selbst sein, da jedes von den Dingen nur eines ist, so dass eine von Eins verschiedene Anzahl danach gar nicht vorkommen könnte. Dagegen lässt sich die Zahl als Eigenschaft desjenigen Begriffs auffassen, unter welchem die gewählten Individuen vereinigt werden. So kann z.B. die Tatsache, dass die Anzahl der Erdteile fünf ist, zwar nicht so ausgedrückt werden, dass jedem Erdteil die Anzahl fünf zukommt; wohl aber ist es eine Eigenschaft des Prädikates »Erdteil sein«, dass es auf genau fünf Individuen zutrifft.“ (Grundzüge der theoretischen Logik, Berlin 21938, S. 109).

Damit ist festgehalten, dass es sich beim Anzahlbegriff, der uns auf den ersten Blick einfach strukturiert erscheint, in Wirklichkeit um ein sogenanntes Prädikatenprädikat handelt, um eine Eigenschaft einer bestimmten Eigenschaft, wie zum Beispiel die Eigenschaft „Erdteil sein“. Dass es in diesem Beispiel nur gerade fünf, eindeutig bestimmte Individuen gibt, die diese Eigenschaft haben, und nicht, wie gewöhnlich, mehrere Gruppen von fünf Individuen, ist ein Sonderfall. Überdies wird darauf hingewiesen, wie wichtig die Bildung einer Einheit im Anzahlbegriff ist: die gewählten Individuen müssen vorerst unter einem Begriff vereinigt werden, bevor sie sich zählen lassen. Das im Fall der Eins oder „universellen Einheit 1“ die Einheit des Begriffs nur gerade ein einziges Individuum umfasst, ist wiederum Sonderfall.

Wenn man sich dies nun „im Begriff vereinigt“ bzw. am Körper des Menschen konkretisiert vorhanden denkt, so haben wir bewusst etwa das Bild des Kopfes (1) vor Augen (2) bzw. den Rumpf (1) oder auch die Arme (2×1), sowie die Brüste vorab der Frau (2) und Scham mit drei Ecken (3 = 1+1+1) und unsere Arme und Beine (4 = 2×2), endlich beim Mann sein nach aussen gestülptes Geschlechtsorgan: den Penis (1).

Es wir wohl auch nicht allzu lange gegangen sein, bis man oder frau auf die Idee kam, als Kurzzeitgedächtnis, mit dem sich bequem kleinere Zahlen speichern liessen, auch die Finger ihrer eigenen Hände zu benützen. Diese Variante war naheliegend, weil zur Herstellung der besagten Beziehung zwischen realen diskreten Objekten und abstrakten „Zahlen“ sich die Finger, mit denen man gewöhnlich einen Gegenstand begriff – oder speziell der Zeigefinger, mit dem auf etwas zeigen konnte, besonders eigneten.

Aber das Geheimnis dieser Inspiration, die dem Menschen schon recht viel an Abstraktionsvermögen abverlangte, lag wie gesagt in der Herstellung einer sogenannten 1-1-Beziehung zwischen konkreten, diskreten Objekten und (Finger-)Zeichen oder Marken, die sie dabei unterstützten und so als Zeiger zum fortgesetzten Zählen dienten. Das Verhältnis Eins zu Eins – das setzt schon ein gewisses Verständnis und einen rudimentären Begriff von der universellen Einheit 1 voraus, auch wenn dieser anfänglich nur im Begreifen eines kleinen runden Gegenstandes oder Schlagen bzw. Ritzen einer länglichen Kerbe in einen weichen Untergrund bestand, dessen Struktur doch eine gewisse Beständigkeit bewies.

Stellt man sich den Urmenschen als noch kaum des Zählens mächtig vor, wie er sich halbnackt oder hüllenlos in seiner primitiven, aber natürlichen Umgebung bewegte, so sind zwei Zeichen oder Marken besonders geeignet, die Aufmerksamkeit unserer Hände oder Finger auf sich zu ziehen – ganz besonders auch schon die der Kinder und Jugendlichen -, nämlich die beiden runden und nährenden Brüste der Frauen (= 2) und der längliche (erigierte) Penis der Männer (= 1). Abgesehen vom phallischen Symbol schlechthin, oft genug im Turm überhöht, erscheint uns so fast als ein Inbegriff der Zahl 2: das Paar der beiden dunklen Vorhöfe mit den Warzen auf dem weichen, runden Grund der weiblichen Brüste – ein Bild, Abbild oder Symbol von „Zwei“ par excellence, wie wir es uns kaum besser vorzustellen vermögen. Dieses so diskrete wie kostbare Merkmal der Fruchtbarkeit beflügelte gewiss auch schon früh die Phantasie des Menschen.

Eine Frau besass als Zeichen ihrer weiblichen Gediegenheit schon immer diese „zwei“ Brüste – nie nur eine oder sogar drei, sondern genau zwei. Ebenso war die eine Brust von der anderen in ihrer Funktion nicht zu unterscheiden, also waren beide gleichwertig. Da spielte es keine Rolle, wenn auch vielleicht die eine etwas grösser war als die andere oder eine etwas mehr Milch gab als die andere.

Eine ähnliche Zweisamkeit wie an den weiblich runden Brüsten war aber auch an den Augen des Gegenübers zu erkennen, nur war dieses Bild nichts Geschlechtsspezifisches und vor allem durfte man es, im Unterschied zur Nase, nicht anfassen; es war also in diesem Sinn als Zwei nicht unmittelbar zu begreifen. Das war bei anderen, paarweise am menschlichen Körper angelegten äusseren Organen schon anders. Bekanntlich unterscheiden wir an Händen und Armen gerne zwischen links und rechts als bevorzugte Seite, und dasselbe gilt für unsere Füsse und Beine. Etwa von links nach rechts wird hiermit auch ein Richtungssinn begründet – analog wie die als dominantes Vorbild dienende Richtung von oben nach unten bzw. unten nach oben. Ebenso der Prozess des Zählens diskreter Gegenstände erfolgt stets in einem bestimmten Sinn, auch wenn dieser für das Ergebnis keine Rolle spielt. Ja es ist sogar unwesentlich, in welcher Reihenfolge wir die Elemente eine Menge zählen oder aufschreiben. Das Resultat ist stets dasselbe.

Nun noch die Eins: wie also vermochte der primitive Mensch den Schritt von der bunten und so überaus vielfältigen Gegenständlichkeit zur universellen Einheit zu machen, die mit ein wenig Phantasie auch noch zu der Ur-Gleichung

1 + 1 = 2

zu kombinieren war? Konnte hierzu wirklich ein länglicher Finger als Vorbild für 1 dienen, und der gestreckte Daumen und Zeigefinger als Geste für 2? Dabei können wir uns durchaus vorstellen, dass eben die beiden ausgestreckten Zeigefinger und Mittelfinger (Ring- und Kleinfinger gebeugt, vom Daumen gehalten) als typische Geste für 2 und die ganze Hand für V bzw. 5 galt, dagegen dem Gegenüber zwei mit gekreuzten Armen offen gezeigte Hände als Zeichen für X = V + V bzw. 10. Für den einfachen Handel genügt es solche oder ähnliche Gesten zu kennen, noch ohne sie als Zahlzeichen schreiben zu können. Wie und wann waren sich die Menschen dieser Tatsachen und Zusammenhänge voll bewusst? Darüber können wir wohl nur spekulieren. Sicher scheint, dass die obengenannte Gleichung wie gesagt der Zeugungsbeziehung entspricht, die in Zahlen der Gleichung

1 + 1 = 2

heisst, indem nach dem urtümlichen Akt „1 + 1“ gerade ein Kind +1 resultiert (wie es im Falle der Zeugung gewöhnlich zutrifft). Vermochten unsere Ur-Vorfahren wirklich schon derart abstrakten mathematischen Gedankengängen (gar einer Zahl als „Zahl der Zahl“) zu folgen? – wohl kaum. Für uns sind diese indes nachzuvollziehen; das Ganze führte denn in all ihren möglichen Erscheinungsformen und Aspekten letztlich zur besagten Erfolgsstory. Was auch den Menschen auf das Begreifen der Existenz einer universellen Einheit lenkte – viel eher dürfte die so praktische wie abstrakte 1-1-Beziehung im Tauschhandel geübt worden sein. Das heisst in der für uns alle so grundlegenden Bezugnahme: „du gibst mir eines von diesem – und ich dir eines von dem“ als aller Anfang, wobei auch schon rege der Finger und die Hände als Zeigemittel benützt wurden. Im Begreifen, Fassen und Zeigen ist der Auftakt aller Anschaulichkeit begründet, die wir seither bis heute stets mit dem konkreten, sinnlichen Erlebnis wie mit der Zahl als Abstraktum verbinden.

In der späteren Zahlentheorie, welche Mathematiker zugunsten des mathematischen Denkens entwickelten, haben wir – nebst dem Vermögen einer Art Linearschrift als Ausdruck des Zählens – zweierlei: „ein Ausgangsobjekt und einen Prozess des Fortschreitens. Beide müssen wir in bestimmter Weise anschaulich festlegen. Die besondere Art der Festlegung ist dabei unwesentlich, nur muss die einmal getroffene Wahl für die ganze Theorie beibehalten werden. Wir wählen als Ausgangsding die Ziffer 1 und als Prozess des Fortschreitens das Anhängen von 1.

Die Dinge, die wir, ausgehend von der Ziffer 1, durch Anwendung des Fortschreitungsprozesses erhalten, wie z.B.

1, 11, 1111

sind Figuren von folgender Art: sie beginnen mit 1, sie enden mit 1; auf jede 1, die nicht schon das Ende der Figur bildet, folgt eine angehängte 1. Sie werden durch Anwendung des Fortschreitungsprozesses, also durch einen konkret zum Abschluss kommenden Aufbau erhalten“, und dieser Aufbau lässt sich daher auch durch einen schrittweisen Abbau rückgängig machen. – Wir wollen diese Figuren, mit einer leichten Abweichung zum ursprünglichen Sprachgebrauch, als Ziffern bezeichnen.

„Was die genaue figürliche Beschaffenheit der Ziffern betrifft, so denken wir uns, wie üblich, für diese einen gewissen Spielraum gelassen, d.h. kleine Unterschiede in der Ausführung, sowohl was die Form der 1 wie ihre Grösse, wie auch den Abstand beim Ansetzen einer 1 betrifft, sollen nicht in Betracht gezogen werden. Was wir als wesentlich brauchen, ist nur, dass wir sowohl in der 1 wie in der Anfügung ein anschauliches Objekt haben, das sich in eindeutiger Weise wiedererkennen lässt, und dass wir an einer Ziffer stets die diskreten Teile, aus denen sie aufgebaut ist, überblicken können.

Neben den Ziffern führen wir noch anderweitige Zeichen ein. Zeichen »zur Mitteilung«, die von den Ziffern, welche die Objekte der Zahlentheorie bilden, grundsätzlich zu unterscheiden sind.

Ein Zeichen zur Mitteilung ist für sich genommen auch eine Figur, von der wir auch voraussetzten, dass sie sich eindeutig wiedererkennen lässt und bei der es auf geringe Unterschiede in der Ausführung nicht ankommt. Innerhalb der Theorie wird es aber nicht zum Gegenstand der Betrachtung gemacht, sondern bildet hier ein Hilfsmittel zur kurzen und deutlichen Formulierung von Tatsachen, Behauptungen und Annahmen.“ (David Hilbert und Paul Bernays, Grundlagen der Mathematik I; Berlin · Heidelberg · New York 21968, S. 21).

Gewöhnlich brauchen wir bekanntlich als Zeichen der Mitteilung die üblichen Nummern in Dezimalschreibweise zur Abkürzung für bestimmte Ziffern, die wir in arabischer Schreibweise wiedergeben, zum Beispiel 2 für „11“, 3 für „111“ oder 4 für „1111“. Eine „Numerierung“ ist dabei nichts anders als ein Zählen, das jede Zahl mit einem Wort bezeichnet, was aus den folgenden zehn Bezeichnungen oder Bildern einzeln erhalten und ausgedrückt werden kann:

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 0.

Für irgendeine nicht festgelegte Ziffer werden zur Bezeichnung kleine deutsche Buchstaben wie n, m oder auch i, k usw. benutzt sowie für die Kennzeichnung von Unbekannten etwa in der Gleichungslehre auch x, y und z. Dazu kommen Mitteilungszeichen für gewisse Bildungsprozesse und Rechenoperationen, durch die wir aus gegebenen Ziffern andere gewinnen. Diese können sowohl auf bestimmte wie auf unbestimmt gelassene Ziffern angewandt werden, wie z.B. in n + 1+ 1 = n + 2. (vgl. Ebd. § 2. Die elementare Zahlentheorie. – Das finite Schliessen und seine Grenzen; S. 21)

Diese Zeichen, besonders die Ur-Alternative 0 – 1, spielen bekanntlich eine zentrale Rolle in der Informationsverarbeitung – sie sind überhaupt für uns sehr wichtige innere oder kognitive Repräsentationen, wie wir sie hier mit Gerhard Helm bereits früher genannt und charakterisiert haben. Und eine Repräsentation ist immer etwas, das einen bestimmten Inhalt hat, und was für etwas anderes steht.

Das gilt besonders für die natürlichen Zahlen, hinter denen, wie wir wissen, vorab ganz wesentlich eine klare Aktion steht: der uns allen – von früher Kindheit ab – mehr oder weniger gut bekannte Zählprozess. Anders wären Sinn und Bedeutung dieser abstrakten, aus dem arabischen Raum stammenden Zeichen oder Ziffern wirklich nicht zu verstehen. Sie sind zwar indischen Ursprungs, aber im Laufe der Zeit über Vorderasien und das unter arabischem Einfluss stehende Spanien zu uns gelangt.

Das heute bei uns gebräuchliche Positionsprinzip auf der Basis der Zahl 10 – wir schreiben ja 10 für „zehn“, 100 für „hundert“ usw. oder etwa 11 für 10 + 1, 12 für 10 + 2 usw. – breitete sich von Indien zunächst in die benachbarten Länder aus. Dabei übernahmen einige Völker, wie China, von den Indern nur das Prinzip, behielten  aber die Form ihrer Ziffern bei. Andere übernahmen darüber hinaus von den Indern auch die Form der Ziffern, insbesondere die Völker des Nahen Ostens. „Die frühesten Handschriften in arabischer Sprache, in denen das Positionsprinzip benutzt wird, stammen aus den Jahren 874 und 878. Da in den verschiedenen Gebieten Indiens Ziffern von recht unterschiedlicher Form in Gebrauch waren, hatten auch die Ziffern, die in der Folgezeit in den östlichen Kalifaten und den maurischen Staaten auf dem Territorium des heutigen Spaniens benutzt wurden, eine recht unterschiedliche Gestalt. Die ostarabischen Ziffern breiteten sich später auf den ganzen islamischen Osten aus, wo sie noch heute – allerdings in etwas veränderter Form – gebraucht werden. Die Ziffern aber, die in den maurischen Staaten verwendet wurden, die sogenannten Gubär-Ziffern (…), sind die direkten Vorfahren unserer heutigen Ziffern.“ (Enzyklopädie der Elementarmathematik, Redaktion: P. S. Alexandroff, A. I. Markuschewitsch, A. J. Chintschin, Band I, Arithmetik, Berlin 31966, S. 39).

Zahlen, die eine algorithmische Bezeichnung besitzen, also eine Bezeichnung, die eine Kombination von individuellen Bezeichnungen (wie die aus unserer indisch-arabischen Ziffern gebildeten) ist, sind wohl als Resultat gewisser (manuell vorgenommener) Operationen an individuellen Anzahlen entstanden. Als Modell für die ersten zehn Zahlen individuellen Anzahlen mögen die Finger an der menschlichen Hand gedient haben. Wollte man aber mehr als zehn Gegenstände zusammenzählen, so konnte zum Beispiel auf der Erde zunächst ein Haufen oder eine Reihe aus zehn Calculi (irgend einer Art) gebildet werden, und von da aus war es dann ein leichtes, mit dem elften für die Kalkulation benutzen Gegenstand ein neuer Haufen oder eine neue Reihe zu formen und so weiter und so fort – sowie auch entsprechend zu bezeichnen. So liessen sich die auf dem Boden konkret geformten und zum Rechnen verwendeten Zahlen auch anderen Mitteilen. Somit entstanden wohl die algorithmischen Bezeichnungen wie: „zu zweimal zehn Kieselsteinen füge ich sechs weiter hinzu“ für „sechsundzwanzig“ tatsächlich als Resultat gewisser Operationen an individuellen Anzahlen.

„Diese Operationen waren anfangs keineswegs arithmetischer Natur, sondern rein motorische. Spuren davon erhalten sich in vielen Sprachen. So werden in der russischen Sprache die Zahlen von 11 bis 19 gesprochen als die entsprechende Zahl „auf zehn“ […]. Hier muss die Partikel »Ha« (auf) jedenfalls im Sinne von »…« (legen zu) verstanden werden. (Ebd. S. 15).

Später ging der unmittelbar motorische Charakter der Operationen mehr und mehr verloren, und ihre arithmetische Bedeutung trat klar in den Vordergrund. Was aber her als Sinn und Bedeutung erhaltende Basis erhalten blieb, war die ursprünglich gegebene 1-1-Beziehung zwischen den Ziffern oder Zahlen und den konkreten Gegenständen, die zum Zählen zu einer Menge vereinigt waren. Anstatt von Beziehung oder Relation sprechen Mathematiker heute auch gerne von einer „eineindeutigen“ Funktion bzw. 1-1-Abbildung zwischen der Menge von Gegenständen und den einzelnen Ziffern. Wie auch beim allgemeinen Begriff der mathematischen Funktion oder Abbildung wird sich also, wie schon beim Begriff der Anzahl herausstellen, dass man den eigentlichen Sinn und die Bedeutung der mathematischen Begriffsbildung oder Definition nur dann wirklich (anschaulich gegenständlich) verstehen kann, wenn man sich den konkreten physisch-physikalischen Hintergrund des Ganzen vor Augen hält. Dieser Befund stützt die These, dass die mathematischen Begriffe (meist) nichts mehr als abstrakte Modelle einer realen Handlung oder intendierten Aktion sind, denen ein bestimmter Zweck als Ursache zugrunde liegt. Die Bestimmung der Zahl ist denn auch das wichtigste Mittel, mit dessen Hilfe die Mathematik die Gesetzmässigkeiten der realen Welt studiert.

Damit es überhaupt zu einer solchen Handlung im mathematischen Sinne kommen kann, muss man sich aber von den Dingen in ihrer Einzelbeschaffenheit radikal loslösen. Dieses Loslösen kann als Resultat einer Abstraktionsbewegung aufgefasst werden, die eine für sie typische, ganz wesentliche Eigenschaft hat: nämlich dass sie von den in der Zahlentheorie betrachteten Gegenständen praktisch fast alle konkreten Merkmale fortdenkt, die sie unterscheidet, bis sie zum blossen mathematischen Objekt oder Element einer mathematischen Menge werden und von den ursprünglich wirklichen Verhältnissen nur noch so etwas wie ihre „formal logische Struktur“ übrig bleibt. Wir bilden uns so die Vorstellung einer idealtypischen Form der Dinge und Verhältnisse, und ersetzen die wirklichen Gegenstände durch ein einziges repräsentatives Element. Diese typische Abstraktionsbewegung oder diesen Abstraktionsprozess machen wir auch schon bei der Bildung des Anzahlbegriffs durch, wenn wir eine Menge individueller Gegenstände vorerst unter einem Begriff vereinigen und dann ihre „Anzahl“ als eine bestimmte Eigenschaft einer ihrer Eigenschaften erkennen. Ab diesem Moment stehen die Zahlzeichen abkürzend oder stellvertretend für dieses zweistufige Vorgehen da und erleichtern uns das rechnerische Umgehen  oder die Bemächtigung der Welt mittels Zahlen ungemein. Solche Zahlzeichen sind dann je Repräsentant einer bisweilen riesigen, fast alles gleichzeitig umfassenden Äquivalenzklasse.

Auf die natürlichen Zahlen kommt man, wenn zwei Mengen – nach Cantors ursprünglicher Definition: Zusammenfassungen von „bestimmten wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens“ – so beschaffen sind, dass sich eine umkehrbar eindeutige Zuordnung ihrer Elemente „herstellen“ lässt. Die Herstellung einer solchen Beziehung erfolgt durch „Abzählen“ aller in der Menge enthaltenen und voneinander wohlunterschiedenen Dinge. Hier gibt es also immer einen Beobachter, der eine bestimmte Menge betrachtet und alle ihre Elemente fein säuberlich „von Hand“ nacheinander abzählt.

Das ist nichts anderes als eine mit Absicht ausgeführte Handlung, eine zielgerichtete Aktion des Beobachters bzw. objektiven Betrachters. Ohne einen solch effektiv intelligenten über dem Tier stehenden Mensch oder Beobachter gäbe es nie so etwas wie die „natürlichen“ Zahlen. Und sehr wahrscheinlich auch nicht, wenn es nicht konkrete Mengen diskreter Dinge gäbe, deren Anzahl Elemente man bestimmen und das Resultat auch noch anderen Menschen mitteilen kann. Das ist das Wunder der Arithmetik, von dem wir alle von Kindsbeinen an profitieren.

Gekerbter Ishango-Knochen (Alter 20 – 25’000 Jahre).

Fundort: DR Kongo (Afrika).

Wer hätte gedacht, dass Knochen einst eine wichtige Grundlage als Schreib-Unterlage für die ersten Mathematiker (Arithmetiker) waren. Da es als Material sehr haltbar ist, sind diese Aufzeichnungen über Zehntausende von Jahren bis zu uns erhalten geblieben – als einmalige Zeitzeugen und historische Dokumente.

Oben links am unteren Knochen sind z.B. drei Strich-Kerben zu sehen, sie stehen wohl für die Zahl 3. Daneben sehen wir eine Gruppe von Kerben für die Zahl 6 – also das Doppelte 3 + 3 oder 2 x 3. Die nach rechts folgenden zwei Kerb-Gruppierungen zeigen die Zahlen 4 und 8 = 4 + 4 (sic!). Das kann kein Zufall sein… Die nächste Gruppe von Kerben steht für die Zahl 10 – somit für die Anzahl Finger 5 + 5 = 2 x 5 = 10. Davon kommt dann endlich auch unser wohlbekanntes Dezimalsvstem.

Mit der Verwendung von Strichen hatte man ebenfalls das Problem der begrenzten Abzählbarkeit (nur zehn Finger) gelöst, denn die Menschen konnten nun beliebig viele Striche setzen: ||||| ||||| ||||| ||||| |||||.

Abbildung des Knochens mit Strich-Kerben – von vier Seiten her gesehen.

Unser Denken und Vermögen, mit Hilfe von modernen Computern Zahlen zu manipulieren und etwa ihre Verteilung zu analysieren ist weit entfernt von jenen, die für ähnliche (?) Zwecke Kerben in Knochen ritzten. Immerhin weisst der Ishango-Knochen insgesamt 168 parallele Marken auf, die sich in 3 Kolonnen aufteilen, was auf ebenfalls drei Seiten in seinem Gebrauch schliessen lassen (vgl. a. die folgende Abbildung). Das Ganze lässt auf eine Verwendung schliessen, die über eine blosse Verzierung doch weit hinausgeht.

Jean de Heinzelin de Braucourt, der Entdecker des merkwürdigen Artefakts (1960), erlangte damit als Belgischer Geologe, der hauptsächlich in Afrika arbeitet, internationale Anerkennung. Er veröffentlichte darüber einen viel gelesenen Bericht (J. de Heinzelin de Braucourt, Ishango; Scientific American, 206-6, 1962, S. 105-116). Ein US-amerikanischer archäologisch interessierter Autor, Alexander Marshack, sah in ihm Jahre später gar einen astronomischen Mond-Kalender. Danach geriet der Knochen und seine mögliche Deutung als uralter „mathematischer Text“ allerdings wieder mehr und mehr in Vergesseneit.

Alexander Marshack schrieb im Auftrag der NASA das Buch: The Roots of Civilisation, The Cognitive Beginnings of Man’s First Art, Symbol and Notation (New York 1972) und konnte in diesem Zusammenhang den Ishango-Knochen mikroskopisch untersuchen.

Speerspitzen aus dem Mittleren Magdalénien. (Photo: Don Hitchcock 2015)

Auf der einen Speerspitze (Mitte links im Bild, Länge 12.4 cm) ist das abstrakte Zeichen eines Pfeils angebracht, was symbolisch die Richtung des Wurfs zeigt. Dahinter sind auf dem betreffenden Stück Rentier-Geweih parallele Marken in zwei Gruppen eingeritzt: sie stehen so wohl für die Zahlen 2 und 6 (= 2 x 3), mit denen die Jäger allenfalls einander mitteilen konnten, wie viele (wohl eher kleinere) Beutetiere sie nach einem Gang mit der Spitze erlegt hatten.

Es folgt ein anderes Beispiel.

Das gezeigte Fundstück (original im Musée d’Aquitaine, Bordeaux) wie auch die folgenden stammen ursprünglich aus dem Abri Cap Blanc. Don Hitchcock ist der Webmaster einer äusserst informativen Website, aus der insbesondere sehr wertvolle Bilder und aufschlussreicher Text aus den (Halb-)Höhlen im La Vézere zu klicken sind.

Das bemerkenswerte und zierliche, wohl von einer Frau angefertigte und gebrauchte Fundstück (sic!), weist beginnend am verdickten Ende feine Zählmarken auf. Sie symbolisieren (unten) 1, dann als Gruppen 2, 3 (= 2 + 1) und 6 (= 2 + 2 + 2 = 3 x 2) – ganz entsprechend dem uns bekannten Fingerglieder-Zählsystem. Danach folgt 4 sowie 8 (= 4 + 4), und zum Schluss 10. Eine gewisse arithmetische Systematik ist dem gewiss nicht abzusprechen… (sic!). Auf der oberen Seite haben wir 1, 3, 6 (?) und vielleicht zuletzt 12. Ohne das Ganze zu strapazieren, brechen wir hier besser unsere Deutung ab. Doch es kann kein Zweifel bestehen, dass es sich hier nicht einfach um eine willkürliche Setzung von Kerben als Zierde handelt.

In Europa wurden Kerbhölzer (in England: Tally sticks) noch bis weit ins 19. Jahrhundert verwendet. Sie halfen auch den Analphabeten, einfach verständliche Belege zu erhalten.

Wir schliessen ab mit der beeindruckenden Venus vom Hohlefels: auffallend ihr kleiner Kopf relativ zu den überaus üppigen Körperformen!

Venus vom Hohlefels (Mammut-Elfenbein, Höhe 59.7 mm – rund 35’000 v.Chr.). (Photo: H. Jensen. © Universität Tübingen)

Vermutlich ist es das Werk einer Frau (Grösse, Feinheit): Zusätzlich zu den relativ sorgfältig ausgeführten anatomischen Details weist die Figurine eine seltsame Reihe von Ritzlinien und Kerben auf, die in ihrer Komplexität unter den Elfenbeinfiguren der Schwäbischen Alb einzigartig sind. – Vermutlich wird aber keiner der für solche Venus-Figurinen Sachverständigen darauf kommen, wie wir die Linien ubter ihrer Brust deuten:

Acht bis zehn parallele Linien, vom Nabel bis zur Brust, könnten die Dauer der Schwangerschaft anzeigen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Frauen aus dem Aurignacien schon zählen konnten uns so auf ihre Art die Anzahl Monate zwischen Ausbleiben der Periode und der Geburt feststellten (sic!).

Ein Beweis dafür ist der allerdings aus Afrika stammende der LebomboKnochen (benannt nach den Bergen an der Grenze zwischen Südafrika und Swasiland).

Gekerbter Lebombo-Knochen (Alter rund 35’000 Jahre). (originalpeople.org/ishango-bone-worlds-oldest-math-tool/)

Der Knochen ist rund 35’000 Jahre alt. Er soll mit genau 29 Kerben versehen sein. Es könnte so, wie einige meinen, ein Näherungswert für den Mondphasenzyklus bzw. Menstruationszyklus einer Frau gewesen sein (der heute zwischen 23 und 35 Tagen liegt). Die angebliche durchschnittliche Dauer des Menstruationszyklus der menschlichen Frau von 29 Tagen soll sich mit dem Mondphasenzyklus von ebenfalls rund 29 Tagen erklären lassen. Die tatsächliche Länge einer einzelnen Periode – einer Lunation – ist jedoch auch verhältnismässig grossen Schwankungen (von ca. 29.3 bis 29.8 Tagen) unterworfen.

Noch heute fragen wir uns: Dauert eine Schwangerschaft nun neun oder zehn Monate? Das hängt davon ab, wie wir es rechnen. Heutzutage berechnen die meisten Gesundheitsexperten den Geburtstermin, indem sie vom ersten Tag der letzten Menstruation ausgehend 40 Wochen dazurechnen. 40 Wochen ergeben ungefähr neun Kalendermonate (mit 30 bzw. 31 Tagen) oder zehn Monate nach dem Mondkalender (mit 28 Tagen).

Während in der oben gezeigten Venus vom Hohlefels die Vulva realistisch ausgebildet ist, gibt es davon auch abstrakte Formen:

Vulva als Kreis mit Strich (aus Mammut-Elfenbein) mit Zählkerben (?) an der Peripherie.

Etwas weniger abstrakt ist folgende Felsgravur:

Im folgenden Bild eine Kombination eines Höhlenbärs mit einem Bison sowie einer Vulva – das Ganze an einem Höhlenvorsprung, der eigentlich als Penis gedeutet werden könnte.

Und noch ein Zählstab mit Vulva:

Die stilisierte Behaarung in Dreiecksform gibt wiederum die Zahlen 8 bzw. 9 an: d.h. die Dauer der Schwangerschaft!

Fortsetzung folgt

Richard Wagner – der letzte Titan

Gerade aufgrund des Einbezugs der menschlichen Stimme, durch die das gesprochene Wort auf der Bühne aufs engste mit dem tönenden Element des Klanges und Raum des Orchesters vereinigt und verstärkt wird, will Richard Wagner (1813-1883) – der letzte Titan – die geheimen Triebgründe und Zusammenhänge allen Geschehens aufdecken.

Mit seinen Opern, für die er mittelalterlichen wie nordisch-germanischen Sagenstoff aufgreift und meisterhaft verarbeitet, unternimmt Wagner den Versuch, Oper und Drama von Grund auf neu zu ordnen. In seinem Komponieren, wozu er die Technik seiner unvergesslichen Leitmotive verwendet, tritt die Hochromantik am nachhaltigsten in Erscheinung. Keiner der Epigonen reicht auch nur im entferntesten an Wagners unerschöpfliche Erfindungsgabe, an seine dramatische Kraft, an seine Leidenschaft und seine Zartheiten heran.

Im Fliegenden Holländer (Uraufführung 1843) tritt zum ersten Mal in Wagners Werken die Erlösungsidee auf, die von nun an stets dominiert. Dem unseligen, zu ewigem Kreuzen auf dem Meere Verdammten ist es gestattet, alle sieben Jahre an Land zu gehen, um zu versuchen, durch die treue Liebe einer Frau Erlösung zu finden. Senta beweist ihre Treue bis zum Tod; eine vom vollen Orchester getragene Violinpassage führt, entsprechend dem Vorspiel zum Erlösungsthema in D-Dur, das die Oper mit den Klängen der Gewissheit siegender Liebe beschliesst. 

Die Handlung für den Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg, Grosse romantische Oper in drei Akten (Uraufführung 19.10.1845, Hofftheater Dresden) ist der Sage vom Hörselberg entnommen. Sie vereint märchenhafte Elemente mit den historischen des Minnesanges und des Dichterwettkampfes auf der Wartburg, dem Sitz des thüringischen Landgrafen seit etwa 1200. Die Oper thematisiert den Zwiespalt zwischen heiliger und profaner Liebe und die Erlösung durch Liebe – ein Leitthema, welches sich auch durch viele von Wagners späten Werken zieht.

Bayreuth, Festspiele, "Tannhäuser", Schluss
Von den Bayreuther Festspielen 1930. Tannhäuser Schlusszene.

Tannhäuser, der Minnesänger und von der Tochter des Landgrafen geliebt, hat sich von Frau Venus betören lassen und vergibt im Sinnenrausch Zeit und Ewigkeit, bis er sich „aus Freuden nach Schmerzen sehnt“ und die Gattin ihn widerstrebend ziehen lassen muss. Er findet sich im Frühling am Fusse des Wartburgberges wieder, trifft den Landgrafen mit seinem Gefolge von Rittern und Minnesängern, unter ihnen Wolfram von Eschenbach, auf der Jagd, wird wieder in Gnaden aufgenommen, da man ihn nur „auf weiter Wanderung“ glaubte, und auf die Burg gebracht.

Elisabeth empfängt ihn voller Freude und Liebe; ein Sängerwettstreit über das Thema Das Wesen der Liebe soll ausgefochten werden und beginnt, nachdem sich die Edlen und Fürsten der Umgebung versammelt haben. Im Laufe des Wettstreits preist jeder auf seine Art, die Liebe in Gesängen, die Tannhäuser nach seinem Vorerlebnis nicht ganz ohne Grund reichlich spiessig findet und mit dem Feuer seiner „sündigen Lust“ bekämpft. Schliesslich wird es offenbar, dass er im Venusberg geweilt hat – allgemeine Bestürzung und Gericht über den Frevler, der verbannt wird und beschliesst, sich einem Pilgerzug anzuschliessen, der am Morgen des Tages nach Rom aufgebrochen ist, um beim Papst Vergebung seiner Sünden zu finden.

Als es Herbst geworden ist werden die Pilger zurückerwartet. Wolfram, der den Freund trotz ihrer Rivalität um Elisabeths Liebe und seinen „sittlichen Verfehlungen“ nicht vergessen kann, und die Tochter des Landgrafen, welche für des Geliebten Seelenheil betet, mustern die heimkehrenden Pilger, ohne Tannhäuser in ihrer Schar erblicken zu können. Gebrochenen Herzens begibt sich Elisabeth zur Wartburg, ihres baldigen Todes gewiss. Wolfram bleibt im dämmernden Herbstabend zurück und erkennt in einem einzelnen daherwankenden, erschöpften und verzweifelten Pilger den Gesuchten, der ihm berichtet, dass der Papst ihm nicht vergeben, sondern geflucht habe; nur wenn der dürre Stab in seiner Hand frisches Grün tragen würde, solle er Erlösung finden.

Tannhäuser will zurück in den Venusberg, da er auf Erden nichts mehr zu suchen habe. Schon nahen die traumhaften Bacchantinen und die Göttin der Liebe selber, die den „Ungetreuen“ willkommen heisst. Der, wie er glaubt, von allen Verlassene will sich in ihre rettenden Arme stürzen, als Wolfram ihn an Elisabeth erinnert, die als „sein guter Engel an Gottes Thron“ für ihn flehe und ihn erlöse. In aufsteigenden Nebeln versinkt der Zauber des Venusberges, da Tannhäuser in tiefer Erschütterung den Namen wiederholt. Zugleich nähert sich der Zug, der die sterblichen Reste Elisabeths zu Tale führt, von den Pilgern begleitet. Der offene Sarg wird niedergelegt; Tannhäuser sinkt an ihm nieder und stirbt mit den Worten „Heilige Elisabeth, bitte für mich“. Der Pilgerstab ergrünt, die Pilger tragen ihn unter feierlichem Lobgesang in ihrer Mitte: „Dem Sünder ward vergeben, da Frauenliebe ihn gerettet hat“.

Die Oper beginnt „mit der von Klarinetten, Fagotten und Hörnern vorgetragenen feierlichen Weise des Pilgerchores, einer Melodie von merkwürdigen Reiz, der zwar die romantische Gotik des 19. Jahrhunderts anhaftet; aber auch diese hat, in der Architektur wie in der Musik, einen höchst sympathische Stimmung bekommen, wie wir uns leicht durch die Betrachtung der in jener Zeit entstandenen Häuser dieses Stils klarmachen können. …

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Der dritte Akt des Tannhäuser gehört zu den bedeutendsten Schöpfungen des jüngeren Wagners. Eine ganz sonderbar eindrucksvolle, von herbstnebliger Trauer erfüllte Stimmung liegt über den ersten Szenen, die nach dem mit Motiven der Romerzählung Tannhäusers Italienfahrt schildernden Vorspiele zunächst das wiederum durch grösste Weisheit sparsamer Instrumentation ausgezeichnete kurze Solo Wolframs (Wohl wusst ich hier sie im Gebet zu finden) und den Chor der zurückkehrenden Pilger bringen; in strahlendem Es-Dur … steigt die dankbare Glückseligkeit stolz vor den beiden vergeblich auf Tannhäuser Wartenden in den Herbstabend: Halleluja in Ewigkeit singen die Entsühnten und ziehen achtlos an der gramvoll gebeugten Elisabeth, an dem trauernden Freunde vorüber…

Vielleicht ohne es zu wollen, hat Wagner hier ein allgemein gültiges Bild des grausam-gleichgültigen Lebens gegeben; es ist die Eigenart grosser Kunst, gleichsam im Vorbeigehen, mit nachlässiger Geste Tiefen zu durchleuchten. Nachdem die Pilger die Bühne verlassen haben, sinkt Elisabeth mit grosser Feierlichkeit auf die Knie; ihr Gebet, Allmächtige Jungfrau! hör mein Flehn, zeigt, was ein genialer Gestalter aus der französischen Prière einem konventionellen Bestandteil der französischen Oper zu machen vermochte.“ (Anton Mayer, Die Oper, Berlin 1929)

Am Schluss des Tannhäusers erklingt noch einmal der Pilgerchor, unter dessen immer machtvoller anschwellender Weise die beiden Liebenden im Tode vereint werden: die Erlösung durch die Liebe ist wiederum Ereignis geworden, symbolisiert durch das Grünen des Stabes.

Wagner tiefstes, geheimnisvollstes, kompliziertestes und wohl schwierigstes Werk ist Tristan und Isolde (Uraufführung 10.06.1865, im Königlichen Hof- und Nationaltheater in München unter der Leitung von Hans von Bülow). Die Erzählung von Tristan und Isolde ist neben der vom Gral oder der von König Artus und seiner Tafelrunde einer der Stoffe, die von der erzählenden Literatur des europäischen Mittelalters häufig bearbeitet wurden. Zahlreiche Dichter unterschiedlicher Volksliteraturen – besonders in Frankreich und Deutschland – haben ihr dichterisches Können an der Gestaltung dieses spannungsreichen Stoffes erprobt.

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Tristan und Isolde mit dem Liebestrank.

„Der Sinn des Lebens: seine Verneinung als zeitlich bestimmte Erfüllung unerträglicher Leidenschaft, seine Bejahung als schwingendes Aufgeben im ewigen All, sind vom Schöpfer des Werkes in buddhistischer Weite, aber ohne die Einseitigung der Heilung gefasst; die pessimistische Auffassung Schopenhauers aber, der durch Willensverneinung die Lösung des tragischen Konfliktes zwischen Wirklichkeit und Traum, zwischen Sehnen und Betätigung beseitigen wollte, steigert Wagner durch die Betonung des dem erdhaften Lebens- (oder Todes-)willen überlegenen Ewigkeitswillen, der in Isoldens Liebestod (welche nicht etwa, wie der biedere Zuschauer denken könnte, an ‘gebrochenem Herzen stirbt’) die endlose Vereinigung der beiden unlöslich miteinander Verbundenen dem All ertrotzt.“

„Wer dieses Werk hören und leiben lernen will, muss dem Dichter und dem Komponist in eine Höhe folgen, welche, von sehr dünner Luft umweht nur einigen wenigen Schaffenskraft verliehen hat, etwa Mozart, oder Rembrandt und Goethe.“

Für die romantische Oper Lohengrin (Uraufführung 28.8.1850, Hoftheater Weimar) hat Wagner das mittelalterliche Vorbild (höfisches Epos von 1280/90) zusammengefasst und nur noch die wesentlichen Elemente dargestellt. Musikdramatisch ist Lohengrin ein entscheidender Fortschritt. Die alte Nummernoper ist nunmehr vollständig überwunden. Musik und Sprache sind intensiv miteinander verbunden.

Wagner komponiert nun im Geiste des Revolutionsjahres 1848. „Die Dresdner Revolution und ihr ganzer Erfolg hat mich nun belehrt, dass ich keineswegs ein eigentlicher Revolutionär bin: ich habe gerade an dem schlimmen Ausgang der Erhebung ersehen, dass ein wirklich siegreicher Revolutionär gänzlich ohne alle Rücksicht verfahren muss. Aber nicht Menschen unserer Art sind zu dieser fürchterlichen Aufgabe bestimmt: wir sind nur Revolutionäre, um auf einem frischen Boden aufbauen zu können; nicht das Zerstören reizt uns, sondern das Neugestalten, und deshalb sind wir nicht die Menschen, die das Schicksal braucht. So scheide ich mich von der Revolution.“ (Wagner an seine Frau Minna, 14.5.1849).

„Auch Lohengrin ist kein eben nur der christlichen Anschauung entwachsenes, sondern ein uralt menschliches Gedicht, wie es überhaupt ein gründlicher Irrtum unserer oberflächlichen Betrachtungsweise ist, wenn wir die spezifisch christliche Anschauung für irgendwie urschöpferisch in ihrer Gestaltung halten. Keiner der bezeichnendsten und ergreifendsten christlichen Mythen gehört dem christlichen Geiste, wie wir ihn gewöhnlich fassen, ureigentümlich an: er hat sie alle aus den rein menschlichen Anschauungen der Vorzeit übernommen und nur nach seiner besonderen Eigentümlichkeit gemodelt.“ (Wagner, Mitteilung an meine Freunde, 1851).

Mit Lohengrin erreicht die romantische Oper ihren Höhepunkt durch die vollendete Einheitlichkeit von Dichtung und Musik im Sinne romantischer Kunstanschauung. Bei den Motiven treten zwei gegensätzlich Hauptgruppen in den Vordergrund: die Themen um Lohengrin und den Heiligen Gral und die Motive, welche die Gegenseite umzeichnen. Als Quelle dient die gesamte mittelalterliche Schwanenrittersage. Elsa, eine junge Frau, sucht im Schwanenmythos die Flucht aus der sie bedrängenden Realität. Sie erträumt sich den reinen Ritter. König Heinrich der Vogler kommt ins Land, um über die fälschlich angeklagte Elsa Gericht zu halten. Der erträumte Held erscheint und besiegt den Ankläger Telramund…

„Lohengrin suchte das Weib, das an ihn glaubte, das nicht früge, wer er sei und woher er komme, sondern ihn liebte, wie er sei und weil er so sei, wie er ihm erschiene. Er suchte das Weib, dem er sich zu erklären, nicht zu rechtfertigen habe, sondern das ihn unbedingt liebe. Er musste deshalb seine höhere Natur verbergen, denn gerade eben in der Nichtaufdeckung, in der Nichtoffenbarung dieses höheren – oder richtiger gesagt: erhöhten – Wesens konnte ihm die einzige Gewähr liegen, dass er nicht nur um dieses Wesens Willen bewundert und angestaunt, oder ihm, als einem Unverstandenen, anbetungsvoll demütig gehuldigt würde, wo es ihn eben nicht nach Bewunderung und Anbetung, sondern nach dem Einzigen, was ihn aus seiner Einsamkeit erlösen, seine Sehnsucht stillen konnte: nach Liebe, nach Geliebtsein, nach Verstandessein durch die Liebe, verlangte.“ (Wagner, Mitteilung an meine Freunde, 1851). – „Elsa ist das Unbewusste, Unwillkürliche, in welchem das bewusste, willkürliche Wesen Lohengrins sich zu erlösen sehnt; dieses Verlangen ist selbst wiederum das unbewusst Notwendige, Unwillkürliche in Lohengrin.“

Die Meistersinger von Nürnberg (Uraufführung 21.6.1868, Hofoper München) bedeuten die Erlösung nach den Qualen des Tristan. Die Meistersinger sind voller dichterischer Schönheiten; Hans Sachs sagt die prachtvollsten Dinge über die Dichtkunst und fertigt den arroganten Beckmesser (mit dem der Wiener Kritiker Hanslick gemeint ist) mit prachtvollen Sätzen ab. Der wirkliche Nürnberger Meistersinger dieses Namens hat 1517, im Umkreis des historischen Sternjahres 1518, das erste von etwa siebzig Fasnachtsspielen verfasst und 1557 veröffentlicht Hans Sachs seinen Gedichtband Schwänke im Stil der Meistersinger, einer Vereinigung städtischer Dichter-Handwerker. Auch in den Meistersingern werden zwei gegensätzliche Welten einander gegenüber gestellt: Der künstlerisch produktive Volksgeist (Hans Sachs) und das handwerksmässig kunstübende Spiessbürgertum (Beckmesser).

Der letzte Sinn der Meistersinger ist in die Worte ihres klugen Helden gefasst: Was wahr und echt wüsst keiner mehr, Lebt’s nicht in deutscher Meister Ehr! – Auch in der Meistersinger-Partitur ist die Sparsamkeit der Mittel hervorzuheben; die gewaltige Wirkung kommt nicht von der Quantität der Instrumente, sondern von der Qualität des Satzes. Dichtung und Musik bilden in ihrer Selbständigkeit gleichwertige Faktoren, die sich in dem Werk zu einer wundervollen Einheit verschmelzen. Das Meistersinger-Orchester steht in starkem Gegensatz zu dem des Tristan. Es ist mit Hinzufügung der Bastuba, der Harfe, der grossen Trommel und des Glockenspiels das Orchester der Fünften Symphonie Beethovens. „Sei heller, optimistischer Klang beruht in erster Linie auf der Ausarbeitung der Mittelstimmen, die niemals als reine Füllstimmen brummen oder schnarren (…), sondern stets in selbstständiger Führung als Kontrapunkt etwas zu sagen haben.“

 Der Ring des Nibelungen endlich, Wagners am grössten konzipierte und angelegte Schöpfung, geben ein Bild vom Werden und Vergehen einer Welt, ein düsteres Gemälde von der Menschen und Götter schwindendem Glück, von Verrat, Neid und Habgier, aber auch von der alles überwindenden Liebe, welche die Welt zu erlösen vermag. 

Der Mythos, welchen der Meister als Grundlage des Werkes nimmt, ist zeitlos und kann niemals seine Wichtigkeit verlieren, wenn auch heute kleine Geister, denen Motorenlärm, Maschinengestank, Fernsehblödheiten und anderes täglich Ohren und Sinn verwirren, äussern, für sie bedeute die Natur nicht viel oder gar nichts mehr. Wie in der germanischen Religion, als deren Wiederbelebung und Neuinterpretation aus dem Geist einer zivilisatorischen Spätphase sich uns der Ring darstellt, sind auch bei Wagner nahezu alle Göttergestalten der Herrschergewalt Wotans unterworfen.

Die Erdgöttin Erda – mit ihren Töchtern, den Nornen, künstlerischer Ausdruck der Sphären, die erst viel später Freud und Jung theoretisch umrissen haben – repräsentiert dagegen die dunkle, auch für Wotan undurchdringliche Schicksalhaftigkeit. Der Feuergott Loge zerstört schliesslich die Runen, die die Herrschaft des Götterkönigs begründen, und führt so das Ende der Götter herbei.

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Die Tetralogie, gegliedert in einen „Vorabend“ und drei „Tage“: Das Rheingold. Vorabend (1869); Die Walküre. Erster Tag (1870); Siegfried. Zweiter Tag; Götterdämmerung. Dritter Tag (1876), schon in ihren äusseren Dimensionen aussergewöhnlich, ist Wagners Hauptwerk.

Als Wagner nach Jahren der musikalischen Dürre, 1853 mit der Komposition des Rheingold begann, fühlte er sich selbst wie im Gipfelpunkt der Schöpfung angelangt. Damit schafft Wagner ein tönendes Universum, das jeden unbefangenen Hörer wie ein Naturschauspiel überwältigt.

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Rheinfall bei Schaffhausen (Schweiz).

Jahre sind vergangen, seitdem der Götterkönig Wotan die vom Feuer Umbrandete auf dem Walkürenfelsen allein gelassen hat. Sieglinde ist mit den Stücken des zerschlagenen Schwertes ihres Bruders geflüchtet und hat in ihrer schweren Stunde Aufnahme bei einem Zwergenschmied gefunden, der im Rheingold (Uraufführung 1869, Hofoper München) den Tarnhelm geschmiedet und nun unablässig darüber herumbrütet, wie er wohl in den Besitz des Ringes und damit – er, der Verachtete, stets Misshandelte – zu „massloser Macht“ kommen könne. Er hat Siegfried in seiner Waldhöhle aufgezogen, nachdem Sieglinde die Geburt mit dem Leben bezahlte, damit er ihm einst Fafner, den Lindwurm, in den sich der Riese nach dem Mord am Bruder und dem Raub des Goldes verwandelt hat, töten soll: so hofft er, selbst sich des Ringes bemächtigen zu können. Das ist die Vorgeschichte des Siegfried (Uraufführung 1876, Bayreuth), dem, so darf man sagen, eigenartigsten Werk des Ringes.

„Die strahlende Gestalt des jungen Helden, allen Deutschen lieb und teuer, steht in fesselndem Gegensatz zu dem schwierigen, nickenden, tapfigen, hämischen Zwerg (der aber doch der menschlich sympathischen Momente nicht entbehrt), den anderen Machtfiguren Alberich und Fafner, sowie dem tragisch-erhabenen Wanderer (Wotan), um endlich die ihm gleichartige Frau zu finden und an ihm zum Manne gereift zu werden. Ein seltsam unheimlicher Humor durchzieht das Werk, skurril, manchmal rührend, dann wieder in befreiendem Lachen aufjubelnd; die wunderbarsten Naturszenen finden sich, die fortreissende Kraft jungenhaften Ungestüms, die dunkle Weisheit der Götter und das dämmernde Märchenwesen der Zwergenhöhle.“ (Anton Mayer)

Vielleicht ist diese Art von Romantik heute bereits wieder veraltet, peinliches Heldentum, das uns kaum mehr etwas angeht. Allerdings haben Hitler und seine Anhänger mit Wagners Kunst eine höchst beschämende deutsch-nationale Propaganda getrieben, die dem Andenken und reformatorischen Geist des antisemitischen Komponisten und auch dem Verständnis für sein Opernwerk viel geschadet hat. Es ist eine völlige Verkennung der weit über alle Grenzen der Rassenbeschränkungen „in die Ewigkeit ragenden“ Werke, sie mit politischen Dingen zu verquicken. Der Meister hat zwar eine deutsche Kunst geschaffen, weil er Deutscher gewesen ist, aber sonst ist seine Kunst zeit- und raumlos, wie jede wahre und grosse schöpferische Leistung.

Nach Vollendung der Dichtung des Ringes des Nibelungen beginnt Wagner 1851 in der Schweiz mit dem Komponieren. Die Komposition des Ringes erfolgt – im Gegensatz zur Textdichtung – zuerst Rheingold, dann Walküre – in der dem Handlungsverlauf entsprechenden Reihenfolge. Nachdem die beiden ersten Akte des Siegfried 1857 fertig gestellt sind, wird der dritte Akt erst 1871 abgeschlossen. 1874 ist die Komposition des gesamten Werkes mit dem Abschluss der Götterdämmerung vollendet.

Die überaus charakteristischen Motive, die den Höhepunkt der Wagnerschen Leitmotivtechnik darstellen, haben durchweg psychologische oder symbolische Funktion. Sie erhöhen die Komplexität des dramatischen Ablaufs, indem sie simultan zum dramatischen Geschehen Beziehungen auf vergangene oder zukünftige Ereignisse herstellen. Da sämtliche Motive mit Ausnahme des Urmotivs jeweils aus früher auftretenden Motiven ableitbar sind, ergibt sich ausserdem eine Fülle von Beziehungen, so dass mit Recht geradezu von einer Genealogie der Wagnerschen Leitmotive gesprochen werden kann. Die Uraufführung des gesamten Ringes fällt in den Bereich des historischen Sternjahres 1878; sie findet vom 13. bis 17. August 1776 im Festspielhaus zu Bayreuth statt.

Der erste Abend nach dem Vorspiel bringt uns von den wolkigen Höhen auf die Erde zu den Menschen herab. Wotan hat bei den Menschen geweilt und ein Zwillingspaar gezeugt. Die Schwester, Sieglinde, entschwindet nach des Gottes vorausschauendem Willen früh dem Bruder, den auf der Flucht vor übermächtigen Feinden begriffen, gleich zu Beginn Liebe auf den ersten Blick zur Schwester fesselt. Ohne die Zusammenhänge zu kennen, sieht die liebende Frau im Bruder den ersehnten Helden. Schicksalsergeben klingt Siegmunds Wort, als er die Schwester mit wütender Glut an sich zieht und das Orchester mit leidenschaftlicher Stretta den ersten Akt der Walküre beschliesst.

Noch nie hatte Wagner etwas Vergleichbares komponiert.  Das Vorspiel beginnt mit reinen Naturtönen, wie wir es sonst etwa von den Schweizer Alphörnern kennen. Dann über-nehmen die Violinen – sie entwickeln Thema um Thema – mit überwältigender Eleganz und Kraft bis die menschliche Stimme übernimmt: der lieblichen Frauen und klumpenhaften Männer. Die Bläser agieren zudem mit der nötigen Stärke und Gewalt…

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Der dritte Akt enthält die drei populärsten Stücke aus Wagners späteren Werken, den Walkürenritt sowie den Feuerzauber des Schlusses. Klangwunder über Klangwunder, höchste Erhabenheit der musikalischen Konzeption, machen den Schluss der Walküre zu einem der eindrucksvollsten Dramenenden; wenn Wotans Gestalt durch das Feuer verschwindet und die Flammen die schlafende Brünhilde umbrennen.

Sieglinde ist mit den Stücken des zerschlagenen Schwertes ihres Bruders geflüchtet und hat in ihrer schweren Stunde Aufnahme bei einem Zwergenschmied gefunden, der im Rheingold den Tarnhelm geschmiedet und nun unablässig darüber herumbrütet, wie er wohl in den Besitz des Ringes und damit – er, der Verachtete, stets Misshandelte – zur „masslosen Macht“ kommen könne. Er hat Siegfried in seiner Waldhöhle aufgezogen, nachdem Sieglinde die Geburt mit dem Leben bezahlt hat, damit er ihm einst Fafner, der Lindwurm, in den sich der Riese nach dem Mord am Bruder und dem Raub des Goldes verwandelt hat, töten soll: so hofft er, selbst sich des Ringes bemächtigen zu können. Das ist die Vorgeschichte des Siegfried, dem, so darf man sagen, eigenartigsten Werk des Ringes.

„Die strahlende Gestalt des jungen Helden, allen Deutschen lieb und teuer, steht in fesselndem Gegensatz zu dem schwierigen, nickenden, tapfigen, hämischen Zwerg (der aber doch der menschlich sympathischen Momente nicht entbehrt), den anderen Machtfiguren Alberich und Fafner, sowie dem tragisch-erhabenen Wanderer (Wotan), um endlich die ihm gleichartige Frau zu finden und an ihm zum Manne gereift zu werden. Ein seltsam unheimlicher Humor durchzieht das Werk, skurril, manchmal rührend, dann wieder in befreiendem Lachen aufjubelnd; die wunderbarsten Naturszenen finden sich, die fortreissende Kraft jungenhaften Ungestüms, die dunkle Weisheit der Götter und das dämmernde Märchenwesen der Zwergenhöhle.“ (Anton Mayer)

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Es ist das Einzigartige in Wagners Laufbahn, dass jedes Werk die vorangehenden in irgend einer Weise übertrifft oder, wie der Parsifal (1882), zum mindesten am Ende des Lebensopus noch etwas Neues bringt – selbst nach allem, was ihm bis und mit dem Ring vorangeht. Aus den Tiefen des Wassers und der Erde, aus der grün schimmernden Dämmerung des Rheines und Nibelheims dunkelnden Klüften bis auf die „selige Öde“ sonniger Höhen führt uns der Dichter, dem die Elemente untertan sind: Feuer und Wasser, Luft und Erde musikalisch zu gestalten, im schopenhauerischen Sinn als platonische Idee zu sublimieren. „Ein Teil der ungeheuren Bedeutung des Ringes liegt in dieser Gestaltung der Natur, diesem einzigartig genialen Ausdruck tiefsten Naturgefühles.“

Parsifal (Uraufführung 1882, Bayreuth), Richard Wagners letztes Werk, sollte wegen seiner enormen Schwierigkeiten und seiner ganz sonderbaren Stimmung als Bühnenweihfestspiel niemals im Repertoire dem Konsum übergegeben werden. Die Verwendung lithurgisch-katholischer Themen verstärkt den hieratischen Charakter dieser Oper, die im übrigen keineswegs Mangel an Erfindungskraft zeigt: im Gegenteil, die Erfindung, auch die der leidenschaftlich-erotischen Szenen des zweiten Aktes, ist von alter Kraft und von unauslöschlichem Feuer.

Die Erlösungsidee tritt hier in reinster Gestalt auf; wie weit am Schluss Parsifal und Christus zu identifizieren sind, mag dem Empfinden jedes einzelnen überlassen bleiben. Auch ist es ganz falsch anzunehmen, dass Wagner am Schluss seines Lebens fromm geworden wäre und nach den heidnischen Greueln des Ring zum alleinseligmachenden Glauben zurückgekehrt sei, denn der erste Plan zu einem Christus- oder Parsifaldrama taucht schon in den vierziger Jahren auf und eine erste Skizze mit dem Titel Parzival entstand 1857 in Zürich. Nietzsche, der konsequenterweise jede Erlösungsidee ablehnen muss, hat mit seinem geistreich-boshaften Wort „Erlösung vom Erlöser“ viel Schaden angerichtet. Das Prinzip des Leitmotivs ist gewahrt, wenn auch nicht in so konsequenter Weise wie im Ring.

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Das Musikdrama in drei Akten stellt den Versuch dar, auf dem Höhepunkt der durch fortschreitende Säkularisierung gekennzeichneten europäischen Neuzeit eine religiöse Wiedergeburt mit den Mitteln der Kunst herbeizuführen. Diesen Absichten entsprechend übernimmt Wagner aus den mittelalterlichen Vorbildern seines Dramas, dem Perceval ou Le conte du Graal von Chrétien de Troyes, dem Parzival Wolframs von Eschenbach und dem Roman de l’estoire del Graal von Robert de Boron den esoterischen religiösen Gehalt nahezu vollständig. Er muss hier nur bei mehreren sich ausschliessenden Versionen einer den Vorzug geben. Der Gral, der spirituelle Mittelpunkt des gesamten Parsifal-Geschehens, ist bei Wagner nicht wie bei Wolfram ein Stein, sondern wie bei Chrétien ein Ciborium, und zwar – hier folgt Wagner Robert de Boron – das Speisegefäss des heiligen Abendmahls, in das dann am Kreuz Joseph von Arimathia das Blut des Heilands aufgefangen hat. Zugleich hat bei Wagner der Gral alle Eigenschaften als Stein der Weisen beibehalten, die ihm bei Wolfram aufgrund der katharisch-gnostischen Tradition, keltischer, arabischer und womöglich indoarischer Einflüsse beigelegt sind.

Bei der Ausgestaltung der äusseren Handlung seines Parsifal-Dramas stützt sich Wagner vor allem auf Wolfram, zieht jedoch die weitläufigen Geschehnisse des mittelalterlichen Epos zusammen und konzentriert sich auf die wesentlichen Ereignisse. Parsifal, der reine Tor, der vom Glanz ritterlichen Lebens geblendet, seine Mutter verlässt und dadurch ihren Tod verschuldet, findet die Gralsburg, unterlässt aber die Mitleidsfrage an den leidenden Gralskönig und wird dafür mit jahrelanger Busspilgerschaft bestraft, an deren Ende er erst den Herrn des Grals erlösen kann. Alle Bezüge auf die Tafelrunde des König Artus, Parsifals Heirat mit Condwirams, die gesamte Gawan-Handlung und die Intrige um die Königin Orgeluse sind dagegen in Wagners Werk weggelassen. Parsifals Lehrer, Gournemans und Trevrizent, sind zu einer Person verschmolzen, dem Gralsritter Gournemanz.

Überdies hat Wagner entscheidende Änderungen gegenüber seinen mittelalterlichen Vorbildern vorgenommen. Vor allem wird der Magier Klingsor, der bei Wolfram in der mit dem Gralsthema nur lose verbundenen Handlung um die Königin Orgeluse auftritt, von Wagner zum eigentlichen Gegner der Gralsritterschaft emporgesteigert. So entstehen zwei Pole: Klingsor residiert in seinem Zaubergarten auf der arabischen Südseite des Monsalvat, während der Gralstempel auf der nördlichen, dem gotischen Spanien zugewandten Seite des Bergs errichtet ist. Der König hat das nur von den „Reinen“ zugängliche und Sündern verschlossene Gralsheiligtum gebaut und gründet den Orden, in den Klingsor trotz allen Bemühungen keinen Zugang findet, da er ein böser Mensch und Zauberer ist. Um sich zu rächen, verwandelt er die Einöde in der Nähe der Gralsburg in einen blühenden, von schönen Frauen belebten Garten, um möglichst viel Gralsritter abspenstig zu machen und zu verführen.

Der Gralskönig Amfortas zieht aus, um ihn zu bekämpfen, mit dem Speer bewaffnet, mit dem Jesus am Kreuz seine Seitenwunde beigebracht wurde. Er gerät aber in die Verstrickungen einer wundervollen Frau – nämlich, was aber noch niemand weiss, Kundrys, die in einem später erklärten Abhängigkeitsverhältnis zu Klingsor steht. Klingsor kann ihm den Speer entreissen und ihn verwunden: es ist die Wunde, die sich niemals schliesst. Amfortas, der „vor dem verwaisten Heiligtum in brünstigem Beten lag“, Rettungszeichen bang erhoffend, erhält durch eine Vision den ersehnten Spruch: Durch Mitleid wissend, der reine Tor, harre sein, den ich erkor. – Klingsor, nicht irgendein Heide, ist es, der nunmehr mit dem heiligen Speer hofft, mit Hilfe schwarzer Magie auch den Gral selbst zu erobern. Parsifals Aufgabe ist daher bei Wagner nicht mehr allein, die Mitleidsfrage an Amfortas zu stellen, sondern, durch Mitleid wissend geworden, den heiligen Speer zurückzugewinnen. Parsifal vermag das wohl und kann den Zaubergarten zur Wüste verdorren lassen, weil er – im Gegensatz zu Amfortas – der Verführungsmacht Klingsors nicht erliegt.

Klingsors Verführungskünste beruhen auf der teuflischen Erotik seiner Blumenmädchen, vor allem aber auf dem erotischen Zauber Kundrys. Wagner hat die hässliche Gralsbotin Chrétiens und Wolframs zu einer Art von weiblichen Ahasver umgeformt. Kundry, die als einstige Herodias verflucht ist, weil sie beim Anblick des leidenden Heilands gelacht hat, sucht ihre Schuld im Dienst des Grals abzubüssen, unterliegt aber zugleich blinden, triebhaften Mächten und der Zaubergewalt Klingsors. Durch ihre grosse Schönheit hat sie Amfortas verführt, der dabei den Speer verlieren muss. Ihre Kraft vermag aber nichts über Parsifal: Durch ihren Kuss macht sie ihm vielmehr die Bedeutung von Amfortas’ Wunde bewusst. Unverführt durch die Mächte des Bösen vermag Parsifal Klingsor zu besiegen und auch Kundry zu erlösen.

Die Erzählung ist etwas lang, enthält aber grosse musikalische Schönheiten, besonders bei der Schilderung der Gralsgründung und am Schluss bei der Spruchverkündigung. Die vier Knappen, zwei Soprane und zwei Tenöre, wiederholen das Orakel, als plötzlich lautes Rufen durch den Wald dringt und der reine Naturbursche Parsifal von den Knappen und Rittern herbeigeführt wird: er hat im heiligen Bezirk einen Schwan geschossen. Auf Gurmenanz’ Vorhaltungen zerbricht er seinen Bogen voller Reue, auf Gurmenanz’ Fragen weiss er – nichts: „Nur dass seine Mutter Herzeleide hiess – den eigenen Namen kennt er nicht -, und dass er in die Welt lief, als er eines Tages Männer in glänzenden Rüstungen vorbeischreiten sah. Für ihn sagt Kundry aus: seine Mutter wollte ihn vor Heldentum bewahren, da sein Vater Gamuret im Kampfe gefallen war; so erzog sie ihn zum Toren. Aber nun ist sie tot: Parsifal ist erst wütend und dann erschüttert, als er dies vernimmt; Kundry, die ahnt, was es bedeutet, verkriecht sich ins Gebüsch, während Guremanz, da die Sonne schon hoch steht, Parsifal mit zur Gralsburg nimmt: er ist ein reiner Mensch, sonst hätte er den Weg nicht gefunden, und er ist ein Tor.“

Der Parsifal gehört zwar durchaus dem Wagnerschen Musikdrama zu, hat aber zugleich Züge der kultischen Handlung, des Mysterienspiels und des Oratoriums angenommen. Zur Synthese gelangt sind hier die spirituellsten religiösen Strömungen, die in der abendländischen Geschichte anzutreffen sind. Dem in den Werken Chrétiens und Wolframs gespiegelten, ausserhalb der kirchlichen Herrschaftsorganisation sich entfaltenden und den Geist des Stifters bewahrenden Christentum hat Wagner das Erlösungsdenken und die Mitleidsethik Buddhas, rosenkreuzerisches Gedankengut und die eigene „Regenerationslehre“ hinzugefügt. Damit ist die christliche Religion ausgeweitet – zu einem auf mythischem Weg zu erfassenden Pantheismus.

„Am Schluss der Oper lässt Parsifal den Schrein öffnen und enthüllt den Gral, der in tiefstem Leuchten zu glühen beginnt, während Kundry lächelnd in Frieden zu Boden sinkt, die Ritter und Amfortas voller Ergriffenheit dem neuen Herrscher huldigen, und, aus der Wölbung der Kuppel ertönend, die Worte des Chorus mysticus das Werk und das Schaffen Wagners beenden, welche noch einmal den Inhalt nicht nur des Parsifal in Kürze zusammenfassen: Höchsten Heiles Wunder, Erlösung dem Erlöser. – Die Ansprüche Wagners sind hoch – vielleicht zu hoch, um ein gelungenes Finale zu vollenden.

Parsifal soll nach dem Willen seines Schöpfers Bayreuth vorbehalten bleiben, wird aber nach Ablauf der dreissigjährigen Schutzfrist den Bühnen freigegeben. Gewiss wäre es besser gewesen, dem Wunsche des Meisters nachzukommen.

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Diese Oper ist kein Repertoirestück. Es geht eine überirdische Ruhe, ein vollendetes Aufgehen in mystisch-selige Gefilde von ihm aus, es scheint der Abglanz einer verklärten Welt aus den wundersamen Klangmischungen zu strahlen, welche die verschiedenen Chöre im Verein mit dem ins letzte differenzierten Orchester bieten. „Der ganze Schluss des Parsifal ist von unbeschreiblich weihevoller Stimmung: gerade hier liegt der Hauptgrund, aus dem heraus das nicht ohne Grund so genannte Bühnenweihfestspiel den Repertoiretheatern ferngehalten werden sollte.“ (Anton Mayer)

Mag der Tristan leidenschaftlicher, die Meistersinger lebendiger, der Ring noch grossartiger konzipiert sein; für den empfänglichen Hörer ist das Ende des Dramas und der Lebensarbeit voll erschütternder bis verwirrender Bewegtheit: „ …im Schluss des Parsifal lebt eine Vollendung, eine Jenseitigkeit, welche den zeitlosen Gestaltungen Richard Wagners die letzte Krönung verleiht.“  (?) – In der letzten Vorstellung an den Bayreuther Festspielen 1882 übernahm der Komponist selbst den Stab und dirigierte von der Verwandlungsmusik im III. Aufzug an bis zum Ende. Es war das einzige Mal, dass Wagner in seinem Festspielhaus eine öffentliche Aufführung leitete.

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